Ausbildung

Traumjob Friedhofsgärtnerin

In Würzburg finden junge Menschen in der Caritas Don Bosco gGmbH vielfältige Unterstützung. Zum Beispiel die 21-jährige Gülsen Düsmez, die im Berufsbildungswerk eine Ausbildung zur Gärtnerin macht.

veröffentlicht am 01.07.2016

Wenn man Gülsen Düsmez fragt, was sie werden möchte, muss die junge Frau mit den langen schwarzen Haaren nicht lange überlegen: „Friedhofsgärtnerin“, sagt sie sofort. Ein seltsamer Berufswunsch für eine 21-Jährige? Vielleicht. Aber Gülsen Düsmez ist es ernst damit. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Werkerin im Gartenbau in der Gärtnerei der Caritas-Don Bosco gGmbH in Gadheim bei Würzburg. Geduldig kniet sie vor einem Übungsgrab, zupft ein paar welke Blätter von den Veilchen, die dort blühen, und fühlt behutsam nach, wie feucht die Erde ist. Die praktische Arbeit liegt ihr: Pflanzen pflegen, Blumen gekonnt arrangieren, auch Kunden in der Gärtnerei beraten. „Das ist alles kein Problem“, sagt Gülsen. „Aber mit dem Lernen habe ich einfach Schwierigkeiten.“

Leben und lernen trotz Handicap

Wie ihr geht es den meisten der rund 330 jungen Leute, die im Berufsbildungswerk der Caritas-Don Bosco gGmbH in verschiedensten Bereichen ausgebildet werden: Hauswirtschaft und Büro, Bäckerei und Baugewerbe, Informatik und Gastronomie. Sie alle haben irgendein Handicap, das ihnen eine Ausbildung in einem Betrieb der freien Wirtschaft schwer oder sogar unmöglich macht: psychische Beeinträchtigungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder besonderen Förderbedarf im Bereich Lernen oder der sozial-emotionalen Entwicklung.

Im Bildungszentrum Würzburg bekommen sie die Betreuung und Unterstützung, die sie brauchen, um trotzdem erfolgreich zu sein: Die Klassen an der Sonderberufsschule sind kleiner und die Lehrer speziell ausgebildet. Die Azubis können im Internat wohnen, bei beruflichen oder privaten Problemen stehen ihnen Betreuer als ständige Ansprechpartner zur Seite, sie bekommen zusätzliche Hilfe beim Lernen und natürlich wird in der praktischen Ausbildung mehr Rücksicht genommen, als es in einem anderen Betrieb möglich wäre. Außerdem treffen sich Ausbilder, Lehrer und Betreuer regelmäßig zum Gespräch, um festzustellen, wo jeder einzelne Azubi gerade steht, welche Probleme er hat und wie ihm am besten geholfen werden kann.

Gülsen Düsmez hat es mit so viel Unterstützung im Rücken und dem festen Willen, ihren Traumberuf zu erreichen, bereits bis ins dritte Ausbildungsjahr geschafft. Demnächst beginnt sie ein Praktikum in einer echten Friedhofsgärtnerei. „Unser Ziel ist natürlich die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt“, erklärt Ausbilderin Magdalena Becker.

Junge Menschen unterstützen, damit ihr Leben gelingt. Dieser Gedanke steht bei der Caritas-Don Bosco gGmbH wie in allen Einrichtungen der Salesianer Don Boscos im Mittelpunkt. Das Besondere in Würzburg: Hier ist der Ort, an dem die Ordensgemeinschaft vor 100 Jahren, während des Ersten Weltkriegs, 1916 ihre erste Niederlassung in Deutschland eröffnet hat. Das damalige Wohnheim für Lehrlinge und Schüler in Würzburg ist somit das älteste in Deutschland existierende Salesianerhaus, die erste Stätte salesianischen Wirkens auf deutschem Boden.
Wohnheim im Augustinerkloster
Die Unterbringung erfolgte zuerst im Augustinerkloster. Später wurde der Burkardushof im Würzburger Mainviertel erworben. Nach Beschlagnahmung und Zerstörung durch den Bombenangriff 1945 erhielten die Salesianer als Wiedergutmachung das Grundstück und die Ruinen des ehemaligen Schottenklosters im Tausch gegen den Burkardushof zur Schaffung eines Jugendheimes. Dieses wurde wieder aufgebaut und 1951 eingeweiht. 1956 wurde der Wiederaufbau der Schottenkirche, der ersten Don Bosco Kirche Deutschlands, abgeschlossen.

