Medientipps
Aktuelle Bücher, Filme, Podcasts und Hörbücher für Eltern, empfohlen von Müttern und Vätern oder von Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Biografie
Der heilige Franziskus – ein Vorbild für unsere Zeit?
Diese Biografie ist zugleich ein Reisetagebuch. Der Autor Alois Prinz nimmt uns mit auf eine Wanderung durch Italien von Assisi nach Rom auf den Spuren des heiligen Franziskus. Er möchte besser verstehen, wie der Heilige war, der ihn schon seit seiner Kindheit begleitet. Möchte begreifen, warum gerade er heute vielen Menschen als Vorbild gilt.
So wandern wir mit dem Autor durch Dörfer und Städte, sind unterwegs auf Straßen und Wegen, besuchen Klöster und Kirchen, immer entlang am Leben und Wirken von Franz, dem reichen Kaufmannssohn, der allen Besitz aufgab und sich für ein einfaches Leben im Einklang mit der Natur entschied.
Dabei interessierte den preisgekrönten Biografen vor allem eine Frage: Warum kann gerade Franz von Assisi, dieser „unscheinbare kleine Aussteiger, der nichts besaß und nichts sein wollte, der sich selbst als ‚Idiot‘ sah und ‚Spaßmacher Gottes‘“, bis heute die Menschen begeistern? Antworten finden sich auf der Reise mit Prinz durch die Toskana und durch Umbrien – auf seinem ganz persönlichen Franziskusweg.
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München. Ihr Sohn heißt Franz – nach dem bekannten Heiligen.
„Franz von Assisi. Tierschützer, Minimalist und Friedensstifter“ von Alois Prinz (Gabriel Verlag, € 17,00)
Kinderbuch
Reise zur eigenen Identität
So ein Buch kann für Kinder eine ganz schöne Herausforderung sein. Wie oft legen sie – genau wie wir Erwachsene – Bücher weg und tun sich dann schwer, wieder einzusteigen. Da finde ich es sehr erfrischend, dass Clarissa Corrêa da Silva ihre kleinen Leserinnen und Leser genau dazu auffordert. Seiten überspringen, zurückblättern, nur mal einen Abschnitt lesen – in „Mein wunderbares Ich“ alles kein Problem.
In ihrem Buch vereint Corrêa da Silva, besser bekannt als Clari aus „Wissen macht ah!“ oder der „Sendung mit der Maus“, Wissensvermittlung, kuriose Fakten und Platz zum Kreativsein zu einem erfrischenden Mix über Gene und Epigene, die eigene Identität und das Älterwerden. Dabei nimmt sie die Kinder ernst, ohne in eine technische Sprache zu verfallen. Und falls doch mal ein Fachbegriff nötig ist, findet sich die Erklärung spätestens im nächsten Satz. Auch Themen wie Stress, Schmerz oder das Vererben eines Traumas lässt die Autorin nicht außen vor und ermutigt die Kinder dazu, sich selbst anzuerkennen und neu zu erfinden.
Für Kinder ab etwa zehn Jahren, die Stück für Stück mehr über sich selbst erfahren wollen, ist „Mein wunderbares Ich“ genau das Richtige.
Christoph Sachs ist Redakteur bei Don Bosco Medien und lebt in München. Neben dem Schreiben backt er leidenschaftlich gerne Brot, fotografiert und vertieft sich mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Brettspiele.
„Mein wunderbares Ich – Was mich ausmacht und welche Rolle die Gene dabei spielen“ von Clarissa Corrêa da Silva (cbj Verlag, € 15,00)
Serie
Herzerwärmend!
Erwachsen werden kann grausam sein. Die Eltern, die Schule, die Freunde. Und natürlich das ganze Desaster mit der Liebe. Wenn dann auch noch queere Menschen betroffen sind, kann es – immer noch – richtig kompliziert werden.
