Bildung

„Latein hat viel mit Sport zu tun“ – Gewinnerin des Deutschen Lehrerpreises im Interview

Lena Büttner unterrichtet seit neun Jahren Deutsch und Latein an einem Nürnberger Gymnasium. Gerade hat sie den Deutschen Lehrerpreis 2020 erhalten. Ein Gespräch über Wertschätzung, Motivation und eine Klasse als Team.

veröffentlicht am 27.07.2021

Sie wurden mit dem Deutschen Lehrerpreis 2020 ausgezeichnet. Ihr Deutschkurs aus dem Abschlussjahrgang 2020 hatte Sie vorgeschlagen. Wussten Sie davon?
Nein, das wusste ich tatsächlich nicht. Ich habe zwar einen Teil der Schülerinnen und Schüler im September noch einmal gesehen, weil wir die Abiturfeier unter Coronabedingungen nachgeholt haben. Aber keiner hat mir was gesagt.

Eine Rückmeldung ihres Kurses war: „In ihrem Klassenzimmer wurde mir ein sicherer Hafen geboten, der mir bereits jetzt, kurz nach meinem Abitur, schon fehlt.“ Wie machen Sie das?
Ich glaube, das hängt mit der Haltung zusammen, die man in den Beruf mitbringt. Ich habe einfach Lust, Inhalte zu vermitteln. Aber mir ist es auch unglaublich wichtig, jeder Schülerin und jedem Schüler eine Grundwertschätzung entgegenzubringen. Bei mir hat jeder einen gewissen Vertrauensvorschuss, egal mit welchen Noten er kommt oder was ich über den Schüler oder die Schülerin gehört habe. Mir ist es wichtig, christliche Werte auch im Alltag zu leben. Diese Aussage mit dem sicheren Hafen kommt vielleicht daher – von meiner Einstellung zu Menschen generell.

Hatten Sie selbst gute Lehrerinnen und Lehrer?
Ja, auf jeden Fall. Meine frühere Deutschlehrerin hat sich nach dem Preis bei mir gemeldet. Von ihr habe ich unglaublich profitiert. Und ich war auf einem musischen Gymnasium. Das hat mich auch geprägt. Dort konnte ich mich kreativ ausleben und habe das selbst positiv erlebt. Das wollte und will ich für meine Schülerinnen und Schüler auch.

Kann man lernen, eine gute Lehrkraft zu sein?
Dinge wie Methodenvielfalt kann man lernen. Auch an seiner Haltung zu Kindern kann man arbeiten. Aber das ist halt schwerer, als sich neue Methoden draufzupacken. Da muss man schon selbst etwas an sich ändern wollen. Ich bin jetzt seit neun Jahren Lehrerin. Und wenn man noch ganz frisch in diesem Beruf ist, dann gibt es erstmal viele Baustellen. Aber man merkt mit der Zeit, dass es nicht schlimm ist, auch mal Fehler zuzugeben vor Schülern. Ich glaube, auch sowas kann man lernen.

Haben Sie Vorbilder? Vielleicht ihre frühere Deutschlehrerin?
Ich würde schon sagen, dass meine Deutschlehrerin mir ein Vorbild war. Und meine Eltern selbst sind ja auch Lehrer. Von denen habe ich natürlich auch viel mitbekommen. Aber ich muss auch sagen, dass ich schon immer manches anders machen will. Ich finde zum Beispiel, lachen Sie jetzt nicht, Fußballtrainer wie Jürgen Klopp oder Hansi Flick sind für mich Vorbilder. Ich glaube, dass es auch in unserem Beruf wichtig ist, ein Team zu schaffen. Wie schaffen die es, so verschiedene Charaktere zusammenzubringen? Ich finde Sportler überhaupt unglaublich wichtig als Vorbilder für unseren Beruf.

Ihre Schülerinnen und Schüler loben auch, dass Sie sie individuell fördern. Bleibt dazu Zeit in ihrem Alltag als Lehrerin?
Da sind wir wieder bei den Methoden. Indem man versucht den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten, mit Projektarbeiten oder Gruppen- und Partnerarbeit, hat man auch die Zeit, mal zu sehen, wie einzelne arbeiten. Aber ich muss schon ehrlich sagen, dass ich auch viel von meiner Zeit neben der Schule investiere. Aber das mache ich gerne, weil ich so viel Freude daran habe, jungen Menschen Türen aufzumachen. Es fühlt sich irgendwie gut an, wenn man jungen Menschen Chancen ermöglichen kann, die sie dann wahrnehmen. Und wenn das so viel Freude macht, dann ist es auch keine Belastung in der Freizeit.

