Hoffnung zwischen Trümmern
Sehnsucht nach Stabilität und Frieden: Don Bosco unterstützt bedürftige Familien in Syrien
Nach dem Ende des Assad-Regimes bleibt der Alltag in Syrien von Armut und Unsicherheit geprägt. Die Salesianer Don Boscos sind vor Ort und helfen armen Familien. Da das Stromnetz immer noch marode ist, versorgen sie die Menschen auch mit Solaranlagen.
veröffentlicht am 14.11.2025
Als Pater Miguel Angel Condo Soto letzten Dezember von seinem Heimaturlaub aus Bolivien nach Syrien zurückkam, war alles anders. Beim Grenzübergang wurde er nicht von Soldaten der syrischen Armee kontrolliert, sondern von Männern in Schwarz mit Gesichtsmasken. In Damaskus waren die früher allgegenwärtigen Porträts von Bashar al-Assad von den Plakatwänden gerissen worden. Das Regime gab es nicht mehr. In der Hauptstadt regierten die Islamisten.
In den ersten Wochen nach dem Sturz des Regimes waren die schlecht beleuchteten Straßen in Damaskus nachts wie leergefegt, erzählt der Salesianerpater: „Die Menschen hatten Angst, nach Einbruch der Dunkelheit das Haus zu verlassen.“ Wegen andauernder Scharmützel und der allgemeinen Unsicherheit blieb auch das Oratorium geschlossen.
Dann kehrte in Damaskus der Alltag zurück. In den Straßen fahren auch spät nachts wieder Autos, im Spielhof der Salesianer toben die Kinder. Auch Pater Miguel hat in seinen Arbeitsalltag zurückgefunden. Als Ökonom ist er für die Finanzen der Niederlassung verantwortlich: „Da wir insgesamt nur drei Patres sind, muss jeder von uns zusätzliche Aufgaben übernehmen.“ Der Ordensmann ist daher auch für die Katechese zuständig und kümmert sich um diverse Projekte, wodurch er mit vielen Familien in Kontakt ist.
Folgen des Krieges: Fahrt zu Einrichtung führt vorbei an ausgebombten Gebäuden
Die meisten dieser Familien leben wie so viele Christen in Jaramana, einem östlichen Vorort von Damaskus. Die Fahrt dorthin führt vorbei an ausgebombten Gebäuden, einige zusammengeklappt wie Kartenhäuser, bei anderen sind die Fassaden weggerissen. Der Krieg endete hier 2018, Wiederaufbau gibt es bis heute nicht.
Samir engagierte sich früher bei der Betreuung der Kinder im Oratorium der Salesianer. In Jaramana teilt er sich eine Drei-Zimmer-Wohnung mit seiner Mutter und dem autistischen Bruder. Im Wohnzimmer ist es kalt. Im Fernsehen läuft irgendein Musiksender, den sein Bruder Adil, in eine Decke gehüllt auf der Couch liegend, verfolgt. Manchmal dreht er seinen Kopf nach den Besuchern um.
Zu Don Bosco kam Samir, als er zwölf Jahre alt war. Damals war in den Vororten noch Krieg. Auch Jaramana wurde beschossen, Menschen starben. Der Spielhof war für Samir Auszeit von einem bedrohlichen Kriegsalltag. „Ich konnte in sicherer Umgebung Freunde treffen und Fußball spielen“, sagt er: „Die Gemeinschaft gab mir Halt.“
Geld zum Leben: Student Samir arbeitet nebenbei in einem Laden
Seit sein Vater vor einem halben Jahr starb, muss Samir zum Familieneinkommen beitragen und hat für Don Bosco keine Zeit mehr. Neben seinem Fernstudium arbeitet der 21-Jährige täglich in einem kleinen Laden, wo er Porträtfotos für Personalausweise anfertigt. Seine Mutter Firina erhält umgerechnet 23 US-Dollar Pension im Monat. „Zum Leben reicht das nicht“, sagt die 65-Jährige. Trotz des Zuverdiensts von Samir ist die Armut erdrückend.
Ähnlich ergeht es den meisten Menschen in Syrien. Vor Ausbruch des Krieges 2011 gab es eine breite Mittelschicht zu der auch Samirs Familie zählte. Doch die Verwüstungen und der Zusammenbruch der Wirtschaft, befeuert durch die harten Sanktionen, ließen diese Mittelschicht in die Armut abrutschen.
Das durchschnittliche Monatseinkommen in Syrien liegt zwischen 20 und 50 US-Dollar. Damit kommt man in Syrien nicht weit. Zwar sind die Preise für manche Lebensmittel nach dem Sturz des Regimes gesunken. Gleichzeitig fielen aber eine Reihe staatlicher Subventionen weg, wie etwa auf Benzin und Diesel. Das ließ die Ticketpreise für Minibusse steigen, von denen so viele Menschen abhängig sind, um zur Arbeit oder Schule zu gelangen.
