Medientipps
Aktuelle Bücher, Serien, Filme und Podcasts für Eltern, empfohlen von Müttern und Vätern oder von Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
Kinderserie
Große Gefühle
Gefühle sind so vieles: wunderschön, schmerzhaft, manchmal überwältigend. Das erleben schon die Kleinsten. Denn Wut, Liebe oder Traurigkeit gehören von Anfang an zu unserem Leben. Da kann es nicht schaden, mehr über unsere Gefühle zu erfahren.
Die Sendung mit dem Elefanten, ein Format der Sendung mit der Maus für Kinder im Krippen und Kita-Alter, hat deshalb ein Gefühle-Spezial zusammengestellt: je eine Folge zu Wut, Liebe, Traurigkeit, Freude und Angst, die Kinder auf unterschiedlichste Art anregen, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen – immer auf Augenhöhe und nie belehrend. Die Kinder können miterleben, wie es sich anfühlt, im Kindergarten ausgeschlossen zu werden. Sie sehen, wo andere in ihrem Körper Wut fühlen. Und sie erfahren, dass man nicht nur Menschen sondern auch Dinge und Aktivitäten lieben kann. So können schon Kinder lernen, über ihre Gefühle zu sprechen und mit ihnen umzugehen.
Wie üblich in der Sendung mit dem Elefanten sind die kurzen Beiträge verbunden mit Einspielern von Elefant und Hase, Sketchen, die gerne auch mal albern ausfallen, und natürlich Musik. Irgendwie geht es dabei immer um Gefühle, aber durch die Vielfalt wird es nie langweilig. Und auch uns Eltern kann beim Zuschauen bewusst werden, wie sich Kinder manchmal fühlen und dass es gut ist, darauf einzugehen.
Christoph Sachs ist Redakteur bei Don Bosco Medien und lebt in München. Neben dem Schreiben backt er leidenschaftlich gerne Brot, fotografiert und vertieft sich mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Brettspiele.
„Die Sendung mit dem Elefanten: Gefühle-Spezial“ (ARD-Mediathek), Foto: WDR/Die Sendung mit dem Elefanten
Reise in die eigene Vergangenheit
Jedes Mal, wenn sie als Kind über die Versetalsperre im Sauerland fuhr, war ihr plötzlich eiskalt. Diese und andere Begebenheiten von früher fallen der bekannten Journalistin Evelyn Roll ein, als sie sich nach einem geplatzten Gehirnaneurysma zurück ins Leben kämpft. Es ist, als drängten bei ihr Erinnerungen und Bruchstücke plötzlich nach oben, die lange unterdrückt oder unbeachtet waren. Die Traumata der Kriegskindergeneration, die mit Eltern aufwuchsen, die keine Worte fanden. Die an der Flasche hingen oder prügelten oder depressiv wurden. Sie widmet sich den Lebenslügen und den verdrängten Erinnerungen, entdeckt neue Familienmitglieder und hinterfragt sich selbst.
Roll versteht es zu schreiben, sie verfasste eine Biografie über Angela Merkel und ist eine scharfsinnige Journalistin. Und das macht auch den Reiz dieses Buches aus, das mich von der ersten Seite an gefesselt hat. Zum einen weil Roll sich mit dem Thema Gehirn richtig gut auskennt und die Geschichte ihrer Familie im Wechsel mit der Schilderung ihrer Genesung und Spurensuche erzählt. Zum anderen weil sie damit auch das Porträt einer Generation zeichnet und mich mit neuen Blickwinkeln zurückgelassen hat. Etwa was der patriarchale Backlash der Adenauer-Ära mit den Trümmerfrauen machte, die eigentlich bewiesen hatten, das sie einige Dinge auch ganz gut alleine regeln konnten.
Aber nein, es ist kein Frauenbuch. Es ist ein Buch für alle Söhne und Töchter und deren Kinder. Für die, die verstehen wollen, warum in Familien manche Themen nie besprochen wurden und werden. Und warum es einem bei der Fahrt über die Versetalsperre frösteln kann, wenn man sich mit ihrer Geschichte beschäftigt hat.
Ulla Fricke hat zwei Töchter und lebt in Köln. Sie liest leidenschaftlich gerne und wäre fast Buchhändlerin geworden. In der Leitung von Don Bosco Mission Bonn ist sie für Bildung und Freiwilligendienst zuständig.