Sie unterrichten Deutsch und Latein. Latein ist für viele nicht gerade ein Lieblingsfach. Wie begeistern Sie Ihre Schülerinnen und Schüler für diese antike Sprache?
Ich finde die antike Welt einfach unglaublich interessant. Das ist auch der Schlüssel, mit dem ich am Anfang immer versuche, die Kinder für die Sprache zu begeistern. Und Latein ist halt so ganz anders als die Sprachen, die man sonst kennt. Das Lateinische hat einfach etwas Geheimnisvolles. Beim Vokabellernen hat die Sprache auch unglaublich viel mit Sport zu tun. Deswegen wählen auch so viele Jungs sie so gerne. Denen tut es total gut, dass man sofort eine Rückmeldung bekommt für den Lernaufwand, den man betreibt. Das ist toll für die Kinder. Und wenn man sich reinarbeitet, dann sieht man mal, wo die ganzen Fremdwörter herkommen oder wie viele Markennamen aus der Antike kommen. Die Sprache hat immer noch eine unglaubliche Relevanz.

Sie haben viel Lob von ihren Schülerinnen und Schülern bekommen. Aber es gibt sicher auch schwierige Situationen. Kommen Sie manchmal an ihre pädagogischen Grenzen?
Diese Situationen gibt es schon, vor allem in stressigen Phasen im Schuljahr. Und auch jetzt in der Coronazeit entstehen Situationen, die neu für mich sind. Aber ich habe auch schon einiges erlebt im Beruf, aus dem ich gelernt habe. Schon aus meiner Ausbildung habe ich mitgenommen, dass das persönliche Gespräch sehr viel löst. Man ist im Stress versucht zu sagen: „Ich will die Situation gleich im Unterricht lösen.“ Das macht es aber nur viel schlimmer. Wenn ich wirklich an meine Grenzen komme, dann in solchen Situationen. Wenn ich aber den Schüler oder die Schülerin dabehalte nach dem Unterricht und wir uns persönlich unterhalten, dann lässt sich vieles schon lösen. Kommunikation ist das wichtigste nicht nur in diesem Beruf. Wie ich kommuniziere, so bekomme ich es auch zurück.

Sie haben sicher auch einmal weniger gute Tage. Wie motivieren Sie sich dann für den Schulalltag?
Es gibt schon Tage, da denke ich: „Ich habe nicht gut geschlafen. Eigentlich bin ich zu müde.“ Aber sobald man das Schulhaus betritt und einem die ersten Schüler im Gang über den Weg laufen, hat man auch gar keine Wahl. In meinem Beruf landet meine schlechte Laune sofort bei anderen. Das haben die Kinder einfach nicht verdient. Sie können ja nichts dafür. Meistens entsteht gleich nach zehn Minuten irgendeine Situationskomik, wegen der ich dann eh sofort lachen muss.

Zum Abschluss noch ein Zitat von Ihren Schülerinnen und Schülern: „Ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass ich in acht Jahren Gymnasium in keinem Unterricht so viel gelernt habe wie bei Frau Büttner.“ Was haben Sie denn von Ihren Schülerinnen und Schülern gelernt?
Insbesondere von diesem Kurs habe ich gelernt, dass es wichtig ist, sich auch mal von seinem Stundenskript zu lösen. Ich habe gelernt, mich auf das einzulassen, was Kinder und Jugendliche gerade brauchen, und ihnen zuzuhören. Wenn eine Stunde mal zerhagelt wird von einer aktuellen Diskussion, dann ist das kein Nachteil, sondern dann haben die Schülerinnen und Schüler auch viel gelernt. Übrigens: Man wirft dieser Generation so oft vor, dass sie nur am Smartphone sitzt und Inhalte nicht tiefgründig lernen will. Das ist nicht so. Mir ist es gerade in Deutsch unglaublich wichtig, dass Inhalte nicht oberflächlich verhandelt werden. Und die Jugendlichen wissen das zu schätzen. Es kommt auch nicht darauf an, wie viele Apps ich in den Unterricht reinwerfe, sondern was ich den Jugendlichen mit Inhalten sagen will. Das haben mir die Schülerinnen und Schüler gespiegelt. Ich habe sie zwei Jahre nur mit Overheadprojektor unterrichtet. An der Technik kann der Preis nicht gelegen haben. (lacht)

Lena Büttner

Lena Büttner unterrichtet Deutsch und Latein am Dürer-Gymnasium in Nürnberg. Auf Vorschlag ihres Deutschkurses zeichneten der Deutsche Philologenverband und die Heraeus Bildungsstiftung die 34-Jährige mit dem Deutschen Lehrerpreis 2020 in der Kategorie „Ausgezeichnete Lehrkräfte“ aus.


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