Großer Schritt

Eingewöhnung: So klappt die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Kita

Die ersten Tage in der Kinderkrippe oder im Kindergarten sind ein Neuanfang – für Kinder, Eltern und die pädagogischen Fachkräfte. Coachin und Pädagogin Ursula Günster-Schöning wirbt im Interview für gegenseitiges Verständnis.

veröffentlicht am 05.09.2022

Wenn Eltern ihre Kinder in die Krippe oder den Kindergarten geben, müssen sie meist noch weitgehend unbekannten Personen großes Vertrauen entgegenbringen. Was bedeutet das für das Verhältnis von Eltern zu Erzieherinnen und Erziehern?
Ich finde hier vier Schlagworte sehr treffend: einlassen, zulassen, loslassen und aushalten. Ich komme als Mutter oder Vater mit einer gewissen Erwartung in die Einrichtung und muss es dann zulassen können, diese Erwartung ein bisschen zurückzuschrauben und erstmal zu gucken, was da gerade passiert. Kinder haben ihr ganz eigenes Tempo und ihre eigene Geschwindigkeit, um sich auf neue Menschen einzulassen. Eine Erzieherin oder ein Erzieher sind nun mal fremde Menschen. Auch die Eltern müssen sich erstmal auf die neue Fachfrau einlassen, die da vor ihnen steht.

Es ist gut, dabei Gutes zu unterstellen. Jede Mutter und jeder Vater kann davon ausgehen, dass jedes Kind mit Wohlwollen angeschaut wird. Erzieherinnen und Erzieher schauen auch im Vorfeld, was das Kind braucht, damit es gut ankommen kann. Parallel schauen pädagogische Fachkräfte immer auch auf die Eltern. Denn sie wollen gemeinsam mit den Eltern eine sanfte Brücke bauen, damit die Kinder gut in der Einrichtung ankommen.

Trotzdem tun sich Eltern nicht immer ganz leicht damit, loszulassen. Wie können Mütter und Väter mit dieser Situation besser umgehen?
Es ist gut, wenn die Eltern das schon zuhause vorbereiten. Es gibt viele Einrichtungen, die vorher schon Kontakt mit den Eltern aufnehmen. Einige laden zu einem Vorgespräch ein, andere machen Hausbesuche und bringen ein Heftchen von der Krippe mit, in dem das Kind vorab Bilder von den pädagogischen Fachkräften und den Räumen sehen kann. Wenn es dann los geht, sollte man vom eigenen Kind und den Erzieherinnen und Erziehern nicht zu viel verlangen. Als guter Begleiter schieben Mama oder Papa das Kind nicht an, sie ziehen es aber auch nicht hinter sich her. Sondern „gehen“ wachsam und achtsam neben dem Kind her, begleiten es also, und gucken, was das Kind jetzt gerade braucht. Die Erzieherinnen und Erzieher sagen oft auch, was man tun soll: ob man sich einbringen kann, ob man beteiligt wird oder ob man sich vielleicht auch erstmal zurücknehmen sollte.

Bewährt hat sich im Alltag, auf das eigene Kind zu vertrauen. Wenn ein Elternteil dabei ist, ist er ja der sichere Hafen. Und wenn das Kind dann möchte, kann es auch jederzeit zur Mama oder zum Papa zurückgehen. Wenn es mitbekommt, meine Mama und mein Papa finden das hier echt gut und die finden auch die Erzieherinnen gut, dann kann das Kind, das sehr gut in den Alltag mit hinübernehmen und sich einlassen. Sonst bleibt es eher in einem „Sicherheitsmodus“.

Auch für Pädagoginnen und Pädagogen ist es eine sehr besondere Situation, wenn Kinder neu in die Einrichtung kommen. Wie ist das für die Erzieher?
Jedes Kind ist immer wieder eine kleine Schatzkiste. Man weiß nie, was drin ist. Und genau so bereiten sich die Kitas und das Kitapersonal darauf vor: Was weiß man über die Familie? Man hat vielleicht ein Aufnahmegespräch geführt und einen ersten Eindruck gewonnen. Welche Vorlieben hat das Kind und was braucht es vielleicht auch an Übergangsobjekten? Vielleicht ein Schnuffeltuch oder ein T-Shirt von Mama, um nochmal daran zu schnuppern. Das wird alles abgestimmt. Außerdem müssen pädagogische Fachkräfte sich auch auf die Eltern einlassen und sich Zeit dafür nehmen. Jede Mutter und jeder Vater hat wie das Kind auch sein eigenes Tempo, loslassen zu können.

Manchmal geht es Eltern auch zu langsam.
Es ist wirklich gut, im Vorfeld Zeit einzuplanen für die Eingewöhnung, damit nicht der eine die Erwartung hat, es muss jetzt zu Ende sein, während der andere sagt, das Kind braucht aber noch ein bisschen. Wichtig ist die Grundhaltung: geteilte Verantwortung fürs Kind bedeutet doppelter Gewinn fürs Kind. Beide wollen es gut machen für das Kind, aber beide sind unterschiedlich. Die Mutter hat ein ganz enges emotionales Band. Die Erzieherin hat die nötige Distanz und kann daher manchmal eher sehen, wenn ein Kind signalisiert, ich bin so weit hier zu bleiben, habe Bindung zur Erzieherin aufgebaut. Wenn ein Kind sich beispielsweise von der Erzieherin recht schnell trösten lässt, wenn die Mutter den Raum verlässt, ist das ein gutes Zeichen für „Angekommen-Sein“. Dann ist die Eingewöhnung meistens so gut wie abgeschlossen.