Die britische Serie "Heartstopper" zeigt genau so einen Fall. In der ersten Staffel (2022) kommen Charlie (Joe Locke), der schwul ist, und sein Mitschüler Nick (Kit Connor) sich näher und verlieben sich ineinander. Jetzt ist die zweite Staffel da und erzählt, wie es mit der Beziehung der beiden Teenager weitergeht. Inklusive mehrere Coming-Out-Anläufe, unterschiedliche Eltern-Reaktionen, Liebes-Chaos im Freundeskreis und ein Schulausflug nach Paris.
Mir gefällt die Serie, weil sie die Jugendlichen mit ihren Kämpfen und ihrem Glück ernst nimmt. Das ganze Auf und Ab und Hin und Her der Gefühle wird so rührend, ehrlich und herzerweichend dargestellt, dass man mit jeder einzelnen Figur mitfiebert, wenn wieder irgendein Drama im Anmarsch ist – oder sich eins in Luft auflöst.
Wie schon Staffel 1 überzeugen auch die neuen Folgen durch einen fantastischen Cast, tolle Dialoge und eine bunt-fröhliche Ästhetik mit britischem Ambiente. Ich warte jetzt schon sehnlichst auf die angekündigte dritte Staffel.
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München. Durch ihre beiden Teenager-Kinder fühlt sie sich derzeit oft in ihre eigene Jugendzeit zurückversetzt.
"Heartstopper", 2. Staffel, Netflix; Foto: Netflix
Textsammlung
Gute-Laune-Stories
Es sind wunderbare, kluge und sehr humorvolle Kurzgeschichten über Lebenslagen von Menschen – immer mit Tiefgang und Absurdität, und trotz des Titels macht das Buch gute Laune. Ich finde, dass Mariana Leky eine ganz eigene Sprache gefunden hat, Geschichten mit großer Empathie auf den Punkt zu bringen. Die Stories sind so kurz, dass sie auch zwischen zwei U-Bahn-Stationen gelesen werden können. Also mein Tipp: Statt Handy zücken, „Kummer aller Art“ lesen!
Das Buch – die Texte waren erstmals als Kolumnen in der Zeitschrift "Psychologie heute" erschienen – erfreut durch eine tolle Optik und Haptik und ist bestens als Geschenk geeignet.
Margret Russer ist Grafik-Designerin und Illustratorin von Kinder- und Sachbüchern mit eigenem Grafikbüro in München. Außerdem gestaltet sie Kunstobjekte aus Holz. Hund Urmel leistet moralische Unterstützung.
"Kummer aller Art" von von Mariana Leky (DuMont Buchverlag, € 22,00)
TV-Serie
Papa-Tochter-Chaos zum Verlieben
Die zweite Staffel von „mapa“ ist da – und wieder war ich von der ersten Folge an begeistert. Die Geschichte ist schnell erzählt: Vater Metin kümmert sich alleine um Tochter Lene. Ihre Mutter Emma war plötzlich gestorben, als Lene noch ein Baby war. Außerdem gibt es noch Metins Mutter, seine Arbeitskolleginnen und -kollegen – er arbeitet als Drehbuchautor – und einige Freunde und Freundinnen, darunter ein lesbisches Paar, das in Staffel 2 ein Kind bekommt.
Wer jetzt die gängigen Film- und Serien-Klischees erwartet, liegt komplett daneben. Denn diese Serie ist anders. So kreativ, so witzig, so phantasievoll – sowas sieht man selten im deutschen Fernsehen. Die Dialoge sind auf den Punkt geschrieben, die Figuren liebevoll entwickelt, der Cast ist großartig. Immer wieder werden mehr oder weniger surreale Phantasie-Szenen eingeschnitten, die in ihrer Balla-balla-Haftigkeit großen Spaß machen und zugleich die Gefühle hinter den Gefühlen wunderbar zum Ausdruck bringen.
Metin wagt sich in dieser Staffel – Lene ist inzwischen im Kita-Alter – wieder ins Beziehungs-Game. Er sehnt sich nach einer neuen Frau in seinem Leben, ist sich allerdings unsicher, ob er als Witwer überhaupt – oder vielleicht sogar besonders oder gar nur deshalb – für Frauen attraktiv ist. Als ihm dann die Richtige vor die Füße läuft, ist sie fast schon wieder weg. Sehr weit weg. Sie ist Astronautin.
