Krieg

Ukraine: Das Don Bosco Netzwerk der Nothilfe

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar ist für die Menschen in der Ukraine nichts mehr wie es vorher war. Die Not ist groß. Don Bosco hilft – im Land selbst und darüber hinaus.

veröffentlicht am 23.05.2022

Ein Krieg bricht aus und binnen weniger Sekunden ist nichts mehr so, wie es war. Bomben fallen, Lebensmittel und Medikamente werden knapp, Kinder und Jugendliche sind gezwungen, mit ihren Familien oder gar allein zu fliehen. Genauso schnell, wie das Leben in der Ukraine komplett aus den Fugen gerät, springt auch das Don Bosco Netzwerk an. Die Einrichtungen der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern vor Ort werden zu Zufluchtsstätten, an der Grenze sowie in den benachbarten Ländern unterstützen zahlreiche Helfer die Geflüchteten – und auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz bündeln alle ihre Kräfte, um ukrainische Familien aufzunehmen und zu betreuen. Wir geben diesem Don Bosco Netzwerk der Nothilfe exemplarisch ein Gesicht beziehungsweise gleich mehrere.

zwei junge Männer in Gang eines Hauses im Gespräch

Am 28. Februar hat sich sein Arbeitsalltag grundlegend geändert: Bereits vier Tage nach Kriegsbeginn in der ­Ukraine hat das Salesianum in München erste Geflüchtete aufgenommen. Seitdem koordiniert Jonathan Weidle, Leiter des Bereiches Jugendsozialarbeit, die freiwilligen Helferinnen und Helfer, wirbt Fördermittel ein und hängt vor allem viel am Telefon. 60 bis 70 Stunden habe seine Arbeitswoche im Moment, doch er findet diese Aufgabe absolut bereichernd: „Salesianum und der Pfarrverband Sankt Wolfgang, alle Einrichtungen auf dem Campus Don Bosco bringen sich ein“, erklärt der 27-Jährige. „Jeder sagt: Ich mach, ich kann, ich will.“

Schwester in Winterkleidung an Grenze

Acht Tage lang hat die Don Bosco Schwester Lamiya Jalilová Geflüchtete an der ukrainischen Grenze willkommen geheißen. Normalerweise arbeitet die 30-jährige Ordensfrau aus der Nordwestslowakei in einem Jugendzentrum, das die Don Bosco Schwestern gemeinsam mit den Salesianern Don Boscos betreiben, sowie als Assistentin für Integrationskinder in einer Grundschule. An der Grenze war es ihr wichtig, eine Atmosphäre der Akzeptanz zu schaffen: „Wir haben uns viele Geschichten angehört und manches habe ich immer noch nicht ganz verarbeitet. Aber vor allem habe ich die große Dankbarkeit des ukrainischen Volkes gespürt, die mich sehr gerührt hat.“

Priester schleppt Kiste in Halle mit Hilfsgütern

Pater Michal Wocial ist Direktor einer Don Bosco Einrichtung in Schytomyr, 110 Kilometer westlich von Kiew. Er und seine Mitbrüder wollten dieses Jahr ein Oratorium aufbauen – einen Ort für junge Menschen, um gemeinsam zu lernen, zu spielen und miteinander den Glauben zu teilen. Pläne, die in weite Ferne gerückt zu sein scheinen. Denn jetzt geht es vor allem darum, geflüchteten Kindern und Familien Schutz und Trost zu bieten. „Wir erleben eine Welle der Solidarität: in Europa und hier in der Stadt. Die Menschen teilen, was sie haben. Sie schließen sich zusammen und helfen einander. Wir sind froh, dass uns die Hilfslieferungen aus dem Don Bosco Netzwerk erreichen.“

