Lebensgeschichten

Seit 30 Jahren unzertrennlich: Das Geheimnis einer guten Freundschaft

Angelika und Heike sind Anfang 60 und schon ihr halbes Leben beste Freundinnen. Was ihre Freundschaft ausmacht und warum auch ein heftiger Streit sie nicht trennen konnte.

veröffentlicht am 22.05.2023

„Es ist eine Liebe.“ Angelika Hankele sitzt an einem alten Massivholztisch vor einer Fensterfront im modern und schlicht eingerichteten Wohnzimmer ihres Hauses im Münchner Westen. Über das Notebook vor ihr ist die 63-Jährige mit kinnlangen grauen Locken per Video mit Heike Krabbe in Wien verbunden. Seit mittlerweile 30 Jahren verbindet die dunkelblonde Österreicherin und die Deutsche eine enge Freundschaft. Trotz der räumlichen Distanz beschreibt Angelika das Verhältnis als „eine schwesterliche Beziehung, eine ganz enge“. Sie sind häufig gemeinsam in Urlaub gefahren, haben zusammengearbeitet und unterstützen sich bis heute gegenseitig. „Wenn man mal eine gute Basis hat, dann macht die Entfernung oder auch weniger Kontakt nicht so viel aus“, sagt Heike am Esstisch in ihrer Wohnküche in der österreichischen Hauptstadt, ein Regal mit Fachliteratur und Kochbüchern hinter und einen Computer vor sich.

Kennengelernt haben sich Heike und Angelika, die ursprünglich beide aus dem Pflegeberuf kamen, 1993 bei einer Ausbildung zur Kinästhetik-Trainerin in der Schweiz. Bei Seminarwochen trafen sie in den kommenden Jahren regelmäßig aufeinander, um mehr über die Bedeutung von Bewegung zu lernen, und verbrachten die Tage und Abende zusammen mit der Ausbildungsgruppe. Auch viele der körperlichen Partnerübungen, die ein fester Bestandteil der Ausbildung waren, machten die beiden gemeinsam. „Da sucht man sich natürlich Partner aus, die man mag“, sagt Angelika. Dennoch dauerte es, bis aus der anfänglichen Sympathie die heutige Freundschaft wuchs.

„Wenn Du keine gemeinsamen Themen hast, dann wird's langweilig“

Das Thema Kinästhetik half dabei. „Es war sicher ein wichtiger Faktor, dass wir so ein gemeinsames Thema hatten“, ist Heike überzeugt. „Wenn du keine gemeinsamen Themen hast, dann wird’s langweilig und dann hält es vielleicht nicht.“ Immer wieder auch zusammen leiteten Heike und Angelika im Anschluss an die eigene Ausbildung Seminare und Workshops und verbrachten auch dadurch weiter Zeit miteinander. „Es war interessant und spannend, sich gemeinsam mit ihr weiterzuentwickeln“, erinnert sich Angelika, die heute als Kommunikationstrainerin und Coach arbeitet.

Aber auch jenseits der beruflichen Zusammenarbeit haben sich die Freundinnen viel zu sagen. „Wir interessieren uns für viele Dinge gleich“, berichtet Heike. Beide lieben die Natur, empfehlen sich Romane oder Kinofilme und diskutieren über Politik und gewaltfreie Kommunikation. Angelika sagt aber auch: „Wir sind sehr unterschiedlich.“ Deshalb lachen sie immer wieder nicht nur miteinander, sondern auch über die eigenen Ticks. Etwa, als Angelika erzählt, wie sie bei einer Arbeitsreise die Badematte aufheben und aufhängen wollte, damit diese nicht schmutzig wird – ohne zu merken, dass Heike noch darauf stand. „Da reißt sie mir die Badematte unterm Fuß weg“, empört sich die 62-Jährige noch heute lachend.