Dem jungen Vater zuzusehen, wie er sich in seinem Lebens-Chaos einrichtet, wie er im elterntypischen Auf und Ab der Emotionen mit seiner Tochter spricht, lacht, weint, streitet, sich versöhnt, sie zum Alleine-Einschlafen zu bewegen versucht, wie er sich von seiner Mutter, einem echten Drachen, rundmachen lässt, das ist einfach zum Verlieben. Große Gefühle, große Freude, große Empfehlung!
Christina Tangerding ist freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in München. Familiengeschichten, egal in welchem Format, mag sie immer dann, wenn sie sich nicht mit den gängigen Klischees begnügen.
"mapa", 2. Staffel, von Joyn und rbb (ARD Mediathek); Foto: rbb/Tobias Koppe
Mitmachbuch
Zuhören, verstehen – und dann selbst aktiv werden
Vorlesen macht Spaß. Mein Mann und ich jedenfalls genießen die Momente, wenn unsere Zwillinge sich links und rechts an uns kuscheln und aufmerksam den spannenden Geschichten lauschen. Genauso schön ist es aber, wenn die beiden aktiv miterleben können, was wir ihnen da vorlesen. Wenn sie quasi Teil des Buches werden. Bei „Wink dem Wal“ von Nico Sternbaum ist genau das möglich.
Anton, das Alpaka, macht zum Beispiel gerne Musik, braucht zur Motivation aber etwas Applaus und freut sich, wenn man zusammen mit ihm das eigene Lieblingslied anstimmt. Unsere Tochter fängt auf dieser Seite immer an, „Bruder Jakob“ lauthals zu schmettern. Und Lara, das Tigermädchen, möchte gerne tigermäßig begrüßt werden. Wie das geht? Unser Sohn weiß es und berührt sofort mit seiner Nasenspitze Laras Nase.
Die Bilder sind liebevoll gezeichnet, die Mitmachaktionen für Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren passend ausgesucht. Nur die letzte Seite, nachdem für die Tiere im Stall das Licht ausgeknipst wurde, funktioniert bei unseren Zwillingen nicht. Da heißt es: „Nun klapp das Buch vorsichtig zusammen und stell es gaaanz leise ins Bücherregal, damit die Bauernhoftiere nicht wieder aufwachen.“ Da streiken unsere beiden. Aufräumen – das ist für sie eindeutig eine Mitmachaktion, die nur für Mama oder Papa gedacht sein kann.
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Wink dem Wal“ von Nico Sternbaum (Bassermann Verlag, € 9,99)
Kinderbuch
Haben die Menschen einen Vogel?
Haben die Menschen einen Vogel? Diese Frage stellt sich das Vogelkind, als es von seinen Eltern erfährt, was die Menschen in ihrer kurzen Geschichte auf der Erde schon alles angestellt haben. Los ging es mit Zelten, dann folgten Hütten, Straßen, Autos, Städte und sogar fliegen wollten sie! Für ihre Ideen fällten sie viele, viele Bäume, was ihnen der Vogelpapa ziemlich übel nimmt.
In den Illustrationen können die Leser noch weitere Untaten der Menschheit aber auch andere lustige Szenen entdecken. Am Schluss gibt es eine überraschende Erkenntnis für die Vögel: So schlecht sind sie gar nicht, diese Menschen.
Aus der Vogelperspektive erfahren Kinder, welche negativen Folgen manche Ideen der Menschen für die Umwelt haben. Die detailreichen Bilder laden dazu ein, miteinander über aktuelle Themen wie Umwelt- und Tierschutz zu sprechen. Das Buch schürt jedoch keine Zukunftsangst, sondern gibt Hoffnung und ist mit Witz geschrieben. Für Kinder im Kindergartenalter ist das Buch ein ansprechender Einstieg in die Thematik.
Marion Neuwirth arbeitet in der Redaktion von Don Bosco Medien. Sie hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Taufkirchen bei München. Die ganze Familie ist immer auf der Suche nach neuem Lesestoff.
