Schwieriges Thema

Mit Kindern über den Tod reden

Den Erwachsenen macht das Thema Angst. Dabei werden wir alle irgendwann damit konfrontiert. Wie Kinder mit dem Tod umgehen und wie Eltern Trauer und Verlust mit ihnen bearbeiten können, beschreibt Erzieher Christian Huber.

veröffentlicht am 16.09.2020

Eigentlich möchten wir Erwachsenen damit nichts zu tun haben. Mit dem Thema Tod wollen wir uns gar nicht erst beschäftigen. Es ist unangenehm, es macht Angst. Vor allem von Kindern und Jugendlichen versuchen wir dieses erschütternde und traurige Thema fernzuhalten. Dabei kommt kein Mensch darum herum. Eines Tages sind wir, oftmals ohne jede Vorwarnung, den Fragen nach Sterben und Tod ausgesetzt. Dann müssen wir uns damit beschäftigen, müssen irgendwie reagieren.

Aber wie geht das? Wie soll man in dieser Situation an die Kinder herantreten, wo man doch selber völlig vor den Kopf gestoßen ist? Hier ist guter Rat oft teuer und Eltern fühlen sich mit ihrem Latein schnell am Ende. Gleich ob es der Tod der Großmutter ist oder das Ableben des geliebten Haustiers: Das Erleben der zerreißenden Wirkung des Todes ist schwer zu ertragen. Ich will deshalb aus meiner Erfahrung als Theologe und Erzieher versuchen, zwei Seiten ein wenig zu beleuchten: einmal uns Erwachsene selbst, denn auch wir leiden unter dem Geschehnis und dürfen trauern, müssen das vielleicht sogar. Auf der anderen Seite die Kinder zu Hause, in der Kita oder in der Schule, die jetzt unsere Unterstützung und unseren Halt dringend benötigen.

Wie soll man sich ein Leben nach dem Tod vorstellen?

Die Auseinandersetzung beginnt im Prinzip schon bei der Frage: Soll ich mich wirklich mit diesem Thema auseinandersetzen? Wird es mich nicht einfach nur traurig machen? Reicht es nicht, wenn ich mir darüber den Kopf zerbreche, wenn es soweit ist? In meinen Augen lohnt es sich sehr, sich im Voraus mit diesem Thema zu beschäftigen. Spätestens dann, wenn Kinder und Jugendliche mit Fragen auf uns zukommen, werden wir froh sein, wenn wir zu diesen Anliegen bereits eine Meinung haben. Um aber zu so einer eigenen Position zu finden, müssen wir uns jedoch einmal an diesen Themenkomplex heranwagen. Vielleicht liegt darin sogar eine Chance. Möglicherweise merken wir, dass es keine durchwegs deprimierende Angelegenheit ist, sondern sogar interessant sein kann. Etwa dann, wenn man beispielsweise im Bereich des eigenen Glaubens neue Schritte wagt. 

Jeder Mensch trägt hinsichtlich der Fragen nach Sterben und Tod und vor allem dem, was danach kommt oder nicht kommt, eigene Ansichten und Annahmen in sich. Diese werden von verschiedensten Seiten geprägt: von unseren Eltern, von Erzieherinnen und Erziehern, unseren Lehrkräften. Vielleicht ist auch von einer Predigt aus der Kirche noch etwas hängen geblieben. Würde man einen Blick in die Geschichte werfen, so würde man schnell feststellen, dass die Menschen, seit sie denken können, mit der Frage nach den „letzten Dingen“ gerungen haben. Eines der bekanntesten Beispiele ist der Totenkult der alten Ägypter, der ganz bildlich darstellt, wie fest man von einem Leben über den Tod hinaus überzeugt war. Doch können wir im 21. Jahrhundert an ein Leben nach dem Tod glauben und wollen wir das überhaupt? Und selbst wenn wir zu einer positiven Antwort kommen: Wie soll man sich sowas vorstellen?

