Verschiedene Erziehungsstile
Papa sagt nein: Was Eltern tun können, wenn sie sich nicht einig sind
Mama sagt ja, Papa nein. Ist das ein Problem? Zwei Paare berichten, wie sie mit unterschiedlichen Meinungen in der Erziehung umgehen, welche Rolle Kommunikation dabei spielt und wie ein harmonisches Miteinander im Sinne der Kinder gelingt.
veröffentlicht am 29.10.2025
Kaum eine Familie kommt ohne Diskussionen über Erziehungsfragen aus – vor allem dann, wenn Mutter und Vater unterschiedliche Temperamente und Vorstellungen vom Umgang mit den Kindern haben. Die Beispiele von Heidrun und Michael sowie Julia und Konrad zeigen: Unterschiede können zwar Reibung erzeugen, machen das Familienleben aber auch bunter – und bieten echte Chancen, wenn Paare lernen, ihre Stärken zusammenzubringen und gemeinsame Wege zu finden.
Heidrun und Michael: Zwei Erziehungsstile im Familienalltag
Heidrun und Michael, beide Mitte 40, haben drei Kinder im Alter von sechs, neun und elf Jahren. Die fünfköpfige Familie lebt ländlich, mit großen Garten, Hund und Hühnern. Lange Zeit herrschte bei ihnen die klassische Rollenverteilung: Er arbeitete Vollzeit, war als Hauptverdiener beruflich viel unterwegs, sie kümmerte sich um Haushalt, die beiden Töchter und den kleinen Sohn. Doch nun hat sich die Situation geändert.
Seit Kurzem arbeitet Heidrun wieder 15 Stunden. Damit das funktioniert, hat Michael seine Homeoffice-Zeiten und seinen Anteil an der Care-Arbeit erhöht. „Wer daheim ist, bringt die Kinder zur Bushaltestelle, übernimmt mittags das Kochen und kümmert sich um die Hausaufgaben“, erzählt er. Während Michael lernen muss, neue Aufgaben zu übernehmen, muss Heidrun eingespielte Routinen loslassen. Auch die Kinder packen jetzt mehr mit an. Es ist für alle ein Lernprozess.
Im neuen Familienalltag treten nun auch die unterschiedlichen Erziehungsstile der beiden Elternteile deutlicher zu Tage. Das liefert Stoff für Diskussionen. „Ich bin eher locker, bei mir gibt es viele Grauzonen. Michael dagegen braucht Struktur“, sagt Heidrun. Michael bestätigt das: „Ich sage den Kindern vorher, was ich erwarte. Wenn ich drei Mal gegen die Wand rede, greife ich durch.“ Trotz ihrer Unterschiede funktionieren sie als Team – und mehr noch: Heidrun ist froh, wenn Michael eine Situation übernimmt. Denn manchmal fehle ihr schlicht die Energie im trubeligen Familienalltag.
Julia und Konrad: gleichberechtigte Erziehung von Anfang an
Julia und Konrad (35 und 39) sind Eltern eines achtjährigen Sohnes und einer fünfjährigen Tochter. Sie leben mit ihrer Familien in einem Neubauhaus auf dem Dorf und sind auf einen nachhaltigen Lebensstil bedacht. Von Anfang an haben sie alles gleichberechtigt aufgeteilt. Vom Job bis hin zu Care-Arbeit und Kindererziehung. „Uns war wichtig, dass beide Partner gleich viel Zeit mit den Kindern verbringen und sich zu gleichen Teilen einbringen können“, sagt Julia.
Sie sieht sich selbst als die Strengere: „Ich merke, dass es manchmal besser ist, einen Schritt nach hinten zu gehen.“ Denn Konrad sei ausgeglichener, geduldiger – „und das wirkt oft besser.“ Julia profitiert von Konrads Geduld: „Er lässt die Dinge häufig laufen. Ich habe dadurch gelernt, etwas lockerer zu lassen.“
Persönliche Werte und Haltungen beeinflussen, was Eltern weitergeben
In beiden Familien geht es nicht nur um Regeln, sondern um Grundhaltungen, die beide Paare ihren Kindern vermitteln möchten. Wertschätzung, Sorgfalt und Respekt stehen für sie an oberster Stelle. „Wenn ein neues Spielzeug schnell kaputt geht, sprechen wir über den Wert der Dinge“, erzählt Heidrun. „Einmal habe ich unserer Tochter gezeigt, wie viele Minuten sie dafür arbeiten müsste. Das hat Eindruck gemacht.“
Julia ergänzt: „Wir sprechen mit unseren Kindern über das, was draußen in der Welt passiert. Sie sollen lernen, Dinge zu hinterfragen – und nicht alles hinzunehmen.“ Der Umgang mit Tieren, Achtsamkeit im Alltag, ein freundlicher Tonfall untereinander – all das fließt in die Erziehung der Kinder ein. „Wir möchten unseren Kindern helfen, zu freundlichen, rücksichtsvollen Menschen heranzuwachsen“, sagt Heidrun.
