Zeit des Wachsens

Wie gemeinsamer Urlaub den Alltag verändert

Vor den Ferien liegen die Nerven oft blank. Der Urlaub soll die Rettung bringen. Leichter gesagt als getan. Unser Autor hat gerade eine Woche mit der Großfamilie auf einem Bergbauernhof hinter sich und berichtet ehrlich von seinen Erfahrungen.

veröffentlicht am 08.07.2025

Es ist jedes Jahr dasselbe: Irgendwann im Juni kippt die Stimmung. Die letzten Schulwochen sind ein einziges Termin-Gewitter von Musikaufführungen, Familienfesten, Sportbewerben, Pfarrveranstaltungen, Klassenfeiern und dienstlichen Verpflichtungen. Wir hetzen von einem Programmpunkt zum nächsten, alle sind müde, gereizt, am Limit. Die Nerven liegen blank. Die Kinder streiten, wir Eltern nörgeln – der liebevolle Umgang weicht einem Ton, der nach Dauerstress klingt. Und ich ertappe mich immer öfter bei dem Satz: „Ich bin urlaubsreif.“

Dann kommen sie, die Wochen zwischen Schuljahresende und Neubeginn, und mit ihnen große Erwartungen. Urlaub soll die Rettung sein: raus aus dem Alltag, ausschlafen, auftanken, wieder zueinanderfinden, nachholen, was sonst zu kurz kommt. Er soll ein Stück heilen, wieder Nähe spürbar machen, das Miteinander durch gemeinsame Erlebnisse stärken. Doch diese ersehnten Wirkungen stellen sich nicht von selbst ein. Es braucht ein attraktives und forderndes Angebot, stark genug, um unsere Kinder von den Bildschirmen wegzulocken.

Kein Platz für Langeweile und Handy

Ansatzweise gelang uns das heuer wieder – erneut bei einer gemeinsamen Woche am Bergbauernhof mit der Großfamilie: meinen Geschwistern, der Familie meines Bruders und meiner Mutter. Wandern, Radfahren, Reiten, Schwimmen, Kletterparcours, Fischen und Pilzesuchen, Tiere streicheln, Herumtollen am Bach und im Heu, Lagerfeuer, Würstelgrillen, Liederabend, Werwolf-Spielen bis spätabends und Teilnahme an einem regionalen kirchlichen Festumzug: Die Tage waren so prall gefüllt, dass für Langeweile und Handys schlicht kein Platz blieb. Und das Schönste: Niemand musste zur Teilnahme überredet werden, alle machten mit.

Natürlich gab es auch Verpflichtungen, vor allem beim Koch- und Küchendienst. Um diesen neuralgischen Punkt besser zu gestalten als in den Vorjahren, erstellten wir diesmal einen Arbeitsplan: In wechselnden Teams aus je zwei Erwachsenen und Kindern kam man einmal täglich an die Reihe. Unser 17-Jähriger wollte sich anfangs noch mit einem skeptischen „Da hält sich eh keiner dran“ drücken. Doch dann ließ auch er sich vom Eifer seiner kleinen Cousinen anstecken. Dass jede und jeder seinen Platz beim Mithelfen fand, wurde zum unerwarteten Highlight des Urlaubs.

Jetzt sehnt sich die Familie nach Ruhe und Tagen ohne Plan

Gerecht aufgeteilte Arbeit entschärft auch potenzielle Konflikte. Das enge Zusammenleben mehrerer Familien bringt unterschiedliche Zugänge und Erziehungsstile ans Licht – etwa bei Tischsitten, Bettgehzeiten, Sonntagsgestaltung oder der Art der Entscheidungsfindung. Während meine Frau und ich oft schnell entscheiden, was „gut für die Kinder“ ist, gehen mein Bruder und meine Schwägerin einen anderen Weg: Sie diskutieren mit ihren Kindern, ringen selbst bei Kleinigkeiten um Konsens. Das kann anstrengend sein – aber auch inspirierend.

Zugegeben: Nach dieser Intensivwoche sehnen wir uns nun nach Ruhe, nach Tagen ohne Plan, nach Unternehmungen nur in der Kleinfamilie. Und doch zehren wir von den gemeinsamen Tagen, in denen so einiges in Gang gekommen ist: Wir haben gelernt, dass Mithelfen und Mitentscheiden möglich ist. Wir kamen ohne Streit und Nörgeln aus – was wohl aus Respekt vor der Gegenwart der anderen Familie gelang. Die vielen Fotos, von denen es sicher einige in den Familienkalender des nächsten Jahres schaffen, erinnern uns daran, dass Urlaub nicht nur Erholung, sondern auch Zeit des Wachsens sein kann.


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