Europäische Kulturhauptstadt 2025
„Chemnitz MOVES“ – Kunstprojekt mit jungen Menschen von Don Bosco Sachsen
Angeleitet durch ein Team aus professionellen Künstlerinnen und Künstlern bringen junge Menschen aus den verschiedenen Bereichen von Don Bosco Sachsen eine Inszenierung zum Thema Künstliche Intelligenz auf die Bühne.
veröffentlicht am 02.06.2025
Ein lebendiges Netzwerk aus rund 20 jungen Menschen: Was auf den ersten Blick wirkt wie Chaos, folgt einer Choreografie. Eine Hand am Schulterblatt einer anderen Person, ein Fuß auf einem Knie, Beine, die nach oben aus der Menge ragen. Und mittendrin steht Sara Ezzell. Die amerikanisch-zypriotische Choreografin fügt die letzten Menschen in das lebendige Kunstwerk ein, positioniert eine Hand hier, einen Fuß dort und achtet dabei immer darauf, dass sich alle damit wohlfühlen. Sie ist Teil des künstlerischen Teams, das mit dem Projekt „Chemnitz MOVES“ junge Menschen aus den verschiedenen Bereichen von Don Bosco Sachsen zusammenbringt. Das Ziel: eine große Aufführung zum Thema Künstliche Intelligenz gemeinsam mit der Jungen Deutschen Philharmonie im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz.
An diesem Tag kommen die jungen Menschen und das künstlerische Team erst zum zweiten Mal im Rahmen eines Workshops zusammen, um gemeinsam an ihrem Vorhaben zu arbeiten. Erst am Nachmittag zuvor haben sie sich am selben Ort, einem Kirchengemeindesaal in unmittelbarer Nähe des Don Bosco Hauses Chemnitz, kennengelernt. Einige sind sogar erst heute dazugestoßen.
Sara Ezzell: „Diese jungen Leute sind sehr fähig“
Das akrobatische Können vieler Teilnehmender, die bereits Erfahrung im Zirkus Birikino von Don Bosco Sachsen sammeln konnten, beeindruckt Sara Ezzell. „Normalerweise ist es für Workshopteilnehmende nicht so leicht, einfach loszulegen und diese übertriebenen Positionen einzunehmen. Aber diese jungen Leute sind sehr fähig“, sagt sie begeistert. „Es war so einfach. Man muss nur den Raum sehen und sie ermutigen, einfach darin zu verschmelzen. Und auch die Teilnehmenden, die nicht so akrobatisch sind, hatten schöne Plätze. Was sie getan haben, war genauso eindrucksvoll wie die Handstände anderer“, hebt sie hervor. „Denn das Gesamtbild ergibt sich erst, wenn alle an ihrem Platz sind. Jeder Teil ist wichtig."
Diese Gemeinschaft aus jungen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen ist auch für den Gesamtleiter von Don Bosco Sachsen, Sebastian Schmidt, elementar. „Uns war es wichtig, dass wir alle Jugendlichen von Don Bosco Sachsen ansprechen“, betont er. Neben dem Zirkus Birikino sind auch Jugendliche aus den Angeboten zur Beruflichen Rehabilitation, der Stationären Jugendhilfe und der Offenen Arbeit beim Workshop dabei.
Auf der Bühne bekommen die jungen Menschen Anerkennung
„Der Großteil der Teilnehmenden kommt erstmalig mit dieser Art von Kultur in Kontakt, ist erstmalig in Kontakt mit professionellen Künstlern“, erklärt Schmidt. „Ich vermute, dass die allermeisten Jugendlichen noch nicht ahnen, was auf sie an positiven Dingen zukommen wird“, sagt er mit einem Lächeln der Vorfreude. „Die allermeisten werden dann noch mal besonders überrascht sein, wenn es in die große Veranstaltungshalle – eine ehemalige Gießerei – geht, wenn es dann auf die Bühne geht, wenn Publikum da ist. Das wird ein ganz besonderer Moment für die jungen Leute werden“, ist Schmidt überzeugt.
Ganz bewusst ist dieser Moment vor Publikum Teil des Projekts, wie auch Rita Baus betont. Bei der Internationalen Kulturmanagerin laufen viele Fäden von „Chemnitz MOVES“ zusammen. Sie hat das künstlerische Team zusammengestellt, bringt die jungen Menschen von Don Bosco Sachsen und der Jungen Deutschen Philharmonie zusammen und sorgt dafür, dass Bühne und Ausstattung zur Verfügung stehen. „Die Bühne ist deswegen so wichtig, damit es eine Sichtbarkeit gibt für diese Jugendlichen“, erklärt sie. „Sie bekommen Anerkennung, sie bekommen Applaus. Aber vor allem bekommen sie Selbstbewusstsein, sich zu zeigen, öffentlich zu werden.“ Das steigere auch die Resilienz der Jugendlichen, hebt Baus hervor.