„Pericallosa. Eine deutsche Erinnerung“ von Evelyn Roll (Droemer Knaur Verlag, € 26,00)
Roman
Wenn alles zu viel wird
„Es ist ja alles gut, mit den Kindern, mit mir, mit mir und dir ja auch, eigentlich, es ist nur ständig dieses Eigentlich ...“ Eine 32-jährige Mutter und erfolglose Übersetzerin ist vor ihrer Familie in ein Hotelzimmer geflohen und lässt ihrer Frustration dort nun freien Lauf. Sie fühlt sich erschöpft, allein und ist hochgradig depressiv. Ihr angestauter Mental Load platzt mit einer enormen sprachlichen Wucht. Ihre Gedanken gehen wild durcheinander.
Die Sätze wirken wie abgehackt, oft sind sie unvollständig. Ein Satzteil fließt direkt in den nächsten, ohne vorher als Sinneinheit vollendet zu sein. Diffus, atemlos, gehetzt. Ich musste mich in diesen Stil anfangs erst einlesen. Doch gerade diese besondere Sprachform hat mich fasziniert. Sie fesselt, fordert heraus, treibt voran.
Und sie spiegelt das verworrene Innenleben der Protagonistin eins zu eins wieder. Diese junge Frau ist es leid, die Perfekte sein zu wollen. „Die Diskrepanz aus Sein und Soll macht mich fertig.“ Man fühlt mit ihr mit, versteht ihre Überforderung. An anderen Stellen kippt die Sympathie wiederum in Antipathie.
„Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten“ von Slata Roschal ist kein leichter oder gefälliger Roman. Die Handlung ist aktuell, eine richtige Conclusion gibt es allerdings nicht. Muss es auch nicht. Für mich war vor allem die Sprache ein Erlebnis. Ein literarischer Wortstrom, der sich von anderen Romanen abhebt.
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten“ von Slata Roschal (claassen Verlag, € 22,00)
Serie
Zum Heulen: Hebammen im Dauereinsatz
Ich habe eine Schwäche für Krankenhausserien. Eigentlich aber nur für Greys Anatomy – deswegen war ich erst skeptisch, als meine Mutter mir von „Push“ vorschwärmte, einer Mini-Serie in der ZDF Mediathek. Sechs Folgen lang begleitet man Hebammen in Berlin bei ihrem Klinikalltag, bei Kaiserschnitten und Geburten, bei heulenden Müttern im Wochenbett und überforderten Vätern. Toll!
Auch weil ich die Hauptdarstellerin Anna Schudt schon als Kommissarin Bönisch im Dortmunder Tatort sehr mochte, fand ich mich schnell im Sog der Serie. Dabei habe ich jede Menge Tränen vergossen und an meine Geburten und meine Hebamme gedacht. Viele Szenen sind unglaublich lebensnah, sie beschönigen nichts und man kriegt einen Heidenrespekt davor, wieviel Nähe und Emotionen die Frauen in ihrem Beruf aushalten müssen. Wohltuend ist auch, dass hier ganz normale Geburten und Fälle im Vordergrund stehen. Das ist schon Drama genug, da braucht es keine Hubschrauber und Taxigeburten.
Und vielleicht werde ich, wenn ich nach einem Tag voller umgekippter Becher, Diskussionen um mehr Medienzeit und unzähliger Geschwisterstreitereien einfach nochmal „Push“ kucken. Und mich nostalgisch daran erinnern, wie es war, als mein Mama-Sein anfing. Mit der Serie kann man sich einerseits wehmütig zurückerinnern, andererseits aber auch angenehm gruseln – und sich freuen, dass man die Geburten hinter sich hat.
Ulla Fricke hat zwei Töchter und lebt in Köln. Sie liest leidenschaftlich gerne und wäre fast Buchhändlerin geworden. In der Leitung von Don Bosco Mission Bonn ist sie für Kommunikation, Bildung und Freiwilligendienst zuständig.
„Push“, Mini-Serie („News8“, ZDF-Mediathek), Foto: ZDF/Richard Kranzin, Bantrybay
Kinderroman
Wenn der Wolf kommt
Eigentlich hat Kemi keine Lust auf das Ferienlager im Wald. Aber dann fährt er doch mit. Bei gemeinsamen Aktionen wie Wandern, Klettern oder, noch schlimmer, Basteln macht er nicht mit – und diskutiert stattdessen lieber mit den Betreuerinnen und Betreuern. Außerdem ist da noch Jörg, der Junge mit den abstehenden Ohren. Und Marko, der Jörg einfach nicht in Ruhe lässt. Und natürlich die anderen aus dem Jahrgang und der Koch mit dem Totenkopf-T-Shirt.
