Psychische Gesundheit

Depressionen bei Kindern

Ist mein Kind nur traurig oder schon depressiv? Erzieher Christian Huber erläutert, wie Eltern und Kita-Personal reagieren sollten, wenn eine solche Frage im Raum steht. Seine wichtigste Botschaft: Depressionen sind kein Grund, sich zu schämen!

veröffentlicht am 11.10.2021

Ich bin traurig, ich fühle mich wie leer und nichts macht mehr Spaß! Sätze wie diese sind es meistens, die uns hellhörig werden lassen. Gerade jetzt, wo in Zeiten einer Pandemie immer häufiger die Rede davon ist, dass psychische Erkrankungen exorbitant zunehmen. Ist das noch normal? Ist es vielleicht einfach nur eine Phase? Schließlich kann man nicht immer in derselben Verfassung sein und jedem geht es mal schlecht, manchmal ist einfach die Luft raus. Oder sind es wirklich Anzeichen für eine Depression, mit der wir es zu tun haben? Jetzt ist Vorsicht geboten, wir schauen ganz genau hin und hinterfragen uns selbst. Bilde ich mir das ein? Übertreibe ich es mit meiner Fürsorge?

Wenn Kinder in ihrem Verhalten und/oder in ihren Äußerungen auffällig werden, sind Eltern, Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte alarmiert. Schließlich will niemand schuld daran sein, wenn etwas übersehen wird und ein Kind länger leidet als nötig, bis eine adäquate Therapie oder ähnliches begonnen werden kann.

Unterschied Traurigkeit und Depression

Der Ratgeber „Traurigkeit, Rückzug, Depression“ von Gunter Groen, Wolfgang Ihle, Maria E. Ahle und Franz Petermann (Hogrefe Verlag) hält dazu fest: „Depressionen sind nicht nur unter Erwachsenen weit verbreitet. Auch Kinder und Jugendliche können unter tiefgreifender und anhaltender Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Freudlosigkeit leiden und dadurch in ihrem Alltag und ihrer Entwicklung beeinträchtigt sein.“

Wie unterscheidet man aber nun Traurigkeit von einer Depression? Stark verkürzt: Die Depression ist hartnäckiger und hält länger an. Sie beeinflusst oftmals das ganze Denken. Dazu kommen häufig auch körperliche Symptome wie Müdigkeit und Kraftlosigkeit, bei Kindern auch immer wieder Kopf- oder Bauchschmerzen. Darüber hinaus Reizbarkeit, der Verlust von Interesse an Hobbies und Freunden, Konzentrationsprobleme und Schlafprobleme, um nur noch einige Beispiele zu nennen. Depressionen sind nicht bei allen Menschen gleich, somit auch nicht bei Kindern. Die Depression hat viele Gesichter und zeigt sich nicht immer auf demselben Weg.

Auch im Schul- und Kita-Alltag passiert es immer wieder, dass Kinder auffällig werden. Vermehrte Zurückgezogenheit oder im Gegenteil: Aggression. Häufige Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit oder auch verbale Äußerungen, die eine Veränderung zeigen, machen das Personal dann hellhörig. Im Gespräch mit den Eltern bzw. Erziehungspartnern stellen sich oftmals mögliche Ursachen heraus: Streit zuhause, eine anstehende Trennung, ein Todesfall, um wieder nur ein paar Beispiele anzuführen.

Bleiben Sie Eltern, versuchen Sie nicht, Therapeut zu sein!

Was ist nun zu tun? Es ist ganz normal, dass wir bei dem Gedanken, unser Kind könnte depressiv, psychisch krank sein, Angst bekommen. Zum einen, weil wir wissen, dass psychische Erkrankungen heimtückisch sind, weil man ihre Symptome nicht so einfach behandeln kann wie etwa einen Knochenbruch. Zum anderen sind psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft noch immer ein „Tuschelthema“. Wenngleich sich daran gerade in letzter Zeit einiges zum Positiven verändert hat, weil immer wieder Menschen, auch öffentlich, über ihre Depression sprechen und weil es gesellschaftlich zumindest überwiegend nicht mehr mehrheitsfähig ist, sich über Depressive lustig zu machen. Trotzdem haben psychische Erkrankungen noch immer einen Beigeschmack, der uns allzu oft dazu animiert, das Ganze „klein halten“ zu wollen.

So unangenehm es möglicherweise ist, umso offener und schneller Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen über die Auffälligkeit sprechen, desto schneller kann Abhilfe geschaffen werden. Handelt es sich wirklich „nur“ um eine begründete Traurigkeit, so wird sich dieser Zustand wieder einpendeln und es hat dennoch nicht geschadet, wenn beispielsweise die Lehrerin weiß, warum ein Kind derzeit so ist, wie es ist. Es gibt ihr die Möglichkeit, angemessen zu reagieren, Verständnis aufzubringen. Geht es doch um eine Depression bzw. besteht der Verdacht, so können Eltern und Einrichtungen Hand in Hand ausloten, welche Schritte als nächstes anzuraten wären. Diese nächsten Schritte können ganz unterschiedlich aussehen. Am Beginn steht vermutlich die Vorstellung des Kindes bei einem entsprechenden Fachdienst bzw. einer hierfür kompetenten Stelle. Hier können die Eltern erfahren, wo auch sie gegebenenfalls Hilfe bekommen, etwa dann, wenn sie sich Vorwürfe machen und sie die berühmten Fragen „Warum wir?“ oder „Was habe ich falsch gemacht?“ quälen.

Depressionen könne jede und jeden treffen

Eltern und sonstige Bezugspersonen psychisch kranker Kinder fühlen sich meistens hilflos. Die Kinder brauchen diese Personen jedoch gerade jetzt, auch, wenn sie das nicht zeigen. Was können Sie als Eltern also tun? Bleiben Sie Eltern, versuchen Sie nicht, Therapeut zu sein! Wenn Sie ihr Verhalten auffällig verändern, fällt ein weiteres, stützendes Element weg. Hören Sie zu, wenn ihr Kind mit ihnen spricht, nehmen sie sich in diesen Fällen Zeit, auch wenn es gerade mal nicht passt. Fragen Sie sich: Wie gehen Sie in ihrer Familie mit Schwächen um? Darf man sie offen zeigen oder gar ansprechen, ohne zurückgewiesen zu werden?

Schämen Sie sich nicht für das, was geschieht! Depressionen können jede und jeden treffen, sie werden durch etliche Faktoren ausgelöst, auch durch Vererbung. Es gibt keinen sachlichen Grund, sich zu schämen.

Werden Depressionen als solche erkannt, kann durch professionelle Hilfe viel getan werden, um das Leben aller Beteiligten wieder heller zu machen. Wenden Sie sich im Verdachtsfall vertrauensvoll an die Erzieherin, den Erzieher oder die Lehrkraft Ihres Kindes. Und Sie, als Kollegin oder Kollegen: Nehmen Sie die Sorgen und Gedanken betroffener Eltern und Kinder ernst! Ungeachtet dessen, was am Ende herauskommt, wird die Zusammenarbeit bzw. Erziehungspartnerschaft durch derart offene Gespräche auf eine neue Ebene gehoben, was in jedem Fall zu begrüßen ist.


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