1980 begannen die Planung und der Neubau eines Berufsbildungswerks am Schottenanger mit Werkstätten, Internat und Berufsschule auf dem Gelände des ehemaligen Schottenklosters. Die Deutsche Provinz der Salesianer Don Boscos und der Caritasverband der Diözese Würzburg schlossen sich im gleichen Jahr zur Caritas-Don Bosco GmbH zusammen.

Spezielle Angebote für Randgruppen

Die Arbeit des Ordens in Würzburg hat viele Gesichter: Ein Schwerpunkt der Caritas-Don Bosco gGmbH ist heute der Bereich der Erziehungs- und Jugendhilfe für junge Menschen mit einem besonderen Hilfe- und Förderbedarf sowie für Jugendliche, die aufgrund von Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten einen beschützenden Rahmen, kontinuierliche Hilfen und individuelle Förderung brauchen. Außerdem finden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hier ein Zuhause und Unterstützung bei der Integration in Deutschland, jugendliche Mütter bekommen in betreuten Wohngruppen einen Platz zum Leben mit Baby, Hilfe bei der Kinderbetreuung und eine Perspektive für ihre eigene berufliche Zukunft. Und dann gibt es eben die vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.

In der Gärtnerei in Gadheim greift Ausbilderin Magdalena Becker einen Blumentopf mit Salat aus der langen Reihe vor dem Gewächshaus. „Das ist Topfsalat – damit auch die, die keinen Garten haben, frisches Gemüse ernten können“, sagt sie. Dann gibt sie den Topf an Gülsen Düsmez weiter. „Ist der gut gegossen?“ Die Auszubildende wiegt ihn einen Augenblick in der Hand. Er fühlt sich schwer an. „Klar ist der gut gegossen“, sagt sie dann überzeugt. „Hab ja auch ich gemacht!“ Die 21-Jährige ist froh, dass sie in Gadheim ihre Ausbildung machen und in einer betreuten Wohngruppe der Einrichtung im benachbarten Veitshöchheim wohnen kann. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt sie.  „Ich bekomme viel Unterstützung, und ich weiß, dass ich die Ausbildung schaffen und einen Job finden kann.“ Am liebsten als Friedhofsgärtnerin.

Das Berufsbildungswerk Würzburg

Das Berufsbildungswerk (BBW) Würzburg ist Teil der Caritas-Don Bosco gGmbH, zu der sich die Salesianer Don Boscos und der Caritasverband der Diözese Würzburg zusammengeschlossen haben. Rund 330 junge Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, Autismus-Spektrum-Störungen oder besonderem Förderbedarf beim Lernen oder bei der sozial-emotionalen Entwicklung erhalten im BBW an den Standorten Würzburg und Gadheim eine Ausbildung unter anderem in den Bereichen Hauswirtschaft, Büro, Bäckerei, Baugewerbe, Informatik und Gastronomie. Zum Bildungswerk gehören ein Friseurladen, ein Backverkauf, eine Gärtnerei und ein Hotel – alles Ausbildungseinrichtungen mit echtem Kundenverkehr, die den Azubis ein praxisnahes Lernen ermöglichen.


Verwandte Themen

Mädchen mit erhobenen Armen
Gesellschaft
Anders oder normal – warum denken wir überhaupt in diesen Kategorien? Warum spielt Leistung in unserer Gesellschaft eine so große Rolle? Was kann man dagegen tun? Ein Gespräch mit dem Sozialethiker Markus Vogt.
Tobias Kutschker im Don Bosco Laden in Aschau
Duales System
Don Bosco in Aschau ist eine Rehabilitationseinrichtung für Menschen mit besonderem Hilfe- und Förderbedarf. Zwei junge Männer erzählen über ihre Zeit in der Einrichtung.
Passgenaue Förderung
Ludwig Mangstl setzt sich seit rund 30 Jahren bei Don Bosco in Aschau am Inn für Jugendliche ein, die es aus verschiedenen Gründen schwerer haben im Leben als ihre Altersgenossen. Ein Gespräch über die Herausforderungen und Ziele seiner Arbeit.