Kriegsfolgen

Wie Don Bosco jungen Menschen in Syrien hilft

Die Salesianer Don Boscos betreiben in Aleppo ein Jugendzentrum. Sie wollen Kindern und Jugendlichen eine Perspektive eröffnen, damit diese im Land bleiben und ihr Leben gestalten können. Trotz Krieg und auch nach dem verheerenden Erdbeben.

veröffentlicht am 09.05.2023

Mehr als 50.000 Tote und zahlreiche Verletzte – es ist eine Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmaßes. Auch die nordsyrische Stadt Aleppo wurde vom Erdbeben Anfang Februar stark getroffen. Viele durch den Krieg bereits beschädigte Häuser stürzten ein. Das Don Bosco Zentrum in Aleppo wurde nur leicht beschädigt und ist nun Anlaufstelle für die Hilfesuchenden. Mehr als 750 Menschen bekommen Essen, medizinische Betreuung, Kleidung, Decken und einen Platz zum Schlafen. „Wir haben sofort unsere Türen geöffnet und viele bedürftige Menschen aufgenommen. Die Herausforderungen sind zwar riesig, aber wir werden alles tun, um den Menschen zu helfen“, berichtet Pater Pier Jabloyan.

Den Menschen in Syrien, die ohnehin an den Auswirkungen des jahrelangen Krieges leiden, hat das Erdbeben die letzte Hoffnung genommen. Denn auch vor der Naturkatastrophe war das Leben in Syrien aufgrund des jahrelangen Krieges gekennzeichnet vom Kampf ums tägliche Überleben. „Die Situation in Aleppo ist sehr dramatisch. Es gibt kaum Wasser und Strom, keinen Treibstoff, keine Jobs, viele haben kein Einkommen. Und es gibt keine Heizungen, im Winter frieren die Menschen. Manche Kinder fragen uns, ob sie zum Haarewaschen in unser Zentrum kommen können. Denn sie haben kein Wasser zu Hause“, erklärt Salesianerpater Dani Gaurie. Der 35-jährige Syrer lebt und arbeitet seit drei Jahren in der Salesianergemeinschaft in Aleppo. Der sympathische, energiegeladene Pater unterrichtet und kümmert sich tagtäglich um die Kinder und Jugendlichen, die nachmittags ins Don Bosco Zentrum kommen.

Ein Stück Normalität und Ablenkung

„Viele Kinder, die unser Jugendzentrum besuchen, wohnen in entfernten Stadtteilen. Sie werden mit Bussen von zu Hause abgeholt. Genau das ist aber aufgrund der hohen Treibstoffkosten für uns aktuell ein Problem“, führt Pater Gaurie aus. „Der Besuch im Zentrum ist für die jungen Menschen aber auch sehr wichtig. Ein Stück Normalität und Ablenkung. Hier können die Kinder und Jugendlichen lernen, Freunde treffen und gemeinsam spielen.“ So wie Souad.

Das 16-jährige Mädchen stammt aus Idlib, einer Stadt rund 50 Kilometer südwestlich von Aleppo. Dort wuchs sie mit ihrem Bruder Elias und ihren Eltern auf. An einem Morgen im Jahr 2015 töteten Al-Nusra-Kämpfer ihren Vater und Großvater. Nach diesen schrecklichen Ereignissen flüchtete die Mutter mit ihren zwei Kindern aus der Stadt. Über Umwege kam die Familie 2017 nach Aleppo und fand in der Nähe der Einrichtung der Salesianer Don Boscos eine Bleibe. Souads Mutter musste nun für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen. Von Zeit zu Zeit erhielt die Familie Lebensmittelpakete, von denen sie weiterleben konnte. Seit März 2021 ist Souads Mutter als Köchin im Don Bosco Zentrum in Aleppo beschäftigt.

