Lebensgeschichten

Warum Kinder die Heiligen lieben

Heilige sind Menschen, die aufgrund ihrer engen Beziehung zu Gott etwas von ihm auf Erden anschaulich machen. Klingt kompliziert? Christian Huber ist Theologe und Erzieher und erklärt's. Außerdem beschreibt er, was Kinder an diesen Personen fasziniert.

veröffentlicht am 13.05.2021

Martin, Nikolaus, Franz von Assisi, Johannes Don Bosco, Elisabeth von Thüringen, Lucia und natürlich Maria, die Mutter Jesu: Die Verehrung von Heiligen spielte in der Tradition der Kirche schon früh eine bedeutende Rolle. Doch ist das heute noch zeitgemäß? Wer glaubt noch an den Nikolaus? Und: Was ist ein Heiliger überhaupt? Und warum kommen die Lebensgeschichten von Heiligen bei Kindern oft gut an?

Heilige sind Menschen, keine Engel. Es sind Menschen, die aufgrund ihrer engen Beziehung zu Gott etwas von ihm auf Erden anschaulich machen – unabhängig davon, ob sie vor vielen Jahrhunderten gelebt haben oder in jüngster Zeit. Eine moderne Heilige, die aufgrund ihres unermüdlichen Einsatzes für die Armen weltweit bekannt wurde, ist beispielsweise Mutter Teresa. Auch sie war ein Mensch, war nicht „perfekt“. In der Auseinandersetzung mit ihrem Leben und ihrem Wirken ist sie nicht unumstritten. Ihre Suche nach Gott und dem Platz Gottes in ihrer Seele aber ließen sie ihr einzigartiges Charisma ausstrahlen. Sie holte Schwerkranke, sterbende Menschen in eines ihrer Häuser. Die, die gelebt hätten wie Tiere, hätten sterben dürfen wie Engel – so formulierte sie es selbst einmal. Hier zeigt sich im Leben der Mutter Teresa ein Wesenszug Gottes: das Sorgen und Nachgehen hinter jedem einzelnen Menschen bis zum Ende.

Wir bitten die Heiligen, unsere Anliegen vor Gott zu bringen

Im Leben jedes Heiligen lässt sich etwas feststellen, was die Menschen auf Gott verwies. Das ist es, was die Heiligen ausmacht und was sie zu Heiligen macht: Ihr Leben verweist auf Gott, sichtbar und spürbar für Menschen, die den Heiligen in irgendeiner Weise begegnen. Aufgrund ihrer engen Beziehung zu Gott, der durch die Heiligen in unsere Welt hineinwirken möchte, geht die Kirche davon aus, dass diese enge Verbindung auch über den Tod hinaus, eben ins ewige Leben hinein weiterwirkt. Das ist der Grund dafür, dass wir an Heilige wie zum Beispiel unsere Namenspatrone denken und ihre Gedenktage feiern. Dabei ist es nicht so, wie man häufig missverständlich hört, dass katholische oder orthodoxe Christen die Heiligen anbeten. Es geht vielmehr darum, sie zu bitten, für uns zu beten, unsere Sorgen gemeinsam mit uns vor Gott zu bringen.

Ich glaube, dass es in unser aller Leben Situationen gibt, in denen wir uns wünschen, dass jemand mitgeht. Ein unangenehmer Termin, eine schwere Aufgabe, ein Ereignis, deren Ausgang noch ungewiss ist und das uns deshalb vielleicht Angst macht oder Sorgen bereitet. Es kann sehr viel helfen, wenn dabei jemand mitgeht, unsere Hand hält. Wieso soll das nicht auch im geistlichen oder spirituellen Leben so sein?

Wenn wir an den Umgang mit den Heiligen auf diese Weise herangehen, können sie für uns wie eine Stütze sein, wie gute Freunde. Vielen Menschen hilft es auf ihrem Glaubensweg sehr, eine Figur zu haben, die ihnen ganz nahe zu sein scheint. Dessen oder deren Leben greifbar ist, mit allen Sorgen und Nöten, die auch zum Leben von Heiligen dazugehören. Dabei geht es nur ein Angebot, niemand muss die Heiligen in besonderer Weise verehren.

Kinder sind fasziniert vom Leben der Heiligen

Bei meiner Arbeit in der Kita merke ich immer wieder, dass die Heiligen gerade auf Kinder eine besondere Anziehungskraft ausüben. Für sie sind die Heiligen oft glänzende Gestalten, deren Leben und Wirken sie tief berührt und fasziniert. Es lohnt sich, zum Beispiel das Leben des Heiligen Don Bosco, des Patrons der Jugend, etwa mit Hilfe des Erzähltheaters Kamishibai zu erarbeiten. Don Bosco steht fest hinter und neben benachteiligten jungen Menschen. Das bietet viele Möglichkeiten, um mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Auch ist es eindrucksvoll, wenn etwa Martin vor dem armen Bettler steht, sein Schwert zieht und den Mantel mit diesem teilt, mit allen Konsequenzen. Ich erinnere mich an so manchen Stuhlkreis, der nicht enden wollte, solange nicht jede und jeder einmal die Rolle des Heiligen spielen durfte.

Ähnlich verhält es sich mit dem alljährlichen Nikolausritual. Es gehört zum festen Bestandteil der religiösen Erfahrung von Kita-Kindern. Zudem ist das Nikolausfest durch die Kommerzialisierung mit Schoko-Nikoläusen und vergleichbaren Produkten auch für Menschen anderer Religionen und Konfessionslosen allgegenwärtig. Auch in der Kita oder Grundschule sind nicht alle Kinder religiös oder kirchlich sozialisiert. Was also tun? Sollen Kinder mit anderen Religionen oder Weltanschauungen an solchen eindeutig christlichen Ritualen teilnehmen? Oder sollte man für sie stattdessen ein alternatives, neutrales Angebot machen? In meinen Augen wäre das nicht der richtige Weg. Denn worum geht es beim Nikolausritual? Es geht nicht um eine missionarische Tätigkeit, in deren Verlauf Kindern etwas „eingetrichtert“ wird. Vielmehr steht Solidarität im Vordergrund, ein Wert, der für alle Religionen und über die Religion hinaus von größter Bedeutung ist. Wäre es für Kinder nicht eine Erfahrung von Ausgrenzung, wenn man sie hiervon ausschließen würde? Und ist es nicht so, dass sie auch dann, durch die begeisterten Erzählungen der anderen Kinder, mit der Thematik in Berührung kämen?

Verknüpfungen zum eigenen Leben herstellen 

Egal, wie man zu diesen Fragen steht: Das Erarbeiten des Gedenktages und die Feier selbst geben den Kindern die Möglichkeit, Bilder und Eindrücke zu sammeln. Diese brauchen sie, um selbst als Konstrukteur ihrer eigenen Gedankenwelt tätig zu werden und Verknüpfungen zum eigenen Leben und Alltag herzustellen. In ähnlicher Weise gilt dies auch für die Beschäftigung mit anderen Heiligen – wie Martin, Franz, Don Bosco, Elisabeth, Lucia oder Maria.

Heiligenkalender

Informationen zu Heiligen mit Suchfunktion finden sich im Heiligenkalender von katholisch.de und im Ökumenischen Heiligenlexikon.


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