Medien

Sehnsucht nach dem Sendeschluss

Wie viel Medienkonsum ist richtig für mein Kind? Diese Frage beschäftigt viele Eltern. Auch unsere Autorin Stefanie Kortmann. Manchmal wünscht sie sich die alten Zeiten mit Zini, Silas und den "5 Freunden" zurück.

veröffentlicht am 29.07.2022

„Erinnert ihr euch noch an Zini, der gelbe Punkt, der das Sommerferienprogramm moderierte? Oder die Weihnachtsserien im ZDF mit Silas, dem Seefahrer oder Anna, der Tänzerin?“ Natürlich erinnerten wir uns. Ich saß in einer Gruppe mit Müttern meines Alters und Silke, meine Freundin, hatte mit ihren Fragen eine rege Diskussion angestoßen. Dabei tauchten wir ein in die beschauliche Medienwelt unserer Kindheit. Mit Zini, Anna und zwei Fernprogrammen, die überhaupt erst ab 16 Uhr auf Sendung gingen.

Ich erinnere mich noch gut, wie damals in der Fernsehzeitung die „5 Freunde“ angekündigt wurden – unsere absolute Lieblingsserie! Unten, im Keller der Nachbarin, spielten wir die Abenteuer nach, die wir uns zuvor auf Kassette anhörten. Dass die Helden meiner Kindheit nun im TV gezeigt wurden, war für mich eine Sensation. Tagelang freute ich mich darauf. Was für ein Unterschied zur Medienwelt der Kinder heute!

Alle Sendungen sind sofort verfügbar

Wenn meine Tochter etwas anschauen möchte, ist der Inhalt jederzeit greifbar. Vorfreude auf eine Sendung? Wie soll das gehen, wenn der Online-Dienst rund um die Uhr umfangreiches Material bereit hält? Statt wie wir zu jubeln, wenn es mal Sendungen für uns gab, ist es für sie völlig normal, aus einer breiten Palette von Angeboten auszusuchen. So ist das ursprüngliche Fernsehen auch schon nebensächlich geworden – ihre Glotze heißt Tablet und verschwindet auch schon mal gerne im Kinderzimmer unter der Decke.

Dass der Umgang mit den Medien eine riesige Aufgabe der Erziehung wird, das war mir von Anfang an klar. Auch viele Eltern in meinem Freundeskreis beschäftigt das, und das nahezu jeden Tag. Was ich nicht ahnte war, wie schnell dieses Thema an Bedeutung gewinnen würde. Wenn man Christina ließe, würde sie stundenlang ihre Serien schauen. Wie im Tunnel hockt sie vor dem Bildschirm und vergisst alles um sie herum. Ich stelle fest: die Medienmacher machen einen sehr guten Job. Mit ihren gerade mal acht Jahren ist sie ihnen total ausgeliefert. Von Peppa Wutz über die Eiskönigin bis hin zu Lego Friends, für die Rezeptoren in ihrem noch jungen Hirn sind diese Angebote genau passend. Der Aus-Schalter am Tablet rückt in weite Ferne – Zeit, dass ich, die sich manchmal den guten alten Sendeschluss herbeisehnt, einschreite.

Das Kind soll kein Stubenhocker werden

Ohne im Detail darüber nachzudenken, hatte ich mir geschworen, dass mein Kind kein Stubenhocker-Wesen wird, das vor dem Fernsehen geparkt wird. Welche Eltern wollen das schon? Man hat ja so Ideen im Kopf, wenn sich das Baby ankündigt. Medienfrei, zuckerfrei, windelfrei. Alles Ansätze, die ich schnell über Bord geworfen habe, weil ich sie schlicht nicht alltagstauglich finde. Aber wie viel Medienkonsum ist richtig? Hier bewegen sich wir Eltern von heute auf einem völlig neuen Gebiet, denn die Medienwelt, in der wir groß geworden sind, hat mit der jetzigen Situation nicht mehr viel zu tun.

So gibt es auf diese einfache Frage auch keine einfache Antwort. Jeder Tag ist anders und, ja, dass das Kind mal einfach nur stillschweigend eine Serie schaut, hilft bisweilen auch mir, wenn ich in Ruhe ein Telefonat führen muss. Außerdem: Feste Regeln einzuführen heißt auch, diese permanent zu überwachen. Will ich das? Eigentlich nicht.

Produzieren statt konsumieren

Also manövrieren wir uns an ein paar Wegweisern entlang: Außer im Krankheitsfall, oder im Home-Office-Notfall, gibt es das Kinder-Tablet erst am Abend, für ungefähr eine Stunde. Darüber hinaus strenge ich mich an, ihr die Nutzung einiger Medien zu zeigen, damit sie selbst aktiv etwas gestalten kann. Produzieren statt konsumieren. Aus diesem Grund besitzt sie seit einem Jahr auch einen eigenen Fotoapparat, bewusst ohne Spiele, mit dem ihr, neben vielen Fehlversuchen, auch schon einige gute Aufnahmen gelungen sind.

Mit dieser Vereinbarung leben wir ganz gut – noch, denn erst kürzlich fragte sie, wann sie endlich ihr erstes Handy bekommt. Natürlich erst mit 18 habe ich ihr gesagt – und wir haben beide laut gelacht.
 


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