Persönlichkeitsentwicklung

Wie viele Regeln brauchen Kinder?

Kinder brauchen Regeln, darin sind sich die meisten Erwachsenen einig. Aber warum ist das so? Was genau bedeutet das? Und wie viele Regeln sind nötig und sinnvoll? Eine Einordnung von Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber.

veröffentlicht am 15.12.2023

In der Kita steht Turnen auf dem Plan. Ein Wochenereignis, auf das sich in der Regel alle Kinder freuen. Doch heute ist es ein wenig anders: Die fünfjährige Julia möchte nicht zum Turnen und tut ihren Unmut darüber lautstark kund. Alle Versuche der Erzieherin, das Turnen attraktiv zu machen, scheitern kläglich. Julia erklärt, dass sie zuhause auch nichts tun muss, was sie nicht möchte.

Wahrscheinlich kennen Sie solche oder ähnliche Situationen.

Struktur und Orientierung

Kinder brauchen Regeln, das würden die meisten Erwachsenen nicht abstreiten. Aber was genau bedeutet das eigentlich? Und wie viele davon sind gut und sinnvoll?

Regeln sind wie unsichtbare Fäden, die das Gewebe des Lebens der Kinder zusammenhalten. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung junger Gemüter, indem sie Struktur und Orientierung bieten. In einer Umgebung, in der klare Richtlinien existieren, können Kinder Grenzen erkennen und verstehen, was erwartet wird. Dadurch gewinnen sie an Sicherheit und Vertrauen in ihre Handlungen.

Ein weiterer entscheidender Aspekt ist, dass Regeln Kindern helfen, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden. Durch die Einhaltung von Regeln lernen sie, Prioritäten zu setzen und Konsequenzen für ihr Handeln zu verstehen. Das gemeinsame Besprechen von Regeln ermutigt sie, aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und Verantwortung zu übernehmen.

Ohne Regeln können Kinder überfordert sein

Sicherheit ist ein grundlegendes Bedürfnis jedes Kindes. Regeln schaffen eine verlässliche Umgebung und geben Kindern das Gefühl von Stabilität. Kinder, denen diese Sicherheit fehlt, neigen dazu, Ängste zu entwickeln, die sich später zu Angststörungen ausweiten können. Ohne klare Richtlinien fühlen sie sich verloren und unsicher in einer Welt, die für sie noch neu und herausfordernd ist.

Mir ist es wichtig zu betonen: Ohne angemessene Regeln können Kinder überfordert sein. Sie sind in ihrer Entwicklung auf Anleitung und Struktur angewiesen, um ihre Fähigkeiten zu entfalten. Das Fehlen von klaren Leitlinien kann zu Verwirrung und Orientierungslosigkeit führen, was wiederum langfristig ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen kann.

Balance zwischen Freiheit und Verantwortung

Insgesamt ist ein ausgewogenes Maß an Regeln entscheidend. Sie dienen nicht nur als Leitfaden für das Verhalten, sondern fördern auch das Verständnis für soziale Normen und Werte. Ein respektvoller und offener Dialog bei der Festlegung von Regeln ermöglicht es Kindern, die Gründe hinter den Regeln zu verstehen und ihre eigenen Überlegungen einzubringen.

Kinder benötigen Regeln, um eine gesunde Balance zwischen Freiheit und Verantwortung zu erlangen. Diese Regeln sollten nicht als Fesseln betrachtet werden, sondern als Werkzeuge, die den Kindern helfen, sich in der Welt zurechtzufinden und zu wachsen.

Indem Sie mit Ihren Kindern klare Regeln vereinbaren, nehmen Sie Ihrem Kind also nicht die Freiheit. Diese immer wieder vertretene Ansicht ist in meinen Augen falsch. Sie geben Ihren Kindern vielmehr das nötige Werkzeug, die Freiheit zu ergreifen, sich in ihr zurechtzufinden und sich entwickeln zu können.


Verwandte Themen

Kind spielt mit Reinigungsmitteln und steckt Öffnung von Sprühflasche in den Mund
Eltern-Kind-Beziehung
Den eigenen Kindern Grenzen zu setzen, fällt Müttern und Vätern oft nicht leicht. Erzieher und Kita-Leiter Christian Huber weiß, warum das Grenzensetzen eine wichtige Erziehungsaufgabe ist, und hat Tipps, wie's funktioniert.
Kinderbeine in Gummistiefeln im Kuhstall
Klare Regeln
Zähne putzen, Schuhe anziehen, aufräumen: Schon kleine Kinder haben erste Pflichten. Wenn es gut läuft, nehmen sie diese als Spiel wahr. Wenn nicht, brauchen Eltern viel Geduld und gute Nerven. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners "elternbriefe".
Mädchen sitzt auf Bett und schaut konzentriert aufs Smartphone
Medien
Wie viel Medienkonsum ist richtig für mein Kind? Diese Frage beschäftigt viele Eltern. Auch unsere Autorin Stefanie Kortmann. Manchmal wünscht sie sich die alten Zeiten mit Zini, Silas und den "5 Freunden" zurück.