Gegen die Ohnmacht

Was wir alle gegen den Krieg tun können

Unser Autor soll seiner achtjährigen Tochter den Krieg erklären. Doch er ist sprachlos angesichts dessen, was in diesen Tagen in Europa geschieht. Eine Erinnerung seiner Frau macht ihm Hoffnung und zeigt ihm, was helfen kann.

veröffentlicht am 28.02.2022

„Papa, warum gibt es eigentlich Kriege?“ Die Frage unserer Jüngsten am Frühstückstisch, während gerade im Radio die allerersten Nachrichten vom Angriff Russlands auf die Ukraine liefen, entwaffnete mich völlig. Mich, der ich berufshalber schon die Tage zuvor fast nur noch über die heraufziehende Eskalation geschrieben, Analysen gelesen und auch mit Menschen vor Ort telefoniert hatte. Mein verzweifeltes Unverständnis hatte die Achtjährige auf den Punkt gebracht. Welchen Sinn kann es geben hinter einem mit so viel Leid verbundenen und so fahrlässig die Zukunft gefährdenden Militärschlag gegen einen friedlichen Nachbarn, gegen einen Bruder? Und wenn es keinen Sinn gibt – regiert jetzt der Unsinn, das Chaos?

Ich blieb meiner Tochter nicht nur die Antwort schuldig, sondern verspürte an diesem Tag an mir selbst lähmende Schockstarre. Futsch war meine in der Coronazeit eingeübte Disziplin, keine Live-Ticker zu verfolgen, und bald auch der Vorsatz, die Kinder abzuschirmen von Bildern des Geschehens und Radionachrichten (Fernsehen haben wir ohnehin nicht). „Papa, schau mal welche Ukraine-Memes da auf Insta laufen“, rief mir unserer Ältester zu, und schon rollten auch vor den herbeigestürmten jüngeren Schwestern russische Panzer aus dem Tablet in die Augen und Herzen, und damit auch Angst, Hass und Tod. Ich wollte mich dagegen wehren, das alles nicht zulassen, etwas dagegen tun, aber wie?

"Ich muss etwas tun, damit der Krieg aufhört"

Unerwartet kam mir meine Frau zu Hilfe mit einem prägenden Kindheitserlebnis, das ich wohl für ein Märchen halten würde, wäre mir die Erzählerin nicht so vertraut. Sie selbst, aufgewachsen im Norden Mexikos nahe der Grenze zur USA, erlebte im Volksschulalter den Höhepunkt des Ersten Golfkrieges intensiv mit. Auch damals gab es überall Bilder des Schreckens, traumatisierende Berichte und Angst in den Gesichtern. Es ging der Zehnjährigen so nahe, dass sie drei Tage krank im Bett lag. Dann entschloss sie: „Ich muss etwas tun, damit der Krieg aufhört.“ In ihrer Naivität und Unschuld, wie sie es heute nennt, kam ihr der Gedanke, Jesus Blumen zu bringen und ihn um ein Ende des Krieges zu bitten.

Gesagt, getan. Geld für die Blumen gab es keines, doch fand sie einen weggeworfenen Strauß, dem sie die verwelktesten Blüten abzupfte und mit dem sie dann zur Kirche marschierte. „Gott bitte mach dass der Krieg aufhört“, stand handgeschrieben auf dem Zettel, der mit in das Marmeladenglas kam. Sie wartete bis keiner mehr in der Kapelle war – vor allem der Zustand ihrer Opfergabe war ihr peinlich –, kniete dann vor dem Kreuz nieder und trug ihr Begehr nun auch mündlich vor. Schon am Heimweg habe sie viel Frieden verspürt und das Problem gelöst gesehen, erzählte sie. Tage darauf verkündeten dann tatsächlich alle Kanäle das Kriegsende. Noch einmal entwischte sie in die Kirche, um sich für die Erfüllung ihres Wunsches zu bedanken, und wahrte das Ganze als Geheimnis zwischen ihr und Jesus.

Das Sinnvolle und Gute ist stärker

Man mag über diese Anekdote lachen. Gar nicht verrückt scheint mir aber, dass es neben Unsinn und Bösem auch das Sinnvolle und Gute gibt, das zwar meist unscheinbar, aber dennoch stärker ist und auf unser Mittun baut. Erst recht auf die Kinder, die für uns Große Lehrmeister sein können. Das Gebet für Frieden, für Opfer und Täter, wirkt gegen Ohnmacht und Gleichgültigkeit, und genauso – erst recht in der Fastenzeit – der Verzicht, sofern wir ihm diesen Sinn geben. Und damit nicht genug: Ganz nüchtern betrachtet, zeigt man damit Solidarität und stärkt die eigene Empathie und Friedfertigkeit. Aus Glaubenssicht wird damit der Himmel bestürmt, er möge doch die Herzen rühren und eine Lösung finden. Völlig ausschließen darf man dabei so prompte Resultate wie damals bei meiner Frau nie.


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