Krank sein

Wenn ein Kind krank ist, sind alle in der Krise

Wenn Kinder krank sind, bringt das den ganzen Alltag durcheinander, weiß Hannes Pernsteiner. Auf der anderen Seite kann eine Krankheit auch gute Seiten im kranken Kind und in seinem Umfeld zutage fördern.

veröffentlicht am 01.09.2018

Kinderkrankheiten sind echt lästig: Zittern und Angespanntheit bei 40-Grad-Köpfen und Schüttelfrost, Augenringe nach nächtlichem Wachen, Teekochen und Bettneubeziehen bei diversen Magen- Darm-Problemen, kollektiver Hausarrest und Ansteckungs- Vorsicht, ständige Gedanken an Daheim während der Arbeit sowie Absage aller Termine und Besuche. Sobald das eine Kind gesund wird, fängt das nächste an. Belächelten wir einst Jungeltern, die ein „Wie geht’s?“ stets als Frage nach der Fieberkurve der letzten Tage verstanden, sind wir nun manchmal selbst solche.
Und klar, selbst das kranke Kind zu sein, ist mindestens genauso mühsam, unlustig und langweilig. Schön ist daher, zu beobachten, was das Unwohlsein bei den Geschwistern auslöst. Da werden Liebesbriefe mit vielen Herzen gezeichnet, der Arztkoffer wird hervorgekramt für Untersuchungen und Spritzen, man betet am Abend und bei Tisch füreinander, halbiert den Geräuschpegel auf Normalniveau und einigt sich auf Waffenruhe. Unsere gerade fünfjährige Isabel reißt beim Abendessen ihre Pizza in winzige Stücke, um sie für ihren kranken Bruder aufzubewahren, und einmal entrutscht ihr ein: „Ich wäre auch so gerne krank.“

Extraportion Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zärtlichkeit

Wenn Schwäche und völlige Angewiesenheit schon für die Geschwister eine Einladung ist, ihrem Auftrag ganz nachzukommen, dann erst recht für uns Eltern. Wer krank ist, braucht die sonst oft verwehrte Extraportion an Aufmerksamkeit, Zuwendung und Zärtlichkeit. Kinder sollen sicher wissen, dass immer jemand da ist, der sie bei Schwindel auffängt, der ihnen Trost, Hoffnung und Zuversicht zuspricht und sie umarmt, wenn nichts mehr geht. Wir dürfen da andeutend vermitteln, wie Gott uns liebt. Und finden darin, dass Er vor 2.000 Jahren selbst Kind war, Windpocken, Husten und Ohrentzündung durchmachte und ganz auf seine Eltern angewiesen war, Anhaltspunkte und auch Fürsprecher.

Alle sind in der Krise, wenn einer krank wird – auch wir Eltern, wenn unser Latein und die Kräfte am Ende sind, und die Geschwister, weil sie zu kurz kommen oder die Ungewissheit auf ihnen lastet. Zugleich ist Krankheit auch ein Schlüsselmoment, der verborgene Seiten eines Menschen zutage bringt. Wie bei unserer Tochter, die als Fiebernde stets zur Freundlichkeit in Person mutiert, oder bei zwei Schulkolleginnen, die unserem Sohn die Hausübung vorbeibrachten. Auch, wenn er sich gar nicht freute, dass er sie nun auch machen sollte: Beide lud er später zu seinem Geburtstagsfest ein.

Dankbar für Medikamente, Rat und Unterstützung

Krankheit hilft auch, dankbar zu sein für so vieles, das nicht selbstverständlich ist: für Medikamente, Impfungen und Fiebersenker, Ärzte, Apotheken und Spitäler, Krankenversicherung, Krankenstand und Pflegeurlaub. Für alle Menschen, die an der Fieberkurve-Erzählung wirklich Anteil nehmen, mit Aufmerksamkeit, Rat und Tat unterstützen und eine Verschnaufpause schenken. Und erst recht für das Geschenk der Gesundheit an sich – für das tiefe Aufatmen, wenn das Krankenlager nach Tagen bis Wochen geschlossen, das verschwitzte Bettzeug gewaschen und die Stichelei der Geschwister wieder aufgenommen werden kann: was für eine Freude, den „ganz normalen“ Alltag leben zu dürfen.


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