Wichtiger Meilenstein

Endlich 18: Was sich mit der Volljährigkeit ändert

Wenn junge Menschen volljährig werden, eröffnet ihnen das vor allem rechtlich neue Möglichkeiten. Aber auch das Verhältnis zu den eigenen Eltern wandelt sich, erklärt Sozialwissenschaftlerin Anne Berngruber im Interview.

veröffentlicht am 02.11.2023

Ab dem 18. Geburtstag gelten wir offiziell als erwachsen. Fühlen sich junge Menschen heute mit 18 Jahren auch so?
Erstaunlicherweise recht wenige. In unserer Studie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) haben wir gefragt, wie sich junge Menschen selbst wahrnehmen. Von den 18-Jährigen haben 15 Prozent geantwortet, dass sie sich eher erwachsen fühlen. Etwas mehr als 50 Prozent, also die Mehrheit, haben gesagt, dass sie sich eher jugendlich fühlen. Und etwa ein Drittel hat geantwortet „Mal so, mal so“. Als Kind fühlen sich diese jungen Menschen auch nicht mehr, aber auch nicht wirklich erwachsen. Sehr interessant ist auch, dass sich auch mit 30 noch nicht alle erwachsen fühlen.
 
Welche Bedeutung hat der 18. Geburtstag dann für junge Menschen?
Rechtlich verändert sich vieles: Mit der Volljährigkeit dürfen junge Menschen in Deutschland zum Beispiel offiziell auf Bundesebene wählen und sich auch selbst aufstellen lassen. Manche haben einen Führerschein und dürfen jetzt alleine fahren. Aber es gibt auch Schritte, die teilweise schon vor dem 18. Lebensjahr erfolgen können wie das begleitete Autofahren mit 17 oder, dass man in manchen Bundesländern schon ab dem 16. Lebensjahr bei Kommunal- und Landtagswahlen wählen darf. In Österreich darf man sogar auf allen Ebenen mit 16 wählen. Aber auch viele Veränderungen und Umbrüche geschehen um den 18. Geburtstag herum. In dieser Zeit wird häufig auch die Schule abgeschlossen, man zieht vielleicht in eine neue Stadt, beginnt eine Ausbildung oder ein Studium.
 
Verändert sich auch das Verhältnis zu den eigenen Eltern?
Die Beziehung wird eine andere. Junge Menschen lösen sich zunehmend. Man bleibt zwar immer das Kind seiner Eltern und ihnen emotional weiterhin verbunden, aber das Verhältnis verschiebt sich mehr in Richtung Augenhöhe. Und die Eltern und auch ihr soziales Umfeld nehmen die jungen Menschen erwachsener wahr. Das hängt aber auch mit den verschiedenen Schritten zusammen, die mit dem Erwachsenwerden einhergehen. Jemand, der ausgezogen ist, wird selbstständiger und erwachsener wahrgenommen als jemand, der noch bei den Eltern wohnt.
 
Hat sich die Bedeutung der Volljährigkeit im Vergleich zu früheren Generationen verändert?
Früher wurde man in Deutschland mit 21 erwachsen, in Österreich zunächst mit 21, dann mit 19. Insofern hat sich das rechtliche Erwachsensein im Verlauf vorverlagert. Auch andere Schritte haben sich verändert. Frühere Generationen haben früher im Lebenslauf geheiratet und Kinder bekommen. Junge Menschen dürfen mittlerweile auch mehr in ihren Elternhäusern und haben heute oft auch mehr Freiheiten, Beziehungen einzugehen. Sie können den Freund oder die Freundin mit heimbringen. Man war aber in früheren Generationen zum Beispiel auch früher finanziell unabhängig von den Eltern, als das heute der Fall ist. Weil man sich häufiger schon früher als heute von den eigenen Eltern abgrenzen wollte, hatte sicher auch die Volljährigkeit eine größere Bedeutung, da in diesem Moment rechtliche Schritte stärker durchgesetzt werden konnten.
 
Wie Sie sagen, werden junge Menschen heute früher volljährig als noch vor 60 Jahren. Sind sie reifer, als es ihre Großeltern in diesem Alter waren?
Das kommt ein bisschen darauf an, was man unter Reife versteht. Wir haben in AID:A gefragt, wie wichtig es jungen Menschen ist, sowohl Verantwortung für sich selbst zu übernehmen als auch Verantwortung für andere. 95 Prozent der 18-Jährigen ist es wichtig, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und etwa zwei Dritteln ist es wichtig, Verantwortung für andere zu übernehmen. Das sind sehr hohe Werte. Leider haben wir keinen Vergleich, wie das bei den Großeltern war. Aber auch wenn sich die Schritte des Erwachsenwerdens teilweise im Lebenslauf verschoben haben, unterscheiden sich grundlegende Einstellungen wie diese häufig nicht so stark zwischen den Generationen, wie man das meinen sollte. Sie sind meist eher eine Frage der Lebensphase als eine Frage der Generation. Wenn man etwa die Einstellungen von 18-Jährigen der Generation Z mit 18-Jährigen der Baby Boomer vergleicht, zeigen sich überraschende Parallelen. 

Portrait Anne Berngruber

Die Sozialwissenschaftlerin Anne Berngruber ist Wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut in München und dort stellvertretende Leitung der Fachgruppe „Lebenslagen und Lebensführung Jugendlicher“. Sie ist Mitherausgeberin des Buchs „Erwachsenwerden heute“.


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