"Aaah, diese Menschen! Und wie sie mit ihren Ideen fast alles versaut hätten..." von Miro Poferl (Edition Nilpferd, G&G Verlag, 16,00 €)
Kinderbuch
Den Schatz in sich selbst finden
Mit Kindern über abstrakte Begriffe wie „Liebe“ oder „Selbstwertgefühl“ zu sprechen, geht am besten über Geschichten und Bilder. Denn schon kleine Kinder verstehen, dass das „Herz“ ein Symbol für Liebe ist. Genau auf diese Art zeigen die Kunsttherapeutin Katharina Müller und die Illustratorin Anna Karina Birkenstock in ihrem Buch „Käthes wundersame Reise ins Herz“ Kindern ab fünf Jahren, was in ihnen steckt.
Käthe wacht an ihrem fünften Geburtstag auf und macht sich auf die Suche nach ihren Geschenken. Dabei trifft sie auf einen Baum, der plötzlich zum Leben erwacht und sie auf eine wundersame Reise schickt, auf der auch sich selbst kennenlernt.
Meiner fünfjährigen Tochter hat besonders „die Stelle mit dem Herz“ gefallen, als Käthe entdeckt, dass sie selbst „eine goldene Schatztruhe“ voller Freude und Liebe in sich trägt. In diese bildhafte Erzählwelt können Kinder wunderbar eintauchen. Die Aquarell-Malereien und Illustrationen sind farbenfroh und ansprechend, aber keineswegs kitschig.
Die Idee einer „Herzensreise“ mit Meditationen und Bildbetrachtung ist schön umgesetzt. Sie lädt dazu ein, mit den Kindern Meditation und Fantasiereisen auszuprobieren und auf kindgerechte Art über „Herzensdinge“ zu sprechen.
Marion Neuwirth arbeitet in der Redaktion von Don Bosco Medien. Sie hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Taufkirchen bei München. Die ganze Familie ist immer auf der Suche nach neuem Lesestoff.
"Käthes WUNDERsame Reise ins Herz. Eine Geschichte mit stärkenden Meditationen für Kinder ab fünf Jahren" von Katharina Müller (LebensGut Verlag, € 20,00)
Bilderbuch
Glitzerwesen mit Wolkenmagen
Wussten Sie, dass es an allen Orten der Welt, die das Wort „Horn“ im Namen hat, geheime Eingänge in die Einhornwelt gibt? Vom Kap Horn zum Beispiel oder vom Matterhorn. Oder dass ein Einhorn sieben Mägen hat, darunter den Wolkenmagen und den Basketballmagen?
In dem fantasievollen Bilderbuch mit Illustrationen von Alexandra Helm gibt es jeder Menge solcher Infos rund um die magischen Glitzerwesen. Ähnlich wie in einem Wimmelbuch ist Vieles zu entdecken, jede Seite hat viele kleine Texte und ein eigenes Einhornthema.
Tatsächlich macht das Buch auch noch meiner großen, achtjährigen Tochter Spaß. Optimal ist es für vier- bis sechsjährige Einhornliebhaberinnen und -liebhaber.
Ulla Fricke hat zwei Töchter und lebt in Köln. Sie liest leidenschaftlich gerne und wäre fast Buchhändlerin geworden. In der Leitung von Don Bosco Mission Bonn ist sie für Kommunikation, Bildung und Freiwilligendienst zuständig.
"101 Einhörner und alles, was du über sie wissen musst!" von Ruby van der Bogen (Oetinger Verlag, € 15,00)
Erfahrungsbericht
Was einen Frühchenpapa umtreibt
Eine Geburt ist immer ein unfassbares Wunder mit einem großen Überraschungseffekt – denn gerade, wenn es das erste Kind ist, wissen weder Mama noch Papa in spe, was da genau auf sie zukommt. Noch extremer wird es, wenn das eigene Baby plötzlich zum Frühchen wird und vollkommen unerwartet im Urlaub die Familie komplett macht. So wie bei Daniel Pelz und seiner Frau.