Und der Wolf. Er kommt nachts, hat gelbe Augen und krasse Zähne. Er ist groß und stark. Kemi sieht den Wolf und Jörg auch. Wie kann das sein? Der Wolf ist doch nur ein Traum!
Die Geschichte über Freundschaft, Mut und Anderssein von Bestsellerautor Saša Stanišić hat mich von den ersten Sätzen an begeistert und bis zum Ende nicht losgelassen. Die sternenklare Sprache, der schmetterlingsflügelfeine Humor, die vogelwilden Bilder – unbedingt zu empfehlen, für Kinder und Erwachsene.
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in München.
„Wolf“ von Saša Stanišić, illustriert von Regina Kehn (Carlsen Verlag, € 14,00)
Tagebuch
Leben mit der Diagnose Hirntumor
Er ist ein im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichneter Filmemacher. Er erhielt den Katholischen Medienpreis und den Sozialcouragepreis der Caritas, produzierte für die ARD und den BR, drehte in Chile, Afrika und auf den Philippinen. Viele Abenteuer hat er dabei erlebt und viele Herausforderungen gemeistert. Er wollte seinen Protagonistinnen und Protagonisten immer ganz nah sein und hat sich viel Zeit für sie genommen. Er hat sie in extremen Situationen begleitet – zum Teil bis zu deren Tod. Jetzt muss sich Max Kronawitter selbst der eigenen Endlichkeit stellen und seine wohl größte Herausforderung annehmen, nämlich mit Zuversicht weiterzuleben, auch wenn die Statistiken ihm wenig Mut machen.
In seinem Buch „Ikarus stürzt“ beschreibt Max Kronawitter, wie er die ersten neun Monate seit seiner Diagnose erlebt hat. Als Leserin und Leser sitzt man quasi neben ihm, als zum ersten Mal das Wort „Glioblastom“ fällt. Dieser bösartige Hirntumor bestimmt jetzt den Takt seines Lebens. Er nimmt ihm die Hälfte seines Gesichtsfeldes und macht es ihm unmöglich, weiter als Filmemacher zu arbeiten. Doch er nimmt ihm nicht das journalistische Gespür. Max Kronawitter greift zum Aufnahmegerät und hält täglich seine Gedanken fest. Dadurch ist im Buch auch im Nachhinein nichts geschönt. Die Leserinnen und Leser nehmen an den zweifelnden und düsteren Momenten genauso teil wie an den hoffnungsfrohen. Dabei tauchen immer wieder Erinnerungen an Personen aus seinen früheren Filmen auf, die ihm jetzt Kraft geben. Genauso wie seine Familie. Seine Frau und seine drei Kinder sind Max Kronawitter eine große Stütze. Was solch eine Diagnose für die gesamte Familie bedeutet, auch dieser Aspekt wird im Buch nicht ausgespart.
Es ist bewundernswert, wie offen und ehrlich Max Kronawitter Einblick in seine Gefühlswelt gibt, in sein Ringen und sein Hoffen – und in seinen Glauben. Die Floskel „es regt zum Nachdenken an“ trifft in diesem Fall nur zu gut. Bei mir war es jedenfalls so.
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Ikarus stürzt – Mein Tumor, meine Filme und mein neues Leben auf Zeit“ von Max Kronawitter (Herder Verlag, € 24,00)
Serie
Kann ein Plan B die Lösung sein?
Was wäre, wenn? Wenn wir bestimmte Situationen unseres Lebens noch einmal leben könnten? Wenn wir Fehler rückgängig und Geschehenes ungeschehen machen könnten? Die erfolgreiche Moderatorin Flo Bohringer (Katja Riemann) versucht genau das. Ihre 15-jährige Tochter Luna (Hannah Schiller) hat Suizid begangen. Die Mutter nimmt die Dienste eines Unternehmens in Anspruch, das Personen zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl zurückkatapultiert. Hier: in die Zeit vor Lunas Tod.