Vom Weltkulturerbe zur Trümmerstadt

Aleppo war lange Zeit einer der dramatischsten Kriegsschauplätze in Syrien. Der Beginn der Kämpfe liegt nun zwölf Jahre zurück. Ein großer Teil der von der UNESCO 1986 als Weltkulturerbe ausgezeichneten Stadt wurde 2016 vom syrischen Präsidenten Assad mithilfe der russischen Luftwaffe in Schutt und Asche gebombt. Apokalyptische Bilder der zerbombten Stadt mit den Tausenden Toten gingen damals um die Welt. Blickt man von der mächtigen Zitadelle, die im 13. Jahrhundert auf einem 50 Meter hohen Hügel mitten in der Altstadt erbaut wurde, wird das Ausmaß der Zerstörung des Krieges sichtbar. Der Osten Aleppos gleicht auch heute noch einem Trümmerfeld: beschädigte und eingestürzte Häuser, kaputte Straßenzüge, zerstörte Stromleitungen, geplünderte Geschäfte. Es ist kaum vorstellbar, dass in diese Ruinen Menschen zurückkehren. Jetzt nach dem Erdbeben wird das zusätzlich erschwert.

Die mangelnde Stromversorgung ist eines der größten Probleme für die Menschen in Syrien, da das Stromnetz in vielen Landesteilen noch immer stark beeinträchtigt ist. Mohamad Jasser, Leiter des UNDP Aleppo (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen), kommt selbst aus Aleppo. Er erklärt: „Ein Hauptproblem ist, dass 2016 die Stromversorgung in Aleppo privaten Eigentümern überlassen wurde. Damit wurde ein Monster geschaffen. Heute gibt es nur noch ein bis zwei Stunden Strom am Tag. Der Rest kommt von privaten Stromgeneratoren, die mit Diesel betrieben werden. Und Diesel wird über den Schwarzmarkt eingekauft.“

Die Inflation und der Verfall der Währung sind freilich das größte Problem. Zu Beginn des Krieges 2011 bekam man für einen US-Dollar noch 50 syrische Lira, heute bekommt man für einen US-Dollar rund 7.000 syrische Lira. Für viele Menschen sind sogar Grundnahrungsmittel nicht leistbar. Der aktuelle Bericht des Welternährungsprogramms (WFP) führt an, dass in Syrien 12,4 Millionen Menschen, das sind fast 60 Prozent der Bevölkerung, Hunger leiden.

Leidtragende sind vor allem die Kinder. Das syrische Bildungssystem liegt am Boden. Viele Schulen sind noch immer zerstört. Viele Lehrer sind ins Ausland geflüchtet. Aufgrund der hohen Treibstoffpreise fehlt es auch an Schulbussen in die nächstgelegenen Schulen. Eine Stütze der syrischen Bildungseinrichtungen sind Ordens­gemeinschaften. Wie die Salesianer Don Boscos.

Ein Funken Hoffnung

In Damaskus, Aleppo und Kafroun unterstützen sie Kinder und Jugendliche mit Bildungsangeboten und bieten jungen Menschen Zugang zu beruflicher Ausbildung. „Auch unsere Einrichtung wurde im Krieg getroffen. Einmal ist eine Granate in unserem Garten explodiert. In der Nähe befanden sich 20 Personen. Gott sei Dank wurde niemand verletzt“, erzählt Pater Mario Murru, Direktor der Salesianergemeinschaft in Aleppo. Und er ergänzt: „Die Kinder sind trotz der Gefahren in unser Zentrum gekommen, denn es war für sie und ihre Familien eine Ablenkung vom Krieg.“  Und nun auch nach der verheerenden Naturkatastrophe.

Es gibt auch eine Schule im Gebäude, die in den 1960er-Jahren verstaatlicht wurde. Doch auch nach der Verstaatlichung der Schule durch das syrische Regime blieb das Salesianerzentrum ein wichtiger Angelpunkt für das christliche Leben in Aleppo. Die Salesianer hoffen nun, dass sie ihre Schule von der Regierung zurückbekommen.
„Für die jungen Menschen in Syrien ist es wichtig, ihr Leben gestalten zu können. Aber es wird immer schwieriger und viele denken daran, das Land zu verlassen. Gerade nach dem Erdbeben sind viele vollkommen verzweifelt. Jede Unterstützung, um die Hoffnung nicht zu verlieren, ist gut. Wir Salesianer setzen uns dafür ein, dass die jungen Menschen in Syrien bleiben“, sagt Pater Gaurie abschließend.

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Syrien bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Don Bosco in Aleppo

In der 1948 gegründeten Niederlassung der Salesianer Don Boscos in Aleppo leben zurzeit vier Priester und ein Ordensbruder. Die Salesianer betreuen hier wöchentlich bis zu 800 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Unterstützt werden sie dabei von etwa 120 Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Familien, die besonders von Armut betroffen sind, bekommen Lebensmittelpakete und Gutscheine.


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