In „Frühchenpapa – Ein Wegbegleiter“ nimmt der Autor die Leserinnen und Leser mit ins Krankenhaus und lässt sie an der Frühgeburt seiner Zwillinge und dem ganzen Gefühlschaos in den folgenden Wochen und Monaten teilhaben – an den Sorgen, den Zweifeln und der Wut auf unsensibles und überarbeitetes Krankenhauspersonal. Er beschreibt seinen Kampf mit Formalitäten und prangert die fehlende staatliche Unterstützung für Frühcheneltern an. Er spricht offen über Momente der Erschöpfung und über die Zwänge, in denen sich Frühchenväter befinden. Hinzukommen die Ängste aller Frühcheneltern: Werden die Kinder sich gut entwickeln? Werden sie Beeinträchtigungen haben? Werden sie irgendwann einfach „normale“ Babys sein – ohne ständige Arzttermine oder nächtliche Besuche in der Notfallaufnahme?
Die Sicht auf eine Geburt ist meistens weiblich. Schön, dass in diesem Buch mal ein Vater zu Wort kommt. Im ersten Teil berichtet Daniel Pelz anschaulich über seine eigenen Erlebnisse, im zweiten Teil unterfüttert er diese durch Gespräche mit Expertinnen und Experten sowie anderen Frühchenvätern. Abgerundet wird das Buch durch ein kurzes Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe für Frühcheneltern nachgeschlagen werden können.
Ich selbst bin zwar keine Frühchenmutter, habe das Buch aber trotzdem mit großem Interesse gelesen. Einige Situationen kamen mir bekannt vor, bei anderen habe ich mit dem Autor und seiner Familie mitgefühlt und mitgehofft. Das Buch richtet sich in erster Linie natürlich an Frühcheneltern, im Speziellen an Frühchenväter, und will ihnen Tipps und Hilfestellungen mit auf den Weg geben, aber es zeigt auch allen anderen, was einen Frühchenvater bewegt und dass eine Geburt eben nicht nur die Mutter betrifft.
Mehr dazu in unserem Interview mit Daniel Pelz.
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Frühchenpapa – Ein Wegbegleiter“ von Daniel Pelz (Brandes & Apsel, € 14,90)
Sachbuch
Rollenbilder aufbrechen
Wenn Sie dieses Buch lesen, sollten Sie vorher vielleicht eine Schmerztablette nehmen, denn Sie werden aus dem Kopfschütteln nicht herauskommen. Und trotzdem empfehle ich die Lektüre uneingeschränkt jedem Geschlecht, auch wenn die überwiegende Leserschaft voraussichtlich Frauen sein werden. Schade eigentlich, denn das Thema „Gleichberechtigung“ geht jeden etwas an (sonst wird’s echt schwierig), und wie die Autorin Alexandra Zykunov zeigt, liegt auch noch ein langer Weg vor uns, bis wirklich alle gleichberechtigt sind. Anhand von „25 Bullshitsätzen“ analysiert sie patriarchale Muster, systemgewollte Ungerechtigkeiten und komplett irrationale Verhaltensweisen.
Ein Beispiel für einen Bullshitsatz: „Hast du ein Glück, dass dein Mann zu Hause so viel mithilft!“ Schon selbst oft gehört, vielleicht noch nicht einmal böse gemeint, aber dennoch entlarvend. Denn so die Autorin: „Wenn wir von Männern sprechen, die ‚helfen‘, statt von Männern, die einfach ihren Aufgabenbereich für ihre Familie, ihr Heim und den Haushalt darin übernehmen, sprechen wir ihnen jegliches Recht ab, sich dafür auch aktiv verantwortlich zu fühlen.“ Sprache schafft Realitäten. Denn wer hat schon einmal den Satz gehört, frage ich mich: „Hast du ein Glück, dass deine Frau zu Hause so viel mithilft!“
Es folgen weitere Bullshitsätze, die an jeder Familienfeier so fallen könnten und die leider beweisen, dass die tradierten Rollenbilder immer noch große Wirkung und Frauen gegen viele von außen auferlegten Erwartungshaltungen anzukämpfen haben.