Auf welchem Weg suchen Eltern am besten das Gespräch mit den Erzieherinnen und Erziehern?
Am besten immer offen, ehrlich und wertschätzend. Und dann kommt es darauf an, was ich besprechen möchte. Wenn es um das Kind geht, wenn man sich vielleicht Sorgen um irgendetwas macht, würde ich den Eltern immer raten, ein persönliches Gespräch zu suchen. Solche Themen eigenen sich nicht für Tür-und-Angel-Gespräche. Denn die Kinder sind dabei und hören, dass über sie gesprochen wird, und andere Eltern schnappen etwas auf. Solche Gespräche brauchen einen intimen Rahmen, in dem man sich in Ruhe austauschen kann. Die Erzieherinnen und Erzieher sind auch immer offen für solche Gespräche. Sie haben manchmal eine andere Wahrnehmung vom Kind als die Eltern zuhause, weil ein Kind sich in unterschiedlichen Lebenswelten auch unterschiedlich zeigen kann. Tür-und-Angel-Gespräche sind für den kurzen Austausch da. Man berichtet kurz, was heute war, und bringt sich gegenseitig auf den nötigen Kenntnisstand.

Wie sollten Eltern vorgehen, wenn es einmal wirklich Kritik an der Arbeit der Einrichtung gibt oder wenn sie die Sorge haben, dass in der Kita etwas nicht richtig läuft?
Auch wenn es mal irgendwas gibt, worüber man sich vielleicht geärgert hat, oder ein Verhalten einer Fachkraft das man als irritierend empfand, kann und sollte auch das angesprochen werden. Ich würde Eltern raten, das in der Ich-Form zu machen. Zum Beispiel: „Das macht gerade was mit mir, ich kann das so nicht stehen lassen. Ich würde gerne mit Ihnen darüber sprechen.“ Wenn ich immer von mir selbst spreche, ist es keine Anklage.

Wenn ich als Mutter eine Grenzüberschreitung sehe – vielleicht wurde ein Kind heftig angefasst oder zu laut und heftig angesprochen, weil es eine Stresssituation in der Kita gab – dann ist es nicht gut, rauszugehen und das mit anderen Müttern auf dem Parkplatz zu besprechen. In solchen Situationen ist es besser, um ein Gespräch zu bitten. Denn die Sorge, dass das vielleicht auch mit dem eigenen Kind passiert, ist ja berechtigt. Die Eltern können erstmal die Erzieherin selbst ansprechen oder auch darum bitten, dass die Kitaleitung dazu kommt. Auch dabei ist es wichtig, daran zu denken, dass man nicht weiß, in welchem Kontext das passiert ist. Es gibt immer unterschiedliche Wahrnehmungen und Sichtweisen.

Auch wenn es manchmal kritische Dinge zu besprechen gibt: Die meisten Eltern sind sehr dankbar für das, was das pädagogische Personal leistet. Wie können sie das angemessen zum Ausdruck bringen? Worüber freuen sich die Pädagoginnen und Pädagogen?
Ich persönlich muss ganz ehrlich sagen: Große Geschenke braucht es eigentlich nicht. Das sind pädagogische Fachkräfte, und das ist ihr Job, für den sie bezahlt werden. Wenn man ihnen jedoch Anerkennung schenken möchte und Wertschätzung, finde ich persönlich es viel besser, das im Alltag zu tun und für kleine Glücksmomente zu sorgen. Das kann ein schönes Kompliment sein, weil man gesehen hat, dass es gerade ein richtig heftiger Tag war. Dann kann ich das als Mutter zurückmelden, wie zum Beispiel: „Mein Gott, wie schafften Sie das nur. Ich habe heute morgen gesehen, eine Kollegin war krank. Und Sie haben trotzdem für mein Kind hier einen tollen Tag gestaltet. Ganz herzlichen Dank dafür!“ Das sind kleine Glücksmomente, denn die Erzieherin geht wahrscheinlich mit einem Glücksgefühl nach Hause. Oder auch sonst Kleinigkeiten sehen und wertschätzen.

Wenn man als Mutter oder Vater am Wochenende vielleicht mit den Kindern Steine bemalt hat, dann kann das Kind der Erzieherin am nächsten Tag einen mitbringen. Es muss nicht immer etwas kosten. Es sind manchmal diese kleinen Anerkennungen im Alltag, durch die Fachkräfte merken, dass ihre Arbeit gesehen wird. In Deutschland, schauen wir leider immer schnell auf den Mangel. Wenn Eltern sich daher vielleicht über etwas ärgern, können sie immer noch einmal überlegen, ob es wirklich wichtig ist, das anzusprechen. Oder ob sie gegebenenfalls auch wohlwollend drüber weggucken können. Wie ich am Anfang sagte: Gutes unterstellen, Wohlwollen. Jede Erzieherin und jeder Erzieher gibt in dem Moment gerade das Beste, was er kann, genauso wie jede Mutter oder jeder Vater immer versucht das Beste zu geben. Doch an manchen Tagen ist leider manchmal nicht mehr drin. Wenn beide Seiten sich in ihrer Rolle und in ihrem Tun ernst nehmen und zum Wohl des Kindes miteinander kooperieren, dann ist eine gute Basis gelegt, damit das Kind in der Kita einen guten Weg gehen kann.

Porträt Ursula Günster-Schöning

Ursula Günster-Schöning berät als systemischer Coach und pädagogische Koordinatorin Teams in Kindertageseinrichtungen und begleitet Veränderungsprozesse. Als staatlich anerkannte Sozialfachwirtin und Erzieherin war sie 20 Jahre selbst im Bereich der Elementarpädagogik tätig, davon 16 Jahre als Kitaleitung.


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