Persönlichkeitsentwicklung
Werte fürs Leben: Verantwortungsbewusstsein, Nächstenliebe und Selbstständigkeit
In einer Welt voller Herausforderungen fragen sich viele Eltern, welche Fähigkeiten ihre Kinder brauchen, um später selbstbestimmt, verantwortungsvoll und mitmenschlich leben zu können. Erzieher und Theologe Christian Huber hat eine Empfehlung.
veröffentlicht am 17.07.2025
Ein klassischer Donnerstagmorgen. Nach dem Morgenkreis macht sich die Igelgruppe meiner Einrichtung auf zum Turnen, eines der wöchentlichen Highlights. Doch was nun? Ein paar Kinder haben ihre Turnsachen nicht dabei. Während Erzieherin und Kind jeweils eine Lösung besprechen, fragen sich die anderen natürlich: Warum hat das Kind keine Turnsachen dabei? Nicht so angenehm – für die, die warten, und für die, die die Verzögerung verursachen. Beim Abholen am Nachmittag erinnert die Erzieherin die Eltern an die Turnsachen, die jeden Donnerstag nötig sind. Die Antwort der Papas und Mamas: „Er/sie muss lernen, selbst daran zu denken!“
In diesem Beispiel werden ganz unterschiedliche Fähigkeiten der Art, wie Kinder sie im Kindergarten mitnehmen sollen, berührt. In einer Welt voller Herausforderungen, Unsicherheiten und gesellschaftlicher Spannungen stehen wir – Erzieher und auch Eltern – vor der zentralen Frage: Welche Fähigkeiten müssen wir unseren Kindern heute vermitteln, damit sie morgen ein selbstbestimmtes, verantwortungsvolles und mitmenschliches Leben führen können?
Nicht nur auf Leistung, sondern auf Menschlichkeit und Haltung setzen
Drei Werte stehen dabei exemplarisch im Mittelpunkt: Verantwortungsbewusstsein, Nächstenliebe und Selbstständigkeit. Sie bilden die tragenden Säulen einer kindlichen Entwicklung, die nicht nur auf Leistung, sondern vor allem auf Menschlichkeit und Haltung zielt.
- Verantwortungsbewusstsein bedeutet, sich als Teil eines größeren Ganzen zu begreifen. Kinder lernen, dass ihr Handeln Konsequenzen hat – für sich selbst, für andere und für die Umwelt. Wir fördern diese Kompetenz, indem wir ihnen altersgerechte Aufgaben zutrauen, sie an Entscheidungsprozessen beteiligen und ihnen vermitteln, dass Fehler kein Scheitern, sondern Chancen sind, Möglichkeiten zu lernen. Ein Kind, das Verantwortung übernehmen darf, wächst über sich hinaus.
- Nächstenliebe, verstanden als Empathie, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, ist eine grundlegende soziale Fähigkeit. Sie ermöglicht Zusammenhalt, Respekt und friedliches Miteinander in einer bunten Gesellschaft. Kinder lernen Nächstenliebe nicht durch Belehrung, sondern durch gelebtes Vorbild. Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen vermitteln hier nicht nur Wissen, sie leben Beziehungsgestaltung vor allem vor. Geschichten, Rituale, gemeinsames Helfen und das Ernstnehmen von Gefühlen schaffen Erfahrungsräume für Mitmenschlichkeit.
- Selbstständigkeit schließlich ist der Nährboden für Resilienz, Problemlösungskompetenz und persönliches Wachstum. Kinder brauchen Gelegenheiten, Dinge selbst zu tun, Entscheidungen zu treffen und auch an kleinen Hürden zu scheitern, natürlich immer ohne überfordert zu werden. Selbstständige Kinder sind nicht sich selbst überlassen, sondern werden begleitet: durch verlässliche Beziehungen, durch klare Orientierung und durch einen Raum, in dem sie sich als wirksam erleben können.
Verantwortung, Nächstenliebe und Selbstständigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Sie machen aus Kindern keine perfekten Menschen, sondern mitfühlende, handlungsfähige und gemeinschaftsorientierte Persönlichkeiten.
Kinder brauchen ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und Selbstsorge
Damit Kinder jedoch in der Lage sind, empathisch und verantwortlich zu handeln, brauchen sie ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein und Selbstsorge. Nur wer sich seiner selbst sicher ist und gelernt hat, auf die eigenen Grenzen, Bedürfnisse und Gefühle zu achten, kann sich offen und stabil anderen zuwenden. Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern die Voraussetzung für nachhaltige Fürsorge gegenüber anderen. Für den Alltag heißt das: Bringen wir Kindern nicht nur soziales Verhalten bei, sondern zeigen wir ihnen auch, was es heißt, auf sich selbst zu achten, sich zu behaupten und sich selbst mit Wohlwollen zu begegnen.