Als ich das Buch las, habe ich mir vieles mit Neon-Marker angestrichen. Auch, um nachher mit meinem Mann darüber zu diskutieren, der ebenfalls beim Kopfschütteln mitgemacht hat. Denn die Zahlen sprechen für sich: 45 Prozent der Väter geben an, dass sie sich eine partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung wünschen, nur 17 Prozent machen das auch so. Von den Professuren an deutschen Hochschulen sind 75 Prozent von Männern besetzt. Mehr als 60 Prozent aller Mütter arbeiten in Teilzeit, bei den Vätern weniger als 10 Prozent. Tierfiguren in Cartoonproduktionen sind zu 87 Prozent männlich. Und und und ...
Was leben wir unseren Kindern da vor? Alexandra Zykunov schreibt frei Schnauze, das muss nicht jedem gefallen, aber sie legt den Finger in die Wunde. Und sie stellt klar: „Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass alle Frauen die Karriereleiter erklimmen und sich in Vollzeitjobs halb zu Tode arbeiten sollen. Aber Gleichberechtigung bedeutet, dass alle Geschlechter die freie Wahl haben sollten, ihre Vereinbarkeits- und Jobmodelle so zu konstruieren und auszuleben, wie sie es wirklich wollen.“
Nicole Stroth ist Redakteurin bei Don Bosco Medien, Mutter von Zwillingen und lebt mit ihrer Familie in München.
„Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ von Alexandra Zykunov (Ullstein, € 10,99)
Ratgeber
Strategien zur Krisenbewältigung
Eine schlimme Krankheit, Jobverlust, der plötzliche Tod eines geliebten Menschen. Auf alles vorbereitet zu sein, was das Leben vielleicht noch bereithält, ist unmöglich. Aber es könnte für den Fall der Fälle helfen, sich schon vorher mal Gedanken über mögliche Wege aus der Krise gemacht zu haben. Eine Hilfe dazu gibt Tita Kern mit „Wenn das Leben kippt“.
Das Buch lädt ein, sich mit den eigenen Strategien zur Stressbewältigung auseinander zu setzen: Bin ich der Typ, der erst mal gelassen bleibt? Jemand, der am liebsten selbst alles in die Hand nimmt? Oder setze ich im Notfall auf ein Netzwerk an vertrauten Menschen? Die Autorin hat einen Kompass mit den Polen Verbundenheit und Eigenständigkeit, Entschlossenheit und Geborgenheit entwickelt. Mit Hilfe von Gedankenspielen kann man sich darauf verorten und die eigenen Notfall-Mechanismen besser kennen lernen. Gleichzeitig gibt Tita Kern auch Anregungen dazu, neue Strategien zu entwickeln, wenn in einer Krise die üblichen Notfall-Mechanismen nicht mehr ausreichen.
Und noch etwas gehört für Tita Kern zur Krisenfestigkeit: Selbstfürsorge. Gerade als Eltern sind wir es gewohnt, uns ständig um andere zu kümmern und für unsere Kinder auch in Notfallsituationen stark zu sein. In „Wenn das Leben kippt“ finden sich Tipps, wie Mütter und Väter es schaffen können, die eigenen Bedürfnisse nicht aus den Augen zu verlieren und zu merken wann sie selbst Hilfe brauchen.
Wie gut ich eine Lebenskrise bewältigen kann, weiß ich vermutlich erst, wenn sie mich trifft. Aber sich mit vorab schon mit Strategien zur Krisenbewältigung beschäftigt zu haben, kann ja nicht schaden. Auf jeden Fall lernt man dabei eine ganze Menge über sich selbst.
Claudia Klinger ist Redakteurin des Don Bosco Magazins und schreibt gerne über Themen rund um Familie und soziale Gerechtigkeit. Sie ist Mama von drei Jungs.
"Wenn das Leben kippt. Ein hilfreicher Kompass für Eltern in Lebenskrisen" von Tita Kern (Kösel Verlag, € 20,00)