Neue Rolle

Teenager-Schwangerschaft: Was die jungen Mütter brauchen

Eine Teenie-Schwangerschaft kann das Leben der werdenden Eltern völlig auf den Kopf stellen. Was vor allem den jungen Müttern hilft, weiß Pädagogin Ulrike Karg. Sie leitet eine Wohngruppe für Mütter ab 15 Jahren und ihre Kinder.

veröffentlicht am 22.06.2023

Sie leiten Wohngruppen für junge Mütter und ihre Kinder bei Caritas-Don Bosco in Würzburg. Warum kommen minderjährige Mütter zu Ihnen?
Es gibt zweierlei Gründe. Die einen kommen freiwillig, weil sich die minderjährige Mutter und auch die Familie mit dieser Situation überfordert fühlen und noch keine Vorstellung haben, wie sie das neue Kind in den Familienalltag integrieren können. Oma und Opa arbeiten vielleicht und die minderjährige Mutter wäre mit dem Neugeborenen alleine zuhause. Diese Familien wenden sich von sich aus an das Jugendamt und erfragen Unterstützungsmöglichkeiten. Bei Minderjährigen sind die Eltern oftmals sehr bemüht, auch das richtige für ihre Tochter zu entscheiden. Der zweite und durchaus häufigere Grund ist der Zwangskontext, wenn das Jugendamt versucht, eine drohende Kindeswohlgefährdung abzuwenden oder gerichtliche Auflagen vorliegen. Denn die Hauptaufgabe einer Mutter-Kind-Einrichtung ist der Schutz des Kindes, hier liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit.

Was brauchen die jungen Mütter, wenn sie zu Ihnen kommen?
Die Mütter brauchen ein ganz klar strukturiertes Lebensumfeld, das bewältigbar sein muss, damit der Fokus der Mutter auf dem Kind liegen kann. Das Lebensumfeld muss Halt und Sicherheit geben.

Welche Rolle spielen die Väter?
Ein Teil unserer Kindsväter ist bemüht, auch in die Rolle des Vaters hineinzuschlüpfen. Sie verbringen den Tag mit Mutter und Kind auf der Gruppe, um Klarheit über ihre Rolle als Vater zu bekommen und das Handling mit dem Kind zu üben. Voraussetzung ist natürlich, dass sich der Vater in die Gruppe einbindet. Natürlich muss er auch Verantwortung für das Kind übernehmen und kann so die Mutter entlasten. Manchmal müssen wir Väter auch intensiver und zunächst getrennt von der Mutter begleiten.

Treffen minderjährige Eltern in der Öffentlichkeit auf Vorurteile?
Angesprochen werden sie kaum, aber jugendliche Eltern werden anders angeschaut. Die jungen Mütter verunsichert ein Auftreten mit Kind in der Öffentlichkeit ohnehin schon stark. Wenn sie dann merken, dass Blicke kommen, verunsichert sie das noch einmal mehr.

Wie können sie diesen Vorurteilen angemessen begegnen?
Wir thematisieren mit den Jugendlichen, wie die eigene Außenwirkung ist und wie sie als Mutter wirken wollen. Will ich wirklich in Grüppchen mit anderen zusammenstehen und rauchen? Wie kleide ich mich? Wie nutze ich mein Handy außerhalb der Einrichtung?

Die jungen Mütter müssen also früh erwachsen werden?
Ja, natürlich. Das ist eigentlich entgegen der Natur eines Teenagers. Minderjährige Mutter zu sein, bedeutet letztendlich, gleichzeitig in der Pubertät und Mutter zu sein. Eltern im Teenageralter befinden sich selbst noch in einer Findungsphase, wollen sich ausprobieren, die Welt entdecken, einen Platz in der Gesellschaft finden und Fehler machen dürfen. Mit Geburt des Babys ändert sich plötzlich alles: Abendliche Treffen mit Freunden sind nicht mehr möglich, eigene Bedürfnisse müssen hintangestellt werden und die Bedürfnisse des Babys bestimmen plötzlich das Leben. In der Pubertät plötzlich erwachsen zu sein und die Verantwortung für ein Baby zu übernehmen, wo man gerade erst lernt, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, ist sicherlich nicht leicht.

Wie kommt es in der Regel zu frühen Schwangerschaften?
Im Teenageralter fällt es sehr schwer, sich von anderen Einflüssen abzugrenzen. Vielleicht hat man gerade eine Freundschaft begonnen und der junge Mann möchte mehr. Wenn ich als junge Frau nie gelernt habe, dass es in Ordnung ist, Nein zu sagen, lasse ich mich in dieser Situation vielleicht auf etwas ein, das ich gar nicht möchte.

Wie können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, dass es dazu nicht kommt?
Das beginnt schon im Babyalter. Eltern sollten ihr Kind in all seinen Empfindungen ernst nehmen und es spiegeln, damit es lernt, seine eigenen Gefühle einzuordnen und damit umzugehen. Ein Baby kommt auf die Welt und hat keinerlei Ahnung was Gefühle sind, es muss erst lernen, was Wut ist, was Traurigkeit ist. Natürlich spielt bei ungewollten Schwangerschaften aber auch Unwissenheit eine Rolle. Aufklärung, Beratungsgespräche und die Anbindung an externe Stellen wie den Frauenarzt, der das Thema Verhütung noch einmal bespricht, sind deshalb sehr wichtig. Und Eltern sollten auch im Teeniealter mit ihren Kindern immer gut im Kontakt bleiben, auch wenn es schwer ist. Sie sollten es lernen, die Waage zwischen Konflikt und Verständnis zu halten.

Wenn das eigene Kind dennoch im Jugendalter schwanger wird, wie sollten Eltern dann damit umgehen?
Ich würde dazu raten, das Ganze erst einmal setzen zu lassen, selber zu reflektieren und nachzudenken. Und das sollten die Eltern dem Kind auch erklären und sagen: Das muss ich jetzt erstmal verdauen. Auf keinen Fall sollten sie Vorwürfe machen! Man kann es eh nicht mehr rückgängig machen. Die Eltern sollten unterstützen und auch durchaus externe Beratung wahrnehmen, um herauszufinden: Was möchte das Kind? Was gibt es für Zukunftsperspektiven? Sie sollten also mit ihrer Tochter gut im Gespräch bleiben.

Ulrike Karg

Ulrike Karg (53) ist Erziehungsleitung des Bereichs „Heilpädagogische Mutter-Kind-Wohngruppen & Betreutes Wohnen“ im Bildungszentrum der Caritas Don Bosco gGmbH in Würzburg. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen betreut sie 18 junge Mütter im Alter von 15 bis 30 Jahren und ihre Kinder.

Beratung für jugendliche Schwangere

Jugendliche Schwangere können sich mit ihren Fragen und Sorgen an alle Schwangerschaftsberatungen wenden. Deren Mitarbeitende beraten unter anderem zur Schwangerschaft selbst, der Beziehung zum Vater und dem Gespräch mit den eigenen Eltern. Wenn die Schwangere zustimmt, können häufig auch Eltern und Partner an Beratungsterminen teilnehmen.

Angebote in Deutschland:

Angebote in Österreich:


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