Gegen Ausbeutung

Die Marktmädchen vom Dantokpa Markt – Hilfe für Kinder in Benin

Die Mädchen müssen Tag und Nacht auf dem Markt arbeiten. Manche von ihnen wurden von ihren Eltern verkauft und leben in sklavenähnlichen Verhältnissen. In einer Einrichtung der Don Bosco Schwestern in Cotonou können sie sich ausruhen, spielen und lernen.

veröffentlicht am 27.05.2025

Vorsichtig balancieren die Mädchen ihre Ware auf dem Kopf. Tomaten, Salat, Chilischoten, Kräuter oder kleine Wasserbeutel. In den großen Tellern auf ihren kleinen Köpfen ist die Ware sorgsam drapiert. Nichts darf verloren gehen. Die Mädchen leben und arbeiten auf dem Markt Dantokpa in der beninischen Metropole Cotonou. Kleine Mädchen als wandelnde Kaufhäuser. Stundenlang sind sie unterwegs auf der Suche nach Käuferinnen und Käufern.

Es ist heiß und schwül. Dreck und Müll liegen auf den Straßen. Überall wird Ware angeboten. Gemüse, Fisch, Fleisch, Gewürze, Stoffe, Kleidung und Haushaltswaren. Es riecht nach Fisch, der in der prallen Sonne verwest. Unzählige Menschen strömen täglich auf den Dantokpa Markt in Cotonou, einen der größten Märkte in West­afrika. Er erstreckt sich über etwa 20 Hektar und zieht täglich Tausende von Händlern, Käufern und Besuchern an. Viele Familien leben und arbeiten auf dem Markt. Sieben Tage die Woche, Tag und Nacht. 

Aisha hat Angst, sich in den Gassen des Marktes zu verlaufen 

Aishas* Familie ist eine von ihnen. Mit ihrer Mutter und ihrem Bruder lebt die Zehnjährige auf dem Markt von Cotonou. Notdürftig hat sich die kleine Familie eine Hütte aus Wellblech zusammengeflickt. Der einzige Raum, der etwas Privatsphäre bietet. Normalerweise ­sitzen alle vor der Hütte inmitten von alten Autos, improvisierten Autowerkstätten, in Lärm und Benzingestank.

Aisha hat jetzt keine Zeit zum Spielen. Sie muss der Mutter helfen, das frische Gemüse zu sortieren und zu bündeln. Später wird sie die Ware verkaufen. Das macht das zierliche Mädchen nicht gerne. Sie hat Angst, sich im dichten Gedränge der unzähligen Gassen des Marktes zu verlaufen. Und der riesige Teller, den sie auf dem Kopf tragen muss, ist schwer. Manche Teller wiegen 15 bis 20 Kilo. Stundenlang muss das schmale Mädchen damit durch den Markt ziehen.  

Als der Vater stirbt, ist Aishas Familie in die Küstenstadt Cotonou gekommen. In der Hoffnung, hier Arbeit zu finden, um zu überleben. So ergeht es vielen Familien und vor allem den vielen alleinerziehenden Frauen in Benin. Einige Mädchen werden auch von ihren Eltern verkauft, um bei fremden Leuten zu arbeiten. Oder sie kommen zu Verwandten, die sie als Marktmädchen einsetzen. Manche Mädchen sind erst fünf oder sechs Jahre alt.  

Die Einrichtung der Don Bosco Schwestern ist eine wichtige Anlaufstelle 

Die zehnjährige Aisha hat noch Glück, denn sie kann vormittags die Schule besuchen. „Ich mag die Schule sehr und würde lieber nicht auf dem Markt arbeiten. Aber wir brauchen das Geld“, sagt Aisha betrübt. Glücklich ist das Mädchen, wenn es in die Baraque S.O.S gehen kann. Die Einrichtung der Don Bosco Schwestern ist eine wichtige Anlaufstelle für die Marktmädchen. Aisha verbringt hier gerne Zeit mit den anderen Marktmädchen und den Don Bosco Sozialarbeiterinnen. „In der Baraque gefällt es mir gut. Nach der Schule kann ich hier Hausaufgaben machen, irgendwer hilft mir immer dabei. Manchmal schauen wir auch Filme, ich kann spielen oder basteln, zum Beispiel mit den deutschen Mädchen“, freut sich Aisha. Jedes Jahr kommen zwei Don Bosco Volunteers aus Deutschland in die Baraque, um die Arbeit zu unter­stützen.

