Übergewicht

Abnehmen ohne Druck

Das Projekt „Down and Up“ hilft übergewichtigen Kindern und Jugendlichen, gesünder zu leben. Einmal in der Woche treffen sich die Teilnehmenden, um Sport zu machen, zu kochen, zu essen und zu reden. Leiterin Stephanie Penz erklärt, worum es noch geht.

veröffentlicht am 30.09.2023

Wieso sind immer mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig?
Es gibt verschiedene Risikofaktoren. Häufig steht eine familiäre Belastung dahinter. Viele Kinder haben übergewichtige Eltern. Dazu kommt der Bewegungsmangel. Viele Kinder und Jugendliche verbringen ihre Freizeit ohne körperliche Betätigung, sitzen vor dem Fernseher oder am Computer. Und natürlich schlechte Ernährungsgewohnheiten: zu viel, zu einseitig, zu viel Zucker und Fett. In vielen Familien fehlen regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten oder die Hauptmahlzeit findet erst am Abend statt.

Wie helfen Sie den Kindern, ihre Gewichtsprobleme in den Griff zu kriegen?
Wir setzen an mehreren Stellen gleichzeitig an. Zu Beginn gibt es eine Untersuchung mit Muskelfunktionstest, Blutabnahme und ausführlichem Gespräch, um zu schauen, wie es den Kindern und Jugendlichen geht und um krankhafte Ursachen für das Übergewicht auszuschließen. Gemeinsam entwickeln wir dann einen individuellen Plan. Die Teilnehmenden werden von einem interdisziplinären Team aus Medizinern, Psychologen, Pädagogen, Sport- und Ernährungswissenschaftlern, sowie Diätologen begleitet.

Wie läuft dieses Jahr ab?
Die Kinder und Jugendlichen kommen ein Schuljahr lang, einmal pro Woche für drei Stunden zu uns. In altersgemischten Gruppen lernen sie viel über gesunde Ernährung, machen Bewegung und nehmen an pädagogischen und psychologischen Einheiten teil. Wir kaufen ein, kochen und essen zusammen. Wir schwimmen und tanzen, machen Bewegungsspiele und sind draußen in der Natur unterwegs. Die Teilnehmenden sollen ohne Abnehmdruck lernen, wieviel Spaß gesundes Essen und Bewegung machen können. Wenn sie es schaffen, ihr Gewicht zu halten, während sie weiterwachsen, kommen sie langfristig wieder in einen normalen Bereich.

Was und wie sollten die Kinder und Jugendlichen essen?
Wir empfehlen regelmäßige Mahlzeiten mit einer kalorienreduzierten Mischkost und gesunden Kohlenhydraten. Eine Portion richtet sich nach der Handgröße des Kindes. Also eine Handfläche voll Fleisch, eine Handvoll Kartoffeln oder Reis, zwei Handvoll Gemüse, ein Apfel oder eine Banane oder zwei Portionen Beerenobst. Salat können sie so viel essen, wie sie wollen. Allerdings mit selbstgemachtem Dressing. Und natürlich Schwarz- oder Vollkornbrot, Vollkorntoast statt Weißbrot. Vor dem Essen trinken sie ein großes Glas Wasser, um den Magen zu füllen. Und wer am langsamsten isst, hat gewonnen, denn das Sättigungsgefühl setzt erst nach zwanzig Minuten ein.

Ist auch Süßes erlaubt?
Ja, aber in Maßen. Die Kinder lernen, sich ihre Wochenration an Süßigkeiten selbst einzuteilen. Essen und Bewegung sollten sich immer die Waage halten. Natürlich gibt es auch Gelegenheiten, bei denen man über die Stränge schlägt. Das lässt sich beispielsweise durch eine längere Fahrradrunde wieder ausgleichen.

Welche Rolle spielen die Eltern?
Sie haben eine wichtige Vorbildfunktion. Übergewichtige Kinder dürfen nicht zum schwarzen Schaf in der Familie werden. Regeln, die aufgestellt werden, gelten für alle, auch für normalgewichtige Geschwister. Eine gesunde Lebensweise tut allen Menschen gut. Einmal im Monat gibt es bei uns Elternnachmittage. Wir gehen in den Supermarkt und schauen, wie man schnelle Gerichte gesund zubereiten kann. Wir sprechen auch über Belastungen in der Familie oder in der Schule und wie man zum Beispiel damit umgeht, wenn das eigene Kind gemobbt wird.

Ist Mobbing ein Problem?
Emotionsessen hat deutlich zugenommen. Beispielsweise reagieren Kinder und Jugendlichen mit Frustessen bei Mobbingerlebnissen. Oft fängt es schon in der Grundschule an, dass übergewichtige Kinder von anderen abgewertet werden. Sie ziehen sich zurück, werden inaktiv und nutzen die Medien. Ihr Selbstwertgefühl leidet, manchmal kommen Ängste und Depressionen dazu, und dann ist Essen ein Trost. Im psychosozialen Training arbeiten wir am Selbstwert der Kinder, schauen nach ihren Ressourcen und schulen ihre sozialen Kompetenzen. Es unterstützt sehr, wenn sie in der Gemeinschaft erleben, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind.

Porträt Stephanie Penz

Stephanie Penz ist Klinische Psychologin und seit zehn Jahren beim Verein „Down and Up“ tätig. Sie ist gemeinsam mit einer Kollegin in der Projektkoordination und betreut die psychologischen Einheiten mit den Kindern und Jugendlichen sowie Einzeltermine mit den Familien.

Das Projekt „Down and Up“

Das Projekt „Down and Up“ gibt es an zwei Standorten in Kärnten – in Sankt Veit und in Klagenfurt am Wörthersee. Es richtet sich an übergewichtige Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren, die in der Regel von Kinder- und Jugendfachärzten vermittelt werden. Seit 2018 wird das Projekt von der österreichischen Gesundheitskasse finanziert.

Tipps für Familien mit übergewichtigen Kindern

  • Das Gespräch mit dem Kind suchen, ohne es zu kritisieren. Zum Beispiel fragen: Wie fühlst du dich mit deinem Gewicht?
  • Zum Kinderarzt gehen, um die Ursache des Übergewichts abzuklären und einen Gesundheits-Check zu machen.
  • Sich über gesunde Ernährung informieren und gemeinsam schauen, was man verändern kann. Zum Beispiel mehr gemeinsame Mahlzeiten, gesunde und kalorienreduzierte Kost.
  • Sich als Familie mehr bewegen, indem man öfter das Fahrrad nimmt, nach aktiven Hobbies sucht und mehr Zeit draußen verbringt.
  • Sich mit seinem Kind matchen- gemeinsam an einem Strang ziehen.
  • Professionelle Unterstützung suchen, wenn das Kind in der Schule gemobbt wird oder psychische Probleme entwickelt.

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