Beide Paare wollen Streit vor den Kindern möglichst vermeiden
Ein Punkt ist für beide Paare zentral: Diskussionen vor den Kindern vermeiden. „Vor den Kindern streiten bringt nichts – sie nutzen das zu ihren Gunsten aus“, erklärt Michael. Julia und Konrad stimmen zu: „Wir sprechen grundsätzlich nicht vor den Kindern aus, wenn wir uneins sind. Das verunsichert sie nur.“ Lieber suchen sie hinterher das Gespräch unter vier Augen miteinander. Michael zieht sich als Vater aus der Situation heraus, wenn er mit Heidruns Entscheidung nicht mitgehen kann und spricht es später an.
Ganz verbergen könne man aber eine Disharmonie nicht. Muss man auch nicht, findet Heidrun. „Kinder dürfen ruhig merken, dass Erwachsene nicht immer einer Meinung sind. Aber sie müssen sehen, wie wir respektvoll damit umgehen.“ Sie selbst achtet darauf, Konflikte nicht zu verstecken, sondern bis zu einer gewissen Grenze ehrlich anzusprechen. Dabei dürfe aber die Loyalität zum Partner nie in Frage gestellt werden – auch das wüssten Kinder nur allzu schnell für sich auszunutzen, stellt sie fest.
Kommunikation als Schlüssel für ein gelingendes Miteinander
Der Schlüssel zum Gelingen? Der liegt für beide Paare in steter Kommunikation und gegenseitigem Vertrauen. „Wir sprechen uns ab, wenn es um wichtige Entscheidungen geht“, erklärt Konrad. Viele Dinge funktionieren bei ihnen sogar ohne große Worte. Ein Glücksfall: „Wir ticken sehr ähnlich, darum läuft vieles intuitiv.“
Auch Heidrun und Michael erleben gerade (…) wie wichtig es ist, miteinander im Austausch zu bleiben. In den Jahren ihrer Beziehung und ihres Familienlebens haben beide gelernt: Verschiedene Ansichten zu haben, ist völlig in Ordnung, solange man miteinander redet und sich auf den anderen verlassen kann. Ihre Unterschiedlichkeit empfindet das Paar als Gewinn.
Gesellschaftlicher Ausblick
Julia und Konrad wissen, dass ihr Modell von fairer Aufteilung zwischen Job und Familie nicht selbstverständlich ist. „Wir schätzen es sehr, dass wir uns so flexibel aufteilen können“, erklärt Konrad. „Und wir wünschen uns, dass das in Zukunft mehr Familien möglich gemacht wird – durch faire Bezahlung und flexible Arbeitszeiten.“ Denn dann, würde unter Eltern vielleicht häufiger gleichberechtigte Kommunikation stattfinden, die am Ende der ganzen Familie zugutekommt.
Tipps für Eltern
Jedes Elternteil bringt eigene Erziehungserfahrungen, Werte und Temperamente mit. Entscheidend ist nicht, dass beide immer einer Meinung sind, sondern wie Eltern mit den Unterschieden umgehen.
1. Konflikte schaden, wenn sie ungelöst bleiben
Wiederholte, ungelöste Streitigkeiten über Erziehung belasten und verunsichern Kinder. Vor allem, wenn Meinungsverschiedenheiten offen vor dem Kind austragen werden oder sich Eltern gegenseitig untergraben.
2. Kinder spüren Uneinigkeit
Sie merken früh, wer in bestimmten Fragen strenger oder nachgiebiger ist – das ist normal. Problematisch wird es erst, wenn Eltern einander massiv widersprechen oder das Kind gezwungen wird, selbst zu entscheiden, welchem Elternteil es folgen soll.
3. Klare Linie – aber keine Gleichschaltung
Eltern müssen nicht alles gleich handhaben. Verschiedene Erziehungsstile können sich ergänzen, wenn sie respektvoll kommuniziert und abgestimmt werden. Wichtig ist eine gemeinsame Grundhaltung bei zentralen Fragen wie Wertschätzung, Grenzen und Gewaltfreiheit.
4. Kommunikation ist der Schlüssel
Wichtig ist, dass Eltern sich ohne Beisein des Kindes verständigen. Etwa in dem sie abends in Ruhe über gemeinsame Ziele und grundlegende Werte sprechen. Auch Kompromisse sind sinnvoll: Eltern müssen nicht immer alles gleich sehen, aber sie sollten vor den Kindern unterstützen und nicht widersprechen.
5. Hilfe holen ist ein Zeichen von Stärke
Wenn Konflikte eskalieren oder sich im Kreis drehen, ist pädagogische Beratung eine hilfreiche Entlastung. Familien- und Erziehungsberatungsstellen helfen dabei, gemeinsame Werte herauszuarbeiten, Perspektivwechsel zu ermöglichen und eine funktionierende Erziehungspartnerschaft zu entwickeln.