Kann die Mutter auf diese Weise den Suizid ihres Kindes verhindern? Welche Folgen hat ihre Rückkehr in die Vergangenheit für sie und den Rest der Familie, für ihren Beruf? Und – ohne zu viel verraten zu wollen – wer sagt eigentlich, dass beim Nochmal-Leben am Ende alles besser wird?
Ein starker Plot, toll beobachtete Szenen aus dem Familien- und Beziehungsleben, ein fantastischer Cast. Mich hat die sechsteilige Serie sehr beeindruckt.
Wichtiger Hinweis: Wenn Sie selbst depressiv sind oder wenn Sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlosen Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Telefonseelsorge Österreich erreichen Sie unter der Notrufnummer 142. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu erreichen.
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München.
„RESET“, Mini-Serie (ZDF Mediathek), Foto: ZDF/Tina Krohn
Mitmachbuch
Zuhören, verstehen – und dann selbst aktiv werden
Vorlesen macht Spaß. Mein Mann und ich jedenfalls genießen die Momente, wenn unsere Zwillinge sich links und rechts an uns kuscheln und aufmerksam den spannenden Geschichten lauschen. Genauso schön ist es aber, wenn die beiden aktiv miterleben können, was wir ihnen da vorlesen. Wenn sie quasi Teil des Buches werden. Bei „Wink dem Wal“ von Nico Sternbaum ist genau das möglich.
Anton, das Alpaka, macht zum Beispiel gerne Musik, braucht zur Motivation aber etwas Applaus und freut sich, wenn man zusammen mit ihm das eigene Lieblingslied anstimmt. Unsere Tochter fängt auf dieser Seite immer an, „Bruder Jakob“ lauthals zu schmettern. Und Lara, das Tigermädchen, möchte gerne tigermäßig begrüßt werden. Wie das geht? Unser Sohn weiß es und berührt sofort mit seiner Nasenspitze Laras Nase.
Die Bilder sind liebevoll gezeichnet, die Mitmachaktionen für Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren passend ausgesucht. Nur die letzte Seite, nachdem für die Tiere im Stall das Licht ausgeknipst wurde, funktioniert bei unseren Zwillingen nicht. Da heißt es: „Nun klapp das Buch vorsichtig zusammen und stell es gaaanz leise ins Bücherregal, damit die Bauernhoftiere nicht wieder aufwachen.“ Da streiken unsere beiden. Aufräumen – das ist für sie eindeutig eine Mitmachaktion, die nur für Mama oder Papa gedacht sein kann.
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Wink dem Wal“ von Nico Sternbaum (Bassermann Verlag, € 9,99)
Textsammlung
Gute-Laune-Stories
Es sind wunderbare, kluge und sehr humorvolle Kurzgeschichten über Lebenslagen von Menschen – immer mit Tiefgang und Absurdität, und trotz des Titels macht das Buch gute Laune. Ich finde, dass Mariana Leky eine ganz eigene Sprache gefunden hat, Geschichten mit großer Empathie auf den Punkt zu bringen. Die Stories sind so kurz, dass sie auch zwischen zwei U-Bahn-Stationen gelesen werden können. Also mein Tipp: Statt Handy zücken, „Kummer aller Art“ lesen!
Das Buch – die Texte waren erstmals als Kolumnen in der Zeitschrift „Psychologie heute“ erschienen – erfreut durch eine tolle Optik und Haptik und ist bestens als Geschenk geeignet.
Margret Russer ist Grafik-Designerin und Illustratorin von Kinder- und Sachbüchern mit eigenem Grafikbüro in München. Außerdem gestaltet sie Kunstobjekte aus Holz. Hund Urmel leistet moralische Unterstützung.
„Kummer aller Art“ von von Mariana Leky (DuMont Buchverlag, € 22,00)
Buchreihe
Beeindruckende Lebensgeschichten
Vorbilder – die möchte ich meinen Kindern auf jeden Fall mitgeben fürs Leben. Dazu eignet sich die tolle Buchreihe „Little People, Big Dreams“, die ich zur Zeit mit ihnen lese. Besonders angetan sind wir von der Geschichte über Anne Frank. „Wie heißt nochmal das Mädchen, dass sich zwei Jahre hinter einem Schrank verstecken musste?“, fragen meine Töchter oft, wenn sie mitbekommen, dass es irgendwie um Krieg und Diskriminierung geht. Das Grauen der Judenverfolgung wird in dem Buch deutlich, aber behutsam benannt und ist insbesondere durch die Illustrationen einprägsam.