Kindergruppe mit Pater und anderen Erwachsenen vor einem Gebäude

Bei ihm laufen alle Fäden zusammen: Pater Mykhailo Chaban (r.) ist Provinzial der Salesianer Don Boscos in der Ukraine und Leiter des Don Bosco Familienhauses in Lemberg. Er hält zu allen Einrichtungen Kontakt, koordiniert die Hilfsmaßnahmen und packt selbst mit an. 57 Kinder aus dem Familienhaus wurden in die Slowakei evakuiert. Pater Chaban hat sie begleitet: „Glücklicherweise geht es ihnen gut. Sie lernen Slowakisch und gehen dort zur Schule. Sie fragen aber immer, wann sie wieder nach Hause zurückkommen können.“

junger Mann unterhält sich per Handy mit einer jungen Frau im Außengelände des Münchener Salesianums

Nachmittags schreibt er seine Masterarbeit im Studienfach Statistik, vormittags hilft er im Salesianum in München, die Geflüchteten aus der Ukraine zu betreuen. Patrick Kaiser ist einer von 15 ehemaligen Don Bosco Volunteers, die im Schichtdienst den ukrainischen Familien zur Seite stehen. Per Google Trans­late versucht er, sich mit den Geflüchteten zu verständigen. „Ich war 2015/2016 als Don Bosco Volunteer in Nongpoh in Nordostindien. Und ein bisschen ist das hier ähnlich dazu, was ich in Indien gemacht habe. Einfach für die Kinder und Jugendlichen, für die Familien da sein und schauen, was gebraucht wird.“

junge Frau zeigt lächelnd Schild in den Farben der ukrainischen Flagge

Die Kraft und Willensstärke der geflüchteten Frauen beeindrucken sie und machen ihr selbst Mut. Tetiana ist gebürtige Ukrainerin, lebt seit zwei Jahren in Warschau und engagiert sich im Oratorium der Salesianer Don Boscos als Übersetzerin für die ukrainischen Mütter, die kein Polnisch sprechen können. „Für mich hat der Krieg bereits vor acht Jahren begonnen und ich habe in dieser Zeit schon viele Freunde verloren. Ich bin froh, hier helfen zu können.“

zwei Frauen tragen Taschen mit Hilfsgütern

Sachspenden sortieren, mit den Kindern spielen und da mitanpacken, wo Hilfe benötigt wird: Nicole und Lea sind als freiwillige Helferinnen bei Don Bosco in Beromünster im Einsatz und unterstützen die 20 Geflüchteten, die dort im ehemaligen Studienheim untergebracht sind. Neben Teilzeitjob und Familie für sie trotzdem eine Selbstverständlichkeit. „Es ist wichtig, sich zu engagieren – und wir wollen uns aktiv einbringen.“

zwei Frauen stehen vor Wand mit Arbeitsmaterialien

Sie ist eine Meisterin der Zahlen und managt die Buchhaltung des Berufsbildungs- und Jugendwerkes Don Bosco Aschau am Inn. Doch nach ihrem Büroalltag ist für Natali Fischer noch lange nicht Schluss. Die 42-Jährige setzt sich in ihrer Freizeit für die mehr als 80 ukrainischen Geflüchteten ein, vor allem Frauen mit jungen Kindern, für die die Einrichtung ein sicheres Obdach bietet. „Verständigung ist wichtig. Deshalb treffe ich mich regelmäßig mit einigen der Geflüchteten und lerne Deutsch mit ihnen."

Salesianerpatres und Mitarbeitende in einem Büro in Warschau

Den Blick fürs große Ganze bewahren und die inter­nationalen Hilfen effizient steuern: eine wichtige Aufgabe für Generalökonom Bruder Jean Paul Muller (3. v. l.) und Pater M. C. George Menamparampil (r.) aus dem Generalat, der Zentrale des Ordens in Rom. Dazu gehören auch Besuche vor Ort – wie zum Beispiel in Warschau, wo Salesianer Don Boscos sowie unzählige Helferinnen und Helfer rund um die Uhr dafür sorgen, dass die Spenden dort ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden.