Mary-Jane entdeckt beim Singen ihre Stimme neu
In einem kleineren Raum neben dem Übungssaal steht die 18-jährige Mary-Jane singend neben einem Klavier. Gemeinsam mit Dirigentin Anna Sophie Brüning entdeckt sie dabei ihre Stimme von einer ganz neuen Seite – obwohl sie sechs Jahre im Chor gesungen hat. „Es geht darum, erstmal seinen Heimatton zu finden“, sagt Brüning und macht sich mit ihr auf die Suche. „Du entscheidest.“ Während Mary-Jane singt, begleitet Brüning sie am Klavier, gibt ihr Tipps und bestätigt sie immer wieder mit Worten und Sätzen wie „wunderschön“, „toll“ oder „Du machst das gut!“.
Auch die anderen jungen Menschen lassen sich an diesem Tag auf die Übungen und Choreografien ein, sind fokussiert und konzentriert, egal, ob im großen Kreis zu Beginn des Tages mit Regisseurin Anna Drescher, beim Bilden des KI-Netzwerks aus Menschen mit Choreografin Sara Ezzell oder im Gesangsraum bei Dirigentin Anna Sophie Brüning. Rita Baus kennt dieses Commitment junger Menschen auch aus früheren Projekten: „Sie merken, sie werden ernst genommen, dass die, mit denen sie arbeiten, wirklich was können, und deswegen war es heute wahnsinnig ruhig“, weiß sie.
Die 18-Jährige möchte sich „selbst eine kleine Herausforderung stellen“
Alle Teilnehmenden wissen zwar, worauf sie hinarbeiten. Doch die große Bühne will Mary-Jane lieber ausblenden. „Ich versuche, gar nicht daran zu denken“, sagt sie einige Zeit nach ihrer Gesangsübung, während sie auf den Stufen vor dem Eingang zum Übungssaal sitzt. Durch das Verdrängen will sie vermeiden, sich irgendwann einzureden, dass sie besser aussteigen sollte. Denn Mary-Jane hat soziale Ängste. Trotzdem will sie bis zum Schluss Teil von „Chemnitz MOVES“ sein und auch bei der Aufführung dabei sein. Sie hat es sich vorgenommen, „um mir selbst eine kleine Herausforderung zu stellen und mal was Neues auszuprobieren“, sagt sie stolz.
Durch den Workshop hat Mary-Jane auch den 18-jährigen Simon kennengelernt. Unter anderem ihretwegen ist Simon auch zum zweiten Workshoptag gekommen. Und, weil ihm versprochen wurde, dass er an diesem Tag sein Können vor allen anderen unter Beweis stellen darf. „Ich habe heute meinen Moment, der mir versprochen wurde. Ich zeig jedem, was ich so draufhab“, sagt er voll Vorfreude. Und wirklich, kurz bevor der Tag mit Pizza für alle endet, bittet Sara Ezzell noch einmal alle um einen Moment der Aufmerksamkeit für Simon. Nur auf seinen Händen hält er seinen gestreckten Körper in der Luft. Die Kraft, die das erfordert, ist seinem Gesicht deutlich anzusehen. Entsprechend begeistert fällt auch der anschließende Applaus aus.
„Einfach mal du sein und dein Ding machen in der Menge“
Simon hofft, dass er dieses Kunststück auch auf der Bühne wird aufführen dürfen. „Wenn so viele Leute vor dir stehen und vielleicht dich ein paar Leute kennen, und du dort einfach mal du sein und dein Ding machen kannst in der Menge, und ich dann meinen Moment dort aufführen kann, dann gehtʼs ab“, stellt er klar. „Das ist kein Spaß. Das ist meine Chance.“
Nach einem Highlight des Workshoptags gefragt, ist Simons Antwort eindeutig: sein Moment. Für Mary-Jane war es das lebendige KI-Netzwerk aus Menschen. „Das fand ich am coolsten“, fügt sie hinzu. Vielleicht, weil dort die Gemeinschaft von Don Bosco Sachsen besonders zu spüren war.
Don Bosco Sachsen
Bei Don Bosco Sachsen arbeiten rund 230 Mitarbeitende an den Standorten Burgstädt, Chemnitz, Hartmannsdorf und Limbach-Oberfrohna gemeinsam mit den vor Ort ansässigen Salesianern Don Boscos zum Wohl von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dabei ist das Angebotsspektrum sehr vielfältig. Neben Einrichtungen der ambulanten und stationären Jugendhilfe, einem großen Bereich der beruflichen Rehabilitation mit angeschlossenem Wohnen für auswärtige Auszubildende sowie einem Projekt der Aktivierungshilfe, einer eigenen Berufsschule und einem Jugendtreff engagiert sich der Träger auch an zahlreichen Schulen in der Schulsozialarbeit und Inklusionsassistenz im gesamten Bundesland.