Kalt und dunkel: Öffentliches Netz liefert nur zwei bis drei Stunden Strom am Tag
Auch das Gas zum Kochen wurde teurer. Unter Assad erhielt jede Familie monatlich eine Gaskartusche für 1,5 US-Dollar. Damit kam Samirs kleine Familie gut über die Runden. Jetzt kostet die Kartusche 15 US-Dollar – ein enormer Betrag bei einem Haushaltseinkommen von knapp 90 US-Dollar.
Eines der größten Probleme ist das marode öffentliche Stromnetz, das nicht mehr als zwei bis drei Stunden Strom am Tag liefert. Die Alternative wäre ein mit Diesel betriebener Generator, doch den kann sich die Familie nicht leisten. Kein Strom bedeutet keine Klimaanlage während der Sommerhitze und kein warmes Wasser zum Duschen im Winter. Nach Einbruch der Nacht saß die Familie im Dunkeln.
Dank eines Projekts der Salesianer gehört diese Zeit der Vergangenheit an. Letztes Jahr wurden am Dach des Hauses zwei Solarpanele installiert, die den Haushalt mit Strom versorgen. Eine Batterie speichert überschüssige Energie, auf die nachts oder bei Schlechtwetter zurückgegriffen werden kann.
Projekt der Salesianer: 55 Solaranlagen auf Hausdächern installiert
Wenn Samir jetzt gegen 22:30 Uhr von seiner Arbeit heimkommt, hat er Licht, um in seinen Studienunterlagen zu lesen und Strom, um das Smartphone aufzuladen: „Das macht unseren Alltag um vieles einfacher.“
Die Umsetzung des Projekts war herausfordernd, erzählt Pater Miguel. 300 Familien kamen in die nähere Auswahl: „Jede dieser Familien wurde von unseren Projektmitarbeitern besucht, die feststellten, wie drückend ihre finanzielle Lage ist.“ Da die Zahl der zu vergebenden Solaranlagen begrenzt war, wollten die Salesianer sicherstellen, dass jenen geholfen wird, die es am nötigsten haben.
Weiters musste geprüft werden, ob die Wohnungssituation den technischen Voraussetzungen zum Installieren einer Solaranlage entsprach, erklärt der Pater. So gab es Dächer, die den größten Teil des Tages im Schatten eines höheren Gebäudes lagen. Eine Solaranlage hätte hier nicht die erforderliche Leistung erbracht.
Unterricht und Spielen: Im Lernzentrum werden Kinder auf Prüfungen vorbereitet
Bei Mietwohnungen kam es vor, dass der Vermieter für die Installation der Anlage auf seinem Dach eine hohe Gebühr verlangte. Am Ende wurden 55 Solaranlagen installiert. „Ich hoffe, dass wir in Zukunft weitere Anlagen finanzieren können“, sagt Pater Miguel. Der Bedarf sei jedenfalls hoch.
Nicht weit entfernt von Samirs Wohnung befindet sich das Lernzentrum der Salesianer. Dank Solaranlage gibt es auch hier durchgehend Strom. Kinder werden gezielt auf Prüfungen vorbereitet, ältere Schüler und Studenten können die Räumlichkeiten zum Lernen nutzen.
Pater Miguel kommt regelmäßig hierher, um nach dem Rechten zu sehen. In der ersten Klasse unterrichtet eine Studentin sieben Kinder in Mathe, in der zweiten gibt es Nachhilfe in Französisch. Natürlich gibt es auch hier einen Spielhof. Man spürt, dass die Kinder sich wohlfühlen. So wie Hawwa, die viermal die Woche für je zwei Stunden hierherkommt. „Ich will keine Klasse verpassen“, sagt die Elfjährige.
Gelebte Zuversicht: Don Bosco gibt den Menschen Hoffnung
Wegen der politisch instabilen Lage und der schlechten wirtschaftlichen Situation verließen bereits zahlreiche Christen das Land. „In den knapp drei Jahren, die ich jetzt in Damaskus lebe, haben mindestens 30 mir bekannte Familien Syrien verlassen“, sagt der Salesianerpater. Die meisten von ihnen gingen nach Europa, andere in die USA, nach Kanada oder Australien.
Dennoch ist Pater Miguel vorsichtig zuversichtlich: „Die meisten Syrer sind nicht an der Frage interessiert, welcher Religion oder ethnischen Gruppe jemand angehört.“ Die Menschen würden sich stattdessen nach Stabilität und Frieden sehnen.
Bevor Pater Miguel aufbricht, verabschiedet er sich von dem Dutzend Kinder im Spielhof – sie scherzen mit ihm und lachen. Neben den materiellen Spenden, mit denen Don Bosco hilft, ist es diese gelebte Zuversicht der Ordensleute, die den Menschen Hoffnung macht.
Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Syrien bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.
Hilfe für traumatisierte Kinder und Jugendliche in Syrien
Seit 1948 sind die Salesianer Don Boscos in Syrien tätig. Auch während des Bürgerkriegs haben sie das Land nicht verlassen. Die Don Bosco Zentren befinden sich in Aleppo, Damaskus und Kafroun. Im Fokus steht die Hilfe für Kinder und Jugendliche. Viele sind durch Kriegserlebnisse und das verheerende Erdbeben im Februar 2023 traumatisiert.







