Gemeinsam nachdenken

Wenn Kinder nach Tod und Sterben fragen

Eltern wollen ihre Kinder schützen und alles Leidvolle von ihnen fernhalten. Doch wenn es um den Tod geht, kommen sie an ihre Grenzen. Wie Gespräche gelingen können. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.

veröffentlicht am 04.11.2023

„„Mama, musst du auch sterben?“ Mit dieser Frage überrumpelte mich meine Tochter Sarah (4 Jahre) kürzlich. Ich wusste gar nicht, was ich antworten sollte. Irgendwie tat diese Frage weh und ich wollte mich nicht mit dem Thema beschäftigen. Ich antwortete schnell und knapp mit „Ja“ und lenkte Sarah vom Thema ab. Wie kann ich da in Zukunft anders reagieren?“
Maria, 28 Jahre

Niemand beschäftigt sich gerne mit den Themen Tod und Sterben. Denn damit verbunden sind immer Leid, Trauer, Schmerz und Ohnmacht. Wir wollen unsere Kinder schützen und alles Leidvolle von ihnen fernhalten. Doch wenn es um Tod und Sterben geht, kommen wir an unsere Grenzen. Wir erleben uns dabei machtlos und fühlen uns ausgeliefert. Wir werden mit diesem Thema konfrontiert, ob wir wollen oder nicht. Auch wenn wir versuchen, dem Ganzen aus dem Weg zu gehen, werden wir doch irgendwann dazu gezwungen uns damit auseinanderzusetzen.

Leid wahrnehmen

Gerade jetzt erreichen uns viele Bilder und Botschaften aus Kriegsgebieten dieser Welt. Unsere Kinder werden unweigerlich damit konfrontiert. Dazu kommen vielleicht noch Schicksalsschläge aus dem familiären Umfeld. Das alles von unseren Kindern fernzuhalten, ist unmöglich. Tod und Sterben gehören zu unserem Leben dazu.

Fragen zulassen

Da ist es nur gut, wenn wir die Fragen der Kinder zulassen, uns zusammen mit den Kindern diesem Thema stellen. Wir müssen dabei keine fertigen Antworten liefern. Wir Eltern dürfen ruhig zugeben, dass wir diesbezüglich auch sprachlos sind. Wenn wir uns auf die Seite fragender Kinder stellen und zusammen mit ihnen Antworten suchen, stärken wir sie in der Auseinandersetzung mit unangenehmen Themen. Wir stoßen dabei einen Denkprozess an, der versuchen will, das Ganze zu verstehen.

Gespräche über den Tod

In diesem Zusammenhang habe ich noch die Frage meines Sohnes (4 Jahre) im Ohr, als mein Vater, also sein Opa, verstorben ist: „Warum ist Opa-Hansi gestirbt?“ Mein Sohn hat erlebt, dass das Leben der Menschen endlich ist. Und er wollte wissen, warum das so ist. Wir haben uns darüber ausgetauscht und ein spannendes Gespräch geführt. Natürlich hat er dann eins und eins zusammengezählt und mich gefragt, ob ich auch einmal sterben müsse. Er nahm mein „Ja“ einfach so hin und widmete sich wieder seinen Spielsachen. Er versuchte, das Ganze zu verstehen und zu begreifen.

Gibt es einen „Himmel“?

Doch dann ploppte eine neue Frage auf: „Wo ist der Opa-Hansi jetzt?“ Ich gab die Frage zurück, indem ich ihn fragte, was er dazu denke. Er überlegte kurz und sagte: „Im Himmel!“ Er brachte nun die religiöse Dimension ins Gespräch hinein. Und es war klasse zu erfahren, wie er sich den Himmel vorstellt. Für ihn ist es ein Ort, wo man spielen kann, was man will, wo immer die Sonne scheint und wo es auch Süßigkeiten gibt. „Dann geht’s ja dem Opa-Hansi jetzt gut!“, stellte er fest und ging wieder zum Spielen. Mit seiner Antwort schenkte mein Sohn mir Trost und gab mir Kraft für meine Trauer.

Umgang mit Trauer & Schmerz

Die Vorstellung von seinem „Himmel“ und unser Gespräch halfen ihm und auch mir, mit der Trauer und dem Schmerz umzugehen. Er hatte für sich einen Weg des „Handelns“ gefunden: Fragen stellen, darüber reden, eine Idee von „Himmel“ entwickeln und sich selbst damit trösten. Er hat der Ohnmacht getrotzt und gehandelt!

Verstehen, handeln, Sinn finden

Zunächst geht es also ums „Verstehen“, dann ums „Handeln können“ und schließlich darum, einen möglichen Sinn in dem Ganzen entdecken zu können. Doch worin liegt der Sinn, einen lieben Menschen zu verlieren? – Keine Ahnung! Diese Frage lässt sich nur individuell beantworten:

  • Mein Sohn und ich konnten unseren Opa-Hansi gut loslassen und dem „Himmel“ übergeben, weil er so von seinen unerträglichen Schmerzen befreit ist, die er aufgrund einer schweren Krankheit hatte. Für uns hatte der Tod, obwohl er schmerzt und wir unseren Opa-Hansi sehr vermissen, auch etwas Positives.
  • Spüren, dass jemand traurig ist und dass da jemand ist, der Trost braucht: vielleicht war und ist das der Sinn, den mein Sohn für sich entdeckt hat. Wer weiß?

Sich dem Thema Tod und Trauer zu stellen, die Fragen der Kinder zuzulassen und sich auf ihre fragende Seite zu stellen, hilft, schwere und leidvolle Situationen auszuhalten und durchzustehen. Die drei Aspekte „verstehen, handeln können, Sinn entdecken“ stärken unser gutes bzw. positives Lebensgefühl – trotz allem.

Text: Sebastian Wurmdobler, Gemeindereferent und Kess-erziehen-Kursleiter

Dieser Beitrag auf elternbriefe.de

„elternbriefe du + wir“ ist eine Initiative der katholischen Kirche. Mehr unter elternbriefe.de


Verwandte Themen

Kleines Mädchen traurig auf Arm der Mutter
Schwieriges Thema
Den Erwachsenen macht das Thema Angst. Dabei werden wir alle irgendwann damit konfrontiert. Wie Kinder mit dem Tod umgehen und wie Eltern Trauer und Verlust mit ihnen bearbeiten können, beschreibt Erzieher und Theologe Christian Huber.
Junge und Mädchen stehen an frisch aufgeschüttetem Grab mit Kränzen
Begleitung ist wichtig
Kinder wissen meist nicht, was sie bei einer Trauerfeier erwartet. In unserem Interview gibt Trauerberaterin Katrin Lehmann-Buss Tipps, wie Eltern ihren Kindern diesen schweren Tag erleichtern können und worauf sie achten sollten.
Mutter und Tochter aneinandergekuschelt auf Parkbank
Offen sein
Mit ihren Kindern über den Tod zu reden, fällt vielen Eltern schwer. Sie glauben, das Thema würde die Kleinen überfordern. Ganz im Gegenteil, sagt Diplom-Pädagogin und Autorin Margit Franz. Die Kinder wollen verstehen, was es mit dem Sterben auf sich hat.