Ein Vorbild ist Anne für meine Kinder nicht wegen ihres Martyriums, sondern weil sie oft leise sein musste. Und weil sie so ausgiebig Tagebuch geschrieben hat. Die vorletzte Seite des Buches kann ich auch nach vielen Vorleserunden nicht ohne brüchige Stimme lesen. Wortlos greift sich dann meine Neunjährige das Buch und liest zu Ende.
Fazit: Eine tolle Reihe, auch wenn die Illustrationen nicht immer hundertprozentig meinem Geschmack entsprechen.
Ulla Fricke hat zwei Töchter und lebt in Köln. Sie liest leidenschaftlich gerne und wäre fast Buchhändlerin geworden. In der Leitung von Don Bosco Mission Bonn ist sie für Kommunikation, Bildung und Freiwilligendienst zuständig.
„Anne Frank“ von María Isabel Sánchez Vegara, illustriert von Dorosehva Sveta (Suhrkamp/Insel Verlag, € 13,95)
Roman
Wie ein Jugendlicher den Kampf gegen seine Ängste verliert
Dieses Buch ging mir durch Mark und Bein. Einige Male musste ich es auch weglegen, weil es mich tief getroffen hat. Das Buch erzählt von Paul, der im Alter von 16 Jahren Suizid begeht. Seine Familie, seine Freunde und sein Umfeld müssen damit umgehen.
„Alle Farben grau“ ist ein Tatsachenroman. Martin Schäuble recherchierte Pauls wahre Geschichte sorgsam, hörte Angehörigen und Freunden genau zu und lässt jede und jeden in der eigenen Sprache über die Beziehung zu Paul sprechen.
Der Autor schildert die selbstzerstörerischen Stimmen im Kopf, die Gespräche mit Ärzten und Psychologen, den Aufenthalt in der Psychiatrie, das Gefühl, nicht mehr selbst über sein Leben bestimmen zu können und die Unsicherheit der Angehörigen und Freunde im Umgang mit dem Betroffenen. Aber auch der Teenager Paul kommt zu Wort, der sich nach einem „normalen“ Leben sehnt, gerne vor dem Bildschirm zockt und das erste Mal verliebt ist.
Martin Schäuble gelingt eine zutiefst berührende und realistische Beschreibung des Lebens eines Jugendlichen, der am Ende den Kampf gegen seine Ängste und Abgründe verliert.
Jährlich sterben in Deutschland mehr als 10.000 Menschen durch Suizid, mehr als durch Verkehrsunfälle, Drogen und Mord zusammen. Bei 90 Prozent der Fälle ist eine psychische Erkrankung der Auslöser. Allen, die wirklich wissen wollen, wie ein Leben mit einer psychischen Erkrankung sein kann, kann ich dieses Buch empfehlen. Denn auch ich kannte jemanden wie Paul.
Der Verlag empfiehlt das Buch für Jugendliche ab 14 Jahren. Er weist darauf hin, dass der Roman von einem jungen Menschen handelt, der sich das Leben nimmt, und außerdem selbstverletzendes Verhalten geschildert wird.
Wichtiger Hinweis: Wenn Sie selbst depressiv sind oder wenn Sie Suizid-Gedanken plagen, dann kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlosen Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123. Die Telefonseelsorge Österreich erreichen Sie unter der Notrufnummer 142. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar. Die Deutsche Depressionshilfe ist in der Woche tagsüber unter 0800 / 33 44 533 zu erreichen.
Marion Neuwirth arbeitet in der Redaktion von Don Bosco Medien. Sie hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Taufkirchen bei München.
„Alle Farben grau“ von Martin Schäuble (S. Fischer Verlage, 15, 00 €)
Sachbuch
Lesen, lachen und verstehen: Eine Mutter packt aus
„Ich wusste nicht, wie migrantisch ich bin, bis ich Kinder hatte. Wie streng oder wie pragmatisch. Ich wusste nicht, wie heftig sich meine Art, Mutter zu sein, von der meiner nicht-migrantischen Freundinnen unterschied“, schreibt Elina Penner. Die „Migrantenmutti“ versteht viele Probleme der Eltern aus der Mehrheitsgesellschaft bis heute nicht. Und erzählt klug, witzig und auf den Punkt gebracht über ihre eigenen Erfahrungen in Sachen Elternschaft.
