Mitten aus dem Familienalltag

Die Sache mit der Konzentration: Den Glauben an die Kinder nicht verlieren

Schule, Lernen, Konzentration – diese Themen beschäftigen Familie Schnelle 365 Tage im Jahr. Trotz Phasen der Selbstzweifel versuchen die Eltern, sich und ihre Kinder nicht unter Druck zu setzen. Denn sie wissen: Irgendwann klappt’s.
  • Stephan Schnelle

veröffentlicht am 07.05.2024

Wirklich ruhig ist es bei uns Zuhause nie. Eines der Kinder hat immer ein Problem, es gibt Playdates, der Hund bellt, der Wäschetrockner piepst oder ein Instrument wird geübt. Unser Alltag mit sieben Kindern im Alter von 8 bis 18 Jahren ist laut – und um es vorweg zu sagen: Wir haben es genau so gewollt, uns bewusst für die Großfamilie entschieden, und wir lieben es. Dennoch stellt uns der Alltag oft vor Herausforderungen.
 
Seit 13 Jahren ist „Schule“ unser Stressfaktor Nummer 1. Schule beschäftigt uns an 365 Tagen im Jahr, denn irgendeine Hausaufgabe ist immer noch schnell zu erledigen, Referate müssen geschrieben werden, PowerPoint-Präsentationen erstellt, Vokabeln gelernt oder Schulmaterialen besorgt werden. Gefühlt gibt es also Hunderte von schulischen Fragen, mit denen uns unsere Kinder Tag für Tag löchern, und wir haben aufgehört, zu zählen, wie oft das Wort „Mama“ am Tag erklingt.

In „Ruhe“ und „selbst“ – zwei Komponenten, die bei uns nicht funktionieren

Mehr oder weniger geduldig versuchen wir, auf die Fragen der Kinder einzugehen. Alle gleichzeitig zu beantworten, klappt aber nicht. Daher heißt es bei uns oft: „Versuch doch erstmal selbst, in Ruhe eine Antwort zu finden?“ In „Ruhe“ und „selbst“ – zwei Komponenten, die bei uns nicht funktionieren. Unseren Kindern fällt es schwer, sich zu konzentrieren und Aufgaben selbstständig zu lösen. Auch wenn unsere Töchter und Söhne je einen Rückzugsort und einen eigenen Schreibtisch haben, nutzen sie sie kaum. Am liebsten sind sie dort, wo das Leben spielt. Es gibt Hunderte Ablenkungen. Dafür braucht es bei uns im Haus nicht mal das Daddeln auf dem Smartphone, das ja nicht wenige „verteufeln“, wenn es um das Thema Konzentration geht.
 
Auch im Unterricht in der Schule selbst, scheint es mit Aufmerksamkeit, Interesse und Konzentration bei unseren Kindern nicht so recht zu klappen. „Habt ihr das nicht in der Schule erklärt bekommen“, fragen wir unsere Kinder dann und bekommen immer die gleiche Antwort: „Nein. Wir hören das alles zum ersten Mal.“ Wer es glauben kann, der glaube.

Druck ist ein schlechter Ratgeber

Als Eltern gelingt es uns nicht immer, gelassen mit diesen Herausforderungen umzugehen. Nicht selten fragen wir uns, was wir falsch machen, dass unsere Kinder das mit der Konzentration und dem Lernen nicht auf die Kette kriegen. Selbstzweifel breiten sich aus und manchmal streiten wir miteinander darüber, was bei uns schulisch alles schiefläuft. Das kann schnell dazu führen, dass wir uns selbst und unsere Kinder unter Druck setzen. Druck ist ähnlich wie Angst ein schlechter Ratgeber und steht einer guten Entwicklung im Weg. Wir wissen, dass unsere Kinder weder unbegabt, verhaltensauffällig oder unmotiviert sind. Täglich versuchen wir als Eltern deshalb, nicht in die Falle des Drucks zu geraten und vielmehr alles daran zu setzen, sie bestmöglich zu unterstützen und dabei zu begleiten, das Lernen zu lernen.
 
Im System Schule findet dies unverständlicher Weise nicht statt. Auch deshalb muss man sich kümmern und die Zügel in die Hand nehmen. Bei uns konkret bedeutet das, dass wir täglich mit unseren Kindern im Gespräch sind. Wir wissen, woran sie in der Schule arbeiten und versuchen, ihr Interesse darauf hin zu leiten. Wir versuchen, wo immer es geht, einen Praxisbezug herzustellen und sie in die Lage zu versetzen, selbst Lösungen zu finden. Das ist mühsam, keine Frage. Aber es lohnt sich. Wir erleben, dass sich irgendwann der Schalter im Kopf der Kinder umlegt und es mit der Konzentration und dem Lernen klappt. Es ist ein Prozess und es braucht Zeit.
 
Aus unserer begrenzten Erfahrung können wir nur zur Gelassenheit ermutigen. Glauben Sie an Ihre Kinder. Halten Sie dem Druck stand. Ermutigen Sie und begleiten Sie Ihre Kinder. Die Fähigkeit zur Konzentration wächst und ist in jedem grundgelegt.

Portrait Stephan Schnelle

Stephan Schnelle lebt mit seiner Frau, seinen sieben Kindern, Hund und Katze in Rheinland-Pfalz. Der 42-Jährige ist Pressesprecher und Leiter der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Limburg.


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