In dem kleinen Raum herrschen immer viel Trubel und ein großes Durcheinander: Die Stimmung ist lebendig und ausgelassen. Ab und zu kommt es zu kleinen Raufereien oder Auseinandersetzungen. „Die Mädchen in der Baraque sind gewaltbereiter, weil sie selber so viel Gewalt erlebt haben. Sie mussten schon als Kinder lernen, sich durchzusetzen. Das Leben auf dem Markt ist hart. Schon die Kleinsten laufen ganz allein auf dem Markt herum, um ihre Ware zu verkaufen“, erklärt Don Bosco Schwester Johanna Denifl. Das sei sehr gefährlich, denn sie seien schutzlos. 

Viele Mädchen wurden mit falschen Versprechungen in die Stadt gelockt 

Viele Mädchen kämen aus dem Norden Benins oder den angrenzenden Ländern. Ihre Familien hätten Geld für die Mädchen bekommen. Oft wurde auch versprochen, dass die Mädchen zur Schule gehen und eine Ausbildung machen können. Diese Versprechungen würden aber meistens nicht eingehalten und die Mädchen schamlos ausgebeutet.

Für die Marktmädchen ist die Baraque ein sicherer Hafen, in dem sie eine kleine Auszeit nehmen können. Manche sind so erschöpft, dass sie sich auf dem Boden schlafen legen. Das dreiköpfige Don Bosco Team ist für die Mädchen da und hört sich ihre Probleme an. „Wenn wir den Mädchen helfen können, dann macht mich das glücklich. Die meisten Mädchen sind misshandelt worden und haben ­sexuelle Gewalt erlebt. In vielen Fällen ist es uns gelungen, die Täter gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen, und sie wurden eingesperrt“, betont Claudine, die seit 2001 in der Baraque S.O.S als Sozialarbeiterin tätig ist. Die Mutter zweier Kinder liebt ihren Beruf – auch noch nach 23 Jahren.

„Meine Mutter sagte mir zu Beginn meiner Arbeit: ‚Du musst mutig sein, um den Kindern zu helfen. Du darfst keine Angst haben.‘ Diesen Rat habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Denn es ist das Recht der Kinder, beschützt zu werden“, betont die 47-Jährige. Gewalt gegen Kinder sei immer noch sehr weit verbreitet. „Leider gibt es hier immer noch eine große Akzeptanz.“

„Berufsausbildungen sind teuer. Die Finanzierung ist ein großes Problem“

Mittags finden in der Baraque auch Alphabetisierungskurse statt. Tafeln werden verteilt und die Mädchen machen konzentriert mit. Die meisten haben noch nie eine Schule besucht. „Mein Wunsch ist, dass wir die Mädchen besser in die Schule reintegrieren und sie eine Ausbildung machen können“, erklärt Claudine. Das passiere bisher leider nur in Einzelfällen. „Berufsausbildungen sind teuer. Die Finanzierung ist ein großes Problem“, erklärt die gebürtige Österreicherin Schwester Johanna. 

Es gibt auch positive Entwicklungen: In den letzten 15 Jahren ist nach Angaben von UNICEF die Zahl der Marktmädchen zurückgegangen – auf dem Dantokpa Markt von 15.000 auf rund 5.000. Gründe hierfür sind, dass die Regierung von Benin 2006 ein Gesetz gegen Kinderhandel verabschiedet hat und es strengere Kontrollen auf dem Markt gibt.

Zwei Don Bosco Volunteers aus Süddeutschland in Cotonou

„Unsere Arbeit hat am Anfang nicht allen auf dem Markt gefallen. Viele waren misstrauisch. Manche Mütter haben ihre Töchter bei der Baraque weggeholt, damit sie arbeiten gehen und nicht bei uns sind. Mittlerweile hat die Situation sich aber gebessert. Die Menschen haben mehr Vertrauen und helfen uns auch“, so Claudine.

Genauso wie Elisabeth und Charlotte, die dieses Jahr als Don Bosco Volunteers aus Süddeutschland nach Benin gekommen sind. Seit zwei Monaten sind sie in Cotonou. „Das Schönste für uns war bisher, wie die Mädchen aus der Baraque uns beim ersten Mal begrüßt haben. Voller Freude und Vertrauen. Das war unglaublich bewegend“, so die 19-jährige Charlotte. 

Gerade spielen die Mädchen der Baraque mit Elisabeth und Charlotte. Sie singen und lachen viel. Die Last, die sie täglich tragen müssen, scheint vergessen. Auch die vielen Narben und Beulen auf ihren schmalen Armen und Beinen. Aisha spielt ausgelassen mit. Die Zehnjährige strahlt. Jetzt darf sie einfach nur Kind sein und den harten Alltag vergessen – wenn auch nur für ein paar Stunden.

* Name von der Redaktion geändert 

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Benin bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.


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