„Wir haben viel Blödsinn gemacht“

Auch auf viele gemeinsame Urlaube blicken die beiden zurück. „Wir sind viel gemeinsam herumgereist“, berichtet Heike. Ob am Strand auf Fuerteventura oder beim Wandern in den Alpen, nahmen sie sich meist zu zweit ohne Männer und Kinder eine Auszeit vom Alltag. „Das macht Spaß, das schweißt zusammen, wir haben viel Blödsinn gemacht“, sagt die Österreicherin lächelnd. Nach zweieinhalb Jahren, in denen sie sich aufgrund der Pandemie und aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich treffen konnten, wünscht sich Heike wieder einen solchen Urlaub. „Das fände ich jetzt schön“, sagt sie, macht aber auch deutlich, dass die unfreiwillige Trennung der Freundschaft in keiner Weise geschadet hat. Erst vor Kurzem kam Heike endlich wieder zu Besuch nach München. „Unserer Beziehung macht das überhaupt nichts. Wir treffen uns, als ob es immer war“, freut sie sich.

Zwischen den Treffen telefonieren die Freundinnen. „Einmal bemüht sich der eine mehr um Kontakt und dann wieder der andere mehr“, sagt Heike, räumt aber auch ein, dass sie sich manchmal weniger bei Angelika gemeldet habe, sodass die sich auch beschwert hat. „Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht interessiere“, stellt sie klar. Als berufstätige Mutter von zwei Kindern und mit den Eltern im eigenen Haus habe sie schlicht viel zu tun gehabt.

Dass sie in solchen Situationen offen miteinander sprechen können, ist ein Geheimnis dieser intensiven Freundschaft. „Wir sagen uns ziemlich viel“, erzählt Angelika. „Wir haben da eine Basis, die sehr locker ist.“ Auch die gegenseitige Toleranz für die individuellen Eigenheiten ist mit den Jahren noch gewachsen. „Geli kriegt von mir nie eine Geburtstagskarte, aber ich immer“, erzählt zum Beispiel Heike. Sie schreibe einfach nicht gerne Karten. Aber Angelika hält ihr das nie vor.

Trotzdem streiten sie auch gerne – früher zu fachlichen Themen, aber auch heute noch. „Wir haben sehr viel gestritten“, bestätigt Heike. Einmal bestand sogar die Gefahr, dass die Freundschaft an einem Streit zerbricht. Zwei Monate haben die beiden nicht miteinander geredet. Bis ihre Männer sie unabhängig voneinander ermutigten, sich auszusprechen. Am Kemptener Bahnhof, in der Mitte zwischen München und Bludenz in Vorarlberg, wo Heike damals lebte, trafen sich die beiden zur Aussprache. „Wie zwei Cowboys mit Colt, am Bahnhof in einem Lokal“, erzählt Heike. „Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir geredet und gehandelt haben.“ An den Grund für den Streit erinnern sich beide heute nicht mehr.

„Wenn ich ernsthafte Probleme habe, rede ich mit der Geli drüber“

Sie haben den Streit ausgeräumt. Und so ist Angelika für Heike schon lange wieder die erste Ansprechpartnerin bei Problemen – und umgekehrt. „Wenn ich ernsthafte Probleme habe, mit meinem Freund oder so, dann rede ich mit der Geli drüber“, sagt sie. Und auch Angelika erzählt, sie habe zwar ein großes Netzwerk an Freunden, „aber das ist einfach nicht vergleichbar“. Das merke sie daran, wen sie anrufe, wenn es ihr nicht gut geht.

Trotz oder gerade wegen des großen Streits in der Vergangenheit: Dass eine ähnliche Situation die Freundschaft heute noch gefährden könnte, halten beide für ausgeschlossen. „Das ist eine so gewachsene Beziehung mit so vielen Kämpfen und Spaß und allem, das hält“, ist sich Heike sicher. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendetwas gibt, das uns trennen könnte.“ Und Angelika stimmt ihr zu.


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