Geschäftsleiter der Don Bosco Jugendhilfe Weltweit mit Frau und drei Kindern

Auf einmal stand sie vor ihm: Natalka mit ihrem dreijährigen Sohn auf dem Arm, dem elfjährigen Sohn an der Hand und der 17-jährigen Tochter neben sich. Mitten in Beromünster, auf der Suche nach dem Don Bosco Haus. Für Markus Burri, Geschäftsleiter der Don Bosco Jugendhilfe Weltweit, eine eindrückliche Begegnung. „Verzweiflung und Hoffnung waren ihnen ins Gesicht geschrieben. Der Krieg muss aufhören, aber bis es so weit ist, helfen wir den vom Krieg Betroffenen.“ Einen Tag später erfährt Natalka, dass ihr Mann in der Ukraine ums Leben gekommen ist – beim Versuch, sein Land zu verteidigen.

zwei Frauen unterhalten sich

Vor 20 Jahren floh ihre Mutter während des Tschetschenienkrieges nach Österreich – und sie als kleines Baby mit ihr. Jetzt konnten dank ihrer Vermittlung eine Ukrainerin und ihre dreijährige Tochter aus Charkiw bei den Don Bosco Schwestern in Vöcklabruck Zuflucht finden. Justina Liberman (l.) dolmetscht bei Behördengängen und steht in intensivem Austausch mit Schwester Renate Schobesberger (r.), die die Geflüchteten eng betreut. „Letztes Jahr habe ich an der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik der Don Bosco Schulen meinen Abschluss gemacht. Ich habe die familiäre Atmosphäre in sehr guter Erinnerung und bin überzeugt, dass sich Mutter und Kind hier wohlfühlen werden.“

Frau mit brennender Kerze von einem Bildschirm mit Videokonferenz-Teilnehmenden

Es braucht nicht nur die praktische, sondern auch die emotionale Hilfe, davon ist Sarah Kusché von der Salesianischen Jugendbewegung Österreich überzeugt. Gemeinsam mit anderen organisiert sie regelmäßig Friedensgebete – persönlich vor Ort oder auch online. 30 bis 50 junge Menschen nehmen daran teil. „Im Salesianum in Wien gibt es viele Studierende aus der Ukraine. Sie sollen spüren, dass sie in dieser schweren Situation nicht allein sind. Viele Jugendliche haben auch nicht die finanziellen Mittel, etwas zu spenden, wollen aber trotzdem etwas tun. Durchs Gebet können auch sie helfen.“

drei Frauen bei Unterricht an Tisch mit Arbeitsmaterialien

Unterrichten macht ihr Spaß. Daher unterstützt Magdalena Zehetgruber (in der Mitte des Bildes) gerne ehrenamtlich die Deutschkurse der Wiener Initiative „Don Bosco für Flüchtlinge“. Für die 31-jährige Linguistin ein Weg, um sich selbst nicht so machtlos zu fühlen: „Mit meinem Engagement kann ich hoffentlich etwas beitragen, damit sich die Menschen aus den Krisengebieten in Österreich willkommen fühlen. 20 Geflüchtete aus der Ukraine nehmen am Kurs teil. Ich will ihnen helfen, die deutsche Sprache zu lernen.“

Salesianer Don Boscos und Don Bosco Schwestern in der Ukraine

Die Salesianer Don Boscos sind an acht Standorten in der Ukraine vertreten – in Kyiv, Lviv, Schytomyr, Dnipropetrvsk, Novosilka, Odessa, Peremyshany und Bibrka. Sie versuchen, dort weiterhin präsent zu bleiben, um der Not leidenden Bevölkerung beizustehen, Schutzräume einzurichten und Geflüchteten Zuflucht zu bieten. Wo es möglich ist, evakuieren sie die Kinder aus ihren Waisenhäusern in angrenzende Länder.

Die Don Bosco Schwestern haben Gemeinschaften in Lviv, Kyiv und Odessa. Das Wohnheim für Studentinnen in Lviv ist zu einem Knotenpunkt der Hilfe geworden. Hier werden Mütter mit ihren Kindern versorgt und Sachspenden aus Polen in andere Teile des Landes weitergeschickt. Unterstützt werden sie von den Don Bosco Schwestern aus Kyiv, die ihre Grundschule in der ukrainischen Hauptstadt vorerst schließen mussten. Die Don Bosco Schwestern in Odessa konnten vor Ort bleiben und helfen vor allem in Krankenhäusern mit.


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