Familienzeit

Besuch mit Folgen

Zehn Wochen lang war eine Verwandte bei Familie Pernsteiner zu Gast. Bemerkenswert findet unser Autor, wie viel Positives dieser Besuch bei den Gastgebern in Gang gesetzt hat. Das neue Auto ist da noch die geringste Veränderung.

veröffentlicht am 26.09.2025

Seit zwei Monaten herrscht bei uns Ausnahmezustand: Gabi, die Schwester meiner Frau aus Mexiko, ist zu Besuch. Es ist ihr zweiter Aufenthalt in Wien, nachdem sie uns vor zwölf Jahren als tatkräftige Familienhelferin in der herausfordernden Zeit nach der Geburt unserer jüngsten Tochter unterstützt hatte. Diesmal kam sie eher als Touristin und dabei selbst in sensibler Lebensphase, beruflich ausgelaugt und gesundheitlich angeschlagen, sodass ihr ein wenig Abwechslung nicht schaden konnte.

Wir werden meine Schwägerin sehr vermissen, wenn sie nächste Woche wieder heimfliegt: Die Zeit mit ihr war wunderschön, voller intensiver Erlebnisse, als wir sie mit unseren Lieblingsorten und Freundschaften bekanntmachten. Schön aber auch, weil bei uns die Rolle als Gastgeber vieles in Bewegung setzte. Wir hatten ihre Ankunft lange herbeigesehnt und vorbereitet, ein Zimmer eingerichtet, das ganze Haus aufgeräumt und geputzt, den schon lange geplanten Kauf eines größeren Autos endlich umgesetzt und Ausflugspläne geschmiedet. Den Satz „Wenn Tante Gabi kommt, werden wir mit ihr...“ hörten wir von unseren Kindern schon lange zuvor.

„Wir haben alle versucht, die beste Version von uns abzugeben“

Mehr noch, bewirkte die vorübergehende Familienerweiterung auch in unseren Routinen viel Gutes. Ohne zu schauspielern, haben wir alle versucht, die beste Version von uns abzugeben. Es war weniger laut und viel harmonischer als sonst, denn alle achteten mehr auf freundlichen Umgangston und schöne Gestaltung etwa des Esstischs oder Abendgebets. Wir haben uns auch bewusster Zeit für gemeinsame Aktivitäten wie Fahrradtouren, Brettspiele, Musizieren und Kuchenbacken genommen. Je länger der Besuch dauerte, desto mehr stellte sich Gewöhnung ein, nicht nur an den lieben Gast, sondern auch an das positive Bemühen.

Vielleicht führten uns diese zehn Wochen nur intensiver vor Augen, was für ein Segen jeder Besuch sein kann. Wenn wir jemand empfangen, setzen wir dessen Brille auf, blicken mit dieser auf das eigene Leben und können Veränderungen vornehmen. Klar, es kostet auch Überwindung, ihn oder sie eintreten zu lassen in die eigenen vier Wände, muss man sich dabei doch öffnen und sein Leben ein Stück preisgeben. Wer sich auf dieses Risiko einlässt, erhofft dabei Gutes: In der Begegnung entsteht Gemeinsames, wächst Verbindung und entspringt Neues. Es ist ein schöpferischer – ich finde sogar: göttlicher – Moment, der alle Beteiligte verwandelt zurücklässt.

Die Bibel ist ein vervorragender Besuchs-Guide 

Ein hervorragender Besuchs-Guide ist die Bibel. Abraham und Sara beherbergen Engel; Maria und Elisabeth stärken einander; die Heiligen Drei Könige finden den gerade geborenen Jesus; die Emmaus-Jünger begegnen dem Auferstandenen. Eigentlich ist das ganze Neue Testament eine Geschichte von Besuchen und Anweisungen dazu wie: „Klopft an die Tür!“, „Besucht Kranke!“, „Nehmt Fremde auf!“ oder „Ladet nicht nur die ein, die euch einladen!“. Das „Beim Betreten eines Hauses sagt: Friede sei mit diesem Haus!“ hat meine Schwägerin mit ihrer ruhigen, gewinnenden Art bestens umgesetzt. Sie verhalf uns zu einem Frieden, von dem wir hoffen, dass er uns noch lange erhalten bleibt.

Die besten Lehrmeister für Besuche sind aber die Kinder. Für sie ist es das Natürlichste auf der Welt, andere einzuladen oder zu besuchen, denn sie brennen förmlich danach. Mit ihrem Drang und Naturtalent zum Schließen von Freundschaften spüren sie intuitiv, dass es dazu das gemeinsame Essen, Reden, Spielen und Feiern braucht, und das gilt auch für das Wachsen familiärer Beziehungen. „Wann kommst du wieder?“, fragen sie Tante Gabi schon jetzt. Wenn es dann so weit ist, werden sie und auch wir uns verändert haben, denn das Leben geht weiter, nun aber gestärkt durch die schönen Erinnerungen dieser zwei Monate.


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