In den Texten der 1987 in der damaligen Sowjetunion geborene Autorin, die als „Hauptstadtmutti“ einen der bekanntesten Mütterblogs in Deutschland betreibt, geht es um Benimmregeln beim Essen, Hausschuhe, Klamottenkaufen und das Festhalten an Glaubenssätzen in der Corona-Zeit. Ihre Botschaft vor allem an diejenigen, denen der ganz normale Wahnsinn eines Lebens als Alleinerziehende, Mensch mit Migrationshintergrund oder Eltern aus der sogenannten Arbeiterklasse nicht vertraut ist: Locker bleiben!
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrem Mann und zwei Teenager-Kindern in München. Alle sind Kartoffeln aus fränkischem Anbau, teilweise mit westfälischen Wurzeln.
„Migrantenmutti“ von Elina Penner (aufbau Verlag, € 18,00)
Kinderbuch
Reise zur eigenen Identität
So ein Buch kann für Kinder eine ganz schöne Herausforderung sein. Wie oft legen sie – genau wie wir Erwachsene – Bücher weg und tun sich dann schwer, wieder einzusteigen. Da finde ich es sehr erfrischend, dass Clarissa Corrêa da Silva ihre kleinen Leserinnen und Leser genau dazu auffordert. Seiten überspringen, zurückblättern, nur mal einen Abschnitt lesen – in „Mein wunderbares Ich“ alles kein Problem.
In ihrem Buch vereint Corrêa da Silva, besser bekannt als Clari aus „Wissen macht ah!“ oder der „Sendung mit der Maus“, Wissensvermittlung, kuriose Fakten und Platz zum Kreativsein zu einem erfrischenden Mix über Gene und Epigene, die eigene Identität und das Älterwerden. Dabei nimmt sie die Kinder ernst, ohne in eine technische Sprache zu verfallen. Und falls doch mal ein Fachbegriff nötig ist, findet sich die Erklärung spätestens im nächsten Satz. Auch Themen wie Stress, Schmerz oder das Vererben eines Traumas lässt die Autorin nicht außen vor und ermutigt die Kinder dazu, sich selbst anzuerkennen und neu zu erfinden.
Für Kinder ab etwa zehn Jahren, die Stück für Stück mehr über sich selbst erfahren wollen, ist „Mein wunderbares Ich“ genau das Richtige.
Christoph Sachs ist Redakteur bei Don Bosco Medien und lebt in München. Neben dem Schreiben backt er leidenschaftlich gerne Brot, fotografiert und vertieft sich mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Brettspiele.
„Mein wunderbares Ich – Was mich ausmacht und welche Rolle die Gene dabei spielen“ von Clarissa Corrêa da Silva (cbj Verlag, € 15,00)
Kinderbuch
Haben die Menschen einen Vogel?
Haben die Menschen einen Vogel? Diese Frage stellt sich das Vogelkind, als es von seinen Eltern erfährt, was die Menschen in ihrer kurzen Geschichte auf der Erde schon alles angestellt haben. Los ging es mit Zelten, dann folgten Hütten, Straßen, Autos, Städte und sogar fliegen wollten sie! Für ihre Ideen fällten sie viele, viele Bäume, was ihnen der Vogelpapa ziemlich übel nimmt.
In den Illustrationen können die Leser noch weitere Untaten der Menschheit aber auch andere lustige Szenen entdecken. Am Schluss gibt es eine überraschende Erkenntnis für die Vögel: So schlecht sind sie gar nicht, diese Menschen.
Aus der Vogelperspektive erfahren Kinder, welche negativen Folgen manche Ideen der Menschen für die Umwelt haben. Die detailreichen Bilder laden dazu ein, miteinander über aktuelle Themen wie Umwelt- und Tierschutz zu sprechen. Das Buch schürt jedoch keine Zukunftsangst, sondern gibt Hoffnung und ist mit Witz geschrieben. Für Kinder im Kindergartenalter ist das Buch ein ansprechender Einstieg in die Thematik.
Marion Neuwirth arbeitet in der Redaktion von Don Bosco Medien. Sie hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Taufkirchen bei München. Die ganze Familie ist immer auf der Suche nach neuem Lesestoff.
„Aaah, diese Menschen! Und wie sie mit ihren Ideen fast alles versaut hätten...“ von Miro Poferl (Edition Nilpferd, G&G Verlag, € 16,00)