Kinder schützen

Wo die Würde von Kindern im Alltag verletzt wird

Vor dem Hintergrund von Missbrauch von Kindern in der Kirche und in der Familie fragt sich unser Autor: Wie gehe ich im Alltag mit meinen Kindern um? Wo verletze ich ihre Würde? Und wie gelingt es uns, unsere Kinder zu schützen?

veröffentlicht am 01.09.2019

Nur manchmal wird es mir bewusst: Ich bin tätig in jener Institution, die die meisten Missbrauchsfälle zu verantworten hat. Nein, ich meine da nicht die Kirche, wenngleich ich in der Berichterstattung leider tagtäglich mit dem Thema zu tun habe, sondern die Familie. Die engste Familie und der weitere Familienkreis sind der mit Abstand häufigste Ort von Missbrauch, sagen alle Statistiken. Auf wen das wohl zutrifft? „Auf meine Familie Gott sei Dank nicht, das Thema ist ja so was von weit weg“, bin ich im ersten Moment versucht zu antworten.

Besser sollte ich aber doch zuerst vor der eigenen Tür kehren, zeigen mir mitunter Gespräche mit Freunden, Nachbarn und Bekannten. Wenn hinter den menschlichen Fassaden Schweres durchblitzt – Verletzungen, Blockaden, Bitterkeiten, die häufig auf Ereignisse in der Kindheit zurückgeführt werden, welche von außen vielleicht eher harmlos wirken: Dann fällt auch mein Blick in den Spiegel gleich ganz anders aus. Denn Missbrauch fängt an bei alltäglichen Verletzungen der Kindeswürde, mit fließenden Übergängen zu dem, was dann zu Recht als schreckliches Verbrechen gilt.

Wie gehe ich mit meinen Kindern um? Immer herzlich, zärtlich und feinfühlig, ruhig, gerecht und vernünftig, umsichtig, nahe und interessiert, ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit widmend? Erkenne ich, wenn ich eingreifen muss? Setze ich maßvoll Grenzen, ohne mich von Emotionen treiben zu lassen, ohne Drohungen oder Gewalt in jeder Form? Und schaffen wir Eltern es, Streit vor den Kindern zu verbergen?

Die Kinder um Vergebung bitten

So sehr ich das alles wünschte, ist die Antwort leider nicht überall „Ja“. Erst recht, wenn zu wenig Schlaf, angeschlagene Gesundheit, fehlende Zeitpuffer, Arbeitsdruck oder falsche Prioritätensetzung dazukommen. Und wie immer färben in der Familie Versäumnisse, Dummheiten, Willkür oder ein falscher Ton des einen gleich auf die anderen ab. Unser Abendgebet ist ein Gradmesser dafür: Oft stehen noch Konflikte im Raum, ein Kind heult oder weigert sich aus bestimmten Gründen, mitzumachen – und schon ist die Besinnung für alle futsch. Verbauen wir unseren Kindern den Weg zu Gott, wenn wir stur unser „Programm“ durchziehen? Das Jesus-Wort „Fällt dir beim Gebet ein, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so geh zuerst und versöhn dich mit ihm“ klingt im Ohr, und auch: „Lasst die Kinder zu mir kommen.“ Und wirklich: Eine der allerschönsten Erfahrungen ist für mich, meine Kinder um Vergebung zu bitten und diese nach Aussprache meist auch zugesprochen zu bekommen. Frisch versorgte Wunden heilen am besten, und immer sind wir dabei alle gestärkt hervorgegangen und haben dann gemeinsam über uns gelacht.

Die Familie ist ganz sicher keine Institution des Missbrauchs, sondern der beste Schutz davor, allein schon, da sie alle materiellen und seelischen Grundbedürfnisse eines Kindes erfüllt und die Sorge füreinander sowie Vertrauen erleben lässt. Sie ist allerdings nicht perfekt und auf Hilfe angewiesen – von der Gesellschaft, jedoch auch von „oben“: Wir können nicht verhindern, dass unseren kleinen Schätzen etwas zustößt. Uns bleibt dann die Aufgabe, sie in einem Stoßgebet dem Schutzengel anzuvertrauen. Wie oft schon hatten wir Anlass, ihm nachher zu danken!


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