Psychologie
Vertrauen, Intimität, Kompromisse: Was zu einer Freundschaft alles dazugehört
Ob als Kleinkind oder im hohen Alter – wir haben im Lauf unseres Lebens viele Freunde. Der Entwicklungspsychologe Moritz Daum erklärt, worauf es in guten Freundschaften ankommt.
veröffentlicht am 22.05.2023
Was zeichnet eine gute Freundschaft aus?
Vertrauen und Ehrlichkeit sind sehr wichtig, aber auch Reziprozität, also dass ich in einer Freundschaft gebe, aber auch nehme. Mein Freund oder meine Freundin weiß Dinge von mir, die nur er oder sie weiß. Und entsprechend besteht dann die Gefahr, dass das gegen mich ausgespielt wird. Das Vertrauen, dass eben das nicht passiert, zeichnet eine gute Freundschaft aus. Gute Freundschaft ist auch getrieben davon, dass ich mich in andere Personen gut hineinversetzen kann. Freundschaft kann aber natürlich auch ganz lose stattfinden, ohne dass etwas Tiefes entsteht. Es gibt eine riesige Bandbreite.
Unterscheiden sich Freundschaften in der Kindheit und im Erwachsenenalter?
In der frühen Kindheit ist Freundschaft meist bestimmt durch die Freunde der Eltern. Das ändert sich mit größer werdender Autonomie. Wenn die Kinder zum Beispiel in den Kindergarten gehen, können sie sich dort selbst entscheiden, mit wem sie befreundet sein möchten. Je älter die Kinder werden, desto mehr sind auch Intimität und Vertrauen wichtig. Man erzählt sich Dinge, die man den Eltern nicht erzählen möchte, kann Dinge ausprobieren und sich auch außerhalb der Familie aufgehoben fühlen.
Manche Kinder tun sich schwer, Freundschaften zu schließen. Können Eltern sie dabei unterstützen?
Man kann dem Kind ein gutes Selbstwertgefühl mitgeben, sodass es merkt: „Ich werde von anderen Personen geschätzt.“ Und man kann Vorbild sein und ihm zeigen, wie man sich Freunden gegenüber verhält. Bei kleineren Kindern ist es oft hilfreich, Gelegenheiten zu schaffen und sie manchmal zu ermutigen. Das ist im Jugendalter dann ganz anders. Hier suchen sich die Kinder ihre Freunde sehr viel stärker selbst aus. Sie bringen dann manchmal Leute nach Hause, die den Eltern nicht so richtig in den Kram passen. Da ist es wichtig, eine nicht wertende Haltung einzunehmen und die eigenen Urteile hintanzustellen, auch auf die Gefahr hin, dass man mit seiner Einschätzung vielleicht doch recht hat. Wenn die Kinder älter werden, müssen sie immer mehr auch ihre eigenen Erfahrungen machen, auch nicht ganz so gute.
Haben Social Media Freundschaft verändert?
Ja und nein. Freundschaften über Medien, zum Beispiel Brieffreundschaften, gab es auch vor 100 Jahren. Da hat ein Brief aber zwei Wochen gebraucht, um anzukommen. Heute hat man innerhalb von Sekunden eine Antwort. Freunde sind ständig weltweit verfügbar, auch per Videochat. Das ist einerseits gut, weil man sich so auch über Entfernungen hinweg sehr intensiv unterhalten kann. Andererseits sind gemeinsame Erlebnisse, die Freundschaften ja auch prägen, durch die digitale Interaktion natürlich eingeschränkt.
Nicht jede Freundschaft hält ewig. Was können wir tun, wenn wir eine Freundschaft lange erhalten wollen?
Alle Beziehungen, also auch Freundschaften, beinhalten das Eingehen von Kompromissen. In einer Freundschaft muss man immer wieder über seinen eigenen Schatten springen. Es ist eine andere Person, mit der man zu tun hat, auch wenn sie uns vielleicht ähnlich ist. Sie ist manchmal grummelig, manchmal müde, manchmal gut und manchmal schlecht gelaunt. Es ist ein ständiger Anpassungsprozess. Man muss sich immer wieder in den anderen hineinversetzen, aufmerksam zuhören und immer wieder auch entstehende Konflikte aushalten.