Überforderung

Noch normal oder echtes Problem? – Wann Eltern sich bei Erziehungsfragen Hilfe holen sollten

Gewisse Konflikte zwischen Eltern und Kindern sind normal. Aber es gibt Situationen, in denen Mütter und Väter nicht mehr weiter wissen. Dann kann es sinnvoll sein, sich an Fachleute zu wenden. Tipps von Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber.

veröffentlicht am 08.09.2025

Ich glaube, alle Eltern kennen diese Situation: Das Kind will beim Einkaufen im Supermarkt etwas Bestimmtes haben, Mama oder Papa sagen Nein. Daraufhin entbrennt eine Diskussion, die die Eltern mehr oder weniger schnell für beendet erklären. Die Folgen sind lautstark. Immer mehr Leute drehen sich um und schauen. Peinlich! Zugegeben: Sowas ist unangenehm, aber meistens ganz normal.

Kinder wollen die Welt verstehen und dazu gehört es auch, Grenzen auszuprobieren. „Was passiert, wenn ich Nein sage?“ oder „Wie reagiert Mama, wenn ich nicht aufräume?“, sind innere Fragen, die Kinder unbewusst stellen. Dieses Verhalten ist nicht nur normal, sondern auch wichtig: Nur so lernen sie, welche Regeln im Zusammenleben gelten. Phasen von Trotz, Widerstand oder Wutausbrüchen sind Entwicklungsaufgaben, die meist von selbst wieder abklingen.

Aufmerksamkeit ist gefragt, wenn der Alltag dauerhaft belastet ist

Neben dem üblichen Austesten von Grenzen gibt es auch Situationen oder Phasen, in denen Eltern massiv überfordert sind. Schnell kommt dann die Frage auf: Ist das noch normal – oder habe ich ein ernsthaftes Erziehungsproblem?

Hellhörig werden sollten Sie, wenn die Konflikte über längere Zeit sehr heftig sind, wenn das Kind kaum auf Trost oder Grenzen reagiert oder wenn der Familienalltag dauerhaft belastet ist. Auch wenn Schule, Kita oder Freunde regelmäßig Probleme schildern, kann das ein Hinweis darauf sein, dass mehr Unterstützung sinnvoll wäre. Hier geht es nicht mehr nur um normales Austesten, sondern um Verhaltensweisen, die die Entwicklung und das Zusammenleben beeinträchtigen.

Ruhig bleiben und konsequent reagieren 

Eine derartige Situation und die Einsicht, dass es ein Problem gibt, machen Angst. Versuchen Sie dennoch, ruhig zu bleiben. Kinder brauchen klare Signale, dass ihre Eltern handlungsfähig sind und bleiben. Ein tiefes Durchatmen oder das kurze Verlassen einer angespannten Situation, bevor Sie reagieren, können dabei schon viel bewirken. Ebenso wichtig sind klare, liebevolle Grenzen. 

Besonders beim Setzen von Grenzen zeigt sich, wie wichtig Verlässlichkeit und Konsequenz sind. Kinder brauchen Orientierung, um sich sicher zu fühlen. Wenn Eltern eine Regel ankündigen, diese aber nicht einhalten, entsteht schnell Verwirrung, und das Kind wird die Grenze immer wieder neu austesten oder sogar Ängste entwickeln, weil es überfordert ist. Wer hingegen klar bleibt und Gesagtes auch umsetzt, vermittelt: Auf meine Worte ist Verlass. Das mag im Moment zu Protest führen, stärkt aber langfristig das Vertrauen und die innere Sicherheit des Kindes. Denn Kinder spüren sehr genau, dass es ihnen nicht guttut, wenn alles erlaubt ist. Klare, konsequent eingehaltene Grenzen sind deshalb kein Zeichen von Strenge, sondern ein wichtiger Ausdruck von Fürsorge und Liebe.

Der Austausch mit anderen Eltern zeigt: Ich bin nicht alleine

Entlastend kann auch der Austausch mit anderen Eltern oder vertrauten Personen sein. Dabei werden Sie schnell merken, dass Sie mit Ihren Problemen nicht allein sind. Und schließlich lohnt es sich, bei anhaltenden Belastungen professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Erziehungs- und Familienberatungsstellen, Kinderärzte oder psychologische Fachkräfte können einschätzen, ob es sich um eine vorübergehende Entwicklungsphase oder um tieferliegende Schwierigkeiten handelt, und geben praktische Hilfestellungen, die den Familienalltag spürbar erleichtern können.

Dabei ist es mir ganz wichtig zu betonen: Wer sich Unterstützung holt, ist kein schlechter Vater oder keine schlechte Mutter. Im Gegenteil: Es ist ein Ausdruck von Verantwortung und Stärke. Erziehung ist komplex, und niemand muss sie alleine meistern.

Hilfe holen, bevor die Belastung zu groß wird!

Zwischen normalem Grenzen-Austesten und ernsthaften Erziehungsproblemen verläuft also eine feine Linie. Entscheidend ist, wie dauerhaft und belastend die Situation für Kind und Familie ist. Sie dürfen und sollen sich Hilfe holen, bevor die Belastung zu groß wird. Denn am Ende profitieren alle davon – Kinder, Eltern und das gemeinsame Familienleben.


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