Kinder gehen anders an das Thema heran als Erwachsene

Paulus, der große Apostel und Missionar, hat sich auch mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Nach dem Tod Jesu fühlte er sich dafür verantwortlich Antworten zu geben und den Menschen zu helfen, ihren Glauben zu vertiefen. Seine Gedanken können wir heute in seinen Briefen lesen, die er an die Gemeinden schickte, die er gegründet oder besucht hat. Im ersten Brief an die Gemeinde von Korinth, einer Stadt in Griechenland, beschreibt er den Tod Jesu als Vorbild für uns alle (1 Kor 15). Warum behandelt Paulus dieses Thema wohl in seinem Brief? Nun, die Menschen hatten auch damals schon Zweifel und Schwierigkeiten, sich ein Leben nach dem Tod vorzustellen und daraus Hoffnung zu schöpfen. Ist uns das nicht sehr nah? Wohl nur Wenige können von sich behaupten, keinerlei Angst oder Sorge vor dem Tod und dem, was danach kommt, zu haben. Zu gerne hätten wir Garantien oder zumindest definitive Antworten. Vielleicht ging es Paulus gar nicht anders. Einige Zeilen vorher, im Hohen Lied der Liebe schreibt er, dass unser Denken in der Gegenwart Stückwerk ist, das noch unvollkommen ist. Er verwendet das Bild eines Spiegels, in dem man nur rätselhafte Umrisse sieht (1 Kor 13).

Kinder gehen ganz anders als Erwachsene an dieses Thema heran. Natürlich nehmen sie den Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres wahr, ähnlich wie wir. Doch zugleich tun sie sich viel leichter darin, Antworten für sich zu finden. Sehr häufig nutzen sie, unabhängig von der religiösen Sozialisation, dafür Bilder. Beispielsweise den Himmel, in dem die Oma jetzt ist und auf uns herunterschaut. Oft wird die Oma oder das Haustier, das so vermisst wird, zum Engel, der nun auf uns aufpasst. All diese Bilder und die Vorstellungen, die dahinterstehen, haben eines gemeinsam: Sie verweisen auf ein späteres Wiedersehen bzw. auf eine bleibende Verbindung, wenn auch unsichtbar.

Wie kann man nun mit Kindern den Verlust weiter aufgreifen oder erarbeiten? Eine gute Möglichkeit sind Kinderbücher, die sich mit Sterben und Tod auseinandersetzen. Sie ermöglichen es den Kindern, Bilder zu ihren Gedanken zu entwickeln oder stellen auch Worte zur Verfügung, durch die Vorstellungen formuliert und ausgesprochen werden können. Manchmal führen Geschichten dazu, dass Kinder einen Perspektivenwechsel vornehmen, also in eine andere Rolle schlüpfen. So fällt es ihnen leichter, ihre eigenen Gefühle nach außen zu transportieren.

Rituale geben Kindern Trost

Eine weitere Möglichkeit sind Rituale. Für uns Erwachsene sind Rituale beim Gedenken an Verstorbene oft sehr wichtig und geben Halt, wie etwa Kerzen vor dem Foto des Verstorbenen oder das Beten vorm Schlafengehen. Auch Kinder lassen sich vom bildhaften Charakter von Ritualen sehr gut ansprechen. Finden Sie kreativ und phantasievoll Formen, die für Ihre Familie passen und stimmig sind. Vielleicht können Sie gemeinsam einen Ort gestalten, wo an den Verstorbenen gedacht wird. Die Kinder legen dort vielleicht Geschenke oder Bilder ab, um ihre Zuneigung auszudrücken. Auch ein zusammen gesprochenes Gebet oder das gemeinsame Augenschließen und das Denken an den Verstorbenen kann eine schöne Erfahrung sein und Trost spenden.

Ich wünsche uns allen, dass wir diesem Thema möglichst ohne Berührungsängste begegnen und viel Kraft, wenn es aktuell wird. Wir allen wünschen uns einen Ort ohne Dunkelheit, ohne Trauer und Klage, wo es keine Tränen und keinen Tod mehr gibt. Vielleicht können wir auch im 21. Jahrhundert die Hoffnung darauf wachhalten. In der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch der Bibel, heißt es im Kapitel 21: „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“

 

Zum Weiterlesen: „Gibt es ein Leben nach dem Tod? Kinder fragen – Forscherinnen und Forscher antworten“ von Albert Biesinger, Helga Kohler-Spiegel, Simone Hiller (Kösel Verlag, € 18,00)



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