Herzenssache

Gehörlose macht Karriere als Tänzerin

Kassandra Wedel ist Tänzerin. Seit sie bei einem Unfall ihr Gehör verlor, fühlt sie Takt und Rhythmus über Schwingungen und Vibrationen. Ein Leben ohne Musik kann sie sich nicht vorstellen.

veröffentlicht am 01.05.2017

Jede ihrer Bewegungen strahlt Stärke und Kraft aus. Sie schaut konzentriert in den großen Spiegel, der die ganze Wand des Tanzsaals einnimmt, und beobachtet ihre Schritte, ihre Körperhaltung, ihren Ausdruck. Wenn sie mit einer Pose nicht zufrieden ist, ziehen sich ihre Augenbrauen für ein paar Sekunden kurz zusammen. Kassandra Wedel tanzt, seit sie klein ist. 2012 wurde sie Hip-Hop-Weltmeisterin, 2016 gewann sie das Finale der Fernsehshow „Deutschland tanzt“.

„Ich habe immer getanzt und einfach nie damit aufgehört“, erklärt die 32-Jährige. Auch dann nicht, als sie mit dreieinhalb Jahren bei einem Autounfall ihr Gehör verlor. Takt und Rhythmus fühlt sie seitdem über Schwingungen und Vibrationen. „Ich spüre den Nachklang von Tönen zum Beispiel viel länger als ein Hörender. Musik mit einem starken Bass ist natürlich gut, klassische Instrumente wie Geigen sind eher schwierig.“ Außer sie sitzt selbst am Instrument: Sechs Jahre lang hat Kassandra Wedel Klavier gespielt. Jetzt hat sie dafür keine Zeit mehr. Sie ist eine gefragte Künstlerin und viel in Deutschland unterwegs.

Manchmal wüsste ich gerne, wie ein Instrument klingt

Vor Kurzem war sie in Wuppertal zu sehen – in der Titelrolle der Oper „Aschemond oder The Fairy Queen“. Für die gelernte Theaterwissenschaftlerin ein spannendes Projekt: „Es ist eine moderne Oper. Es wird gebärdet, es gibt Übertitel, es spielt ein Orchester, es wird gesungen. Für jeden ist etwas dabei.“ Dennoch gibt es eine Einschränkung. „Es waren auch einige Gehörlose im Publikum. Die habe ich gefragt, wie sie die Aufführung fanden“, erzählt sie. „Die klassische Orchestermusik konnten sie nicht fühlen. Das verliert sich einfach in so einem großen Raum.“

Eine Grenze, mit der auch Kassandra Wedel regelmäßig konfrontiert wird. „Manchmal wüsste ich auch gerne, wie ein Instrument klingt“, gibt sie offen zu. „Aber man muss seinen Weg finden, mit dieser Grenze umzugehen.“ Denn eins steht für sie unumstößlich fest: „Ein Leben ohne Musik gibt es für mich nicht. Musik kommt aus dem Herzen.“


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