Wien

Vier Ordensgemeinschaften unter einem Dach

Vor drei Jahren ist die jüngste Gemeinschaft der Don Bosco Schwestern in das Minoritenkloster an der Alser Straße in Wien eingezogen. Drei Frauen- und ein Männerorden leben hier zusammen.

veröffentlicht am 25.10.2022

Fünfmal müssen die Don Bosco Schwestern zum Schlüsselbund greifen, wenn sie von der Pfarrkirche, der Dreifaltigkeitskirche an der Alser Straße im 8. Wiener Gemeindebezirk, in ihre Wohnung im ersten Stock des angeschlossenen Minoritenklosters wollen. Das Kloster besteht seit Anfang des 18. Jahrhunderts. Von der Kirche gelangt man direkt in den Kreuzgang mit seinen etwa 4.300 Votivtafeln, die an Dank und Fürbitten aus vielen Jahrzehnten erinnern. Bis in die 1970er-Jahre befand sich gleich gegenüber das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien. „Dank und Bitte“ ist am häufigsten zu lesen, aber auch konkrete Notlagen wie „Danke für das Augenlicht unserer Tochter Katharina“.

Vom Kreuzgang führen zwei Verbindungstüren in das Kloster. Don Bosco Schwester Hermine Mülleder sperrt sie auf. Der erste Stock ist für die Schwestern nur mit dem ebenfalls mit Schlössern gesicherten Lift zu erreichen, denn die Treppen führen in die Klausur der Minoriten. Und dann ist da noch die eigentliche Wohnungstür, breit und zweiflügelig, passend zum barocken Ambiente des Flurs. Den Schlüssel für den Fahrstuhl und das Handy zu vergessen, wird in diesem Gebäude zu einer kniffligen Angelegenheit, wie jede der vier Schwestern der Wiener Gemeinschaft – Schwester Beatrix Baier, Schwester Hermine Mülleder, Schwester Stefanie Priebernig und Schwester Gertraud Steinauer – später unter viel Gelächter zu erzählen weiß.

Zu Hause in einem „echten“ Kloster

Für Schwester Hermine war es zu Beginn gewöhnungsbedürftig, in einem „echten“ Kloster zu wohnen. Als Don Bosco Schwester wohnte sie Zeit ihres Lebens in „typischen“ Häusern der Ordensgemeinschaft, in denen Kindergarten, Hort, Wohnheim oder Schule an die Wohnräume angebunden oder in unmittelbarer Nähe sind, sodass junge Menschen täglich ein und aus gehen. Als sie 2018 nach Wien kam, war die Wohnsituation der Gemeinschaft vor Ort bald nicht mehr ideal. „Wir lebten sehr beengt und mussten uns nach einer neuen Wohnung umschauen“, erzählt Schwester Hermine rückblickend. Im Sommer 2019 kommt man ins Gespräch mit den Franziskaner Minoriten, im Dezember 2019 können die Don Bosco Schwestern ins Kloster einziehen.

Sie sind nicht der einzige Frauenorden, der hier eine Bleibe gefunden hat. Die Steyler Missionsschwestern und die Gemeinschaft der Schwestern Jesu wohnen ebenfalls hier. Heute hat Schwester Beatrix Baier, Leiterin der Wiener Gemeinschaft, ein Treffen organisiert. Bei der Zusammenkunft in einem hellen, modernen Seminarraum hinter einer der vielen Türen im Kloster ist auch Pater Dariusz Zajac dabei. Er ist Pfarrer und Kustos der Minoriten in Österreich und der Schweiz. Obwohl man schon so lange gemeinsam unter einem Dach wohnt, gab es bis jetzt noch nie ein Treffen dieser Art, wie Schwester Beatrix Baier erzählt. Angedacht war es schon vor längerer Zeit. In den letzten zwei Jahren war das aber wegen der Pandemie nicht möglich.

Allen drei eingemieteten Frauengemeinschaften ist es wichtig, sich auch in der Seelsorge in der Pfarre einzubringen. So sind sie eingebunden in die Gestaltung von verschiedenen Gottesdiensten, wie Rorate, Kreuzweg, Fastenfrühmesse oder Sonntag der Weltkirche.

Natürlich begegnet man sich im Haus, schaut aufeinander und besucht sich. „Und wir sehen uns regelmäßig während und nach der Messe“, erklärt Schwester Elisabeth Salfinger von den Steyler Missionsschwestern. „Das ist dann wie der Kirchplatz. Dann wird geplaudert – über Alltägliches, Pastorales oder auch über Medizinisches“, erzählt die Diplomkrankenschwester, die zuletzt im Orthopädischen Spital in Speising gearbeitet hat. Sie und ihre Mitschwester Maria Notburga Reichegger schätzen das Zusammenleben vor allem wegen der offenen und menschlichen Atmosphäre. Für beide ist das ganz klar der franziskanischen Spiritualität der Hausherren geschuldet.

Gemeinsame Werte erleichtern das Zusammenleben

„Die Atmosphäre im Haus unterstützt das innere Leben“, ist Schwester Maria Fehr von der Gemeinschaft der Schwestern Jesu überzeugt. Das Miteinander, auch das geistliche, ist für sie und Schwester Marlies Schertler von besonderer Bedeutung. Und die Stille, die hier trotz der Lage mitten in der Großstadt möglich ist. „Unsere Zimmer gehen alle in den Klostergarten hinaus.“ Die Gemeinschaft ist seit bald zehn Jahren hier untergebracht. „Wir haben längere Zeit, vor allem bei anderen Frauenorden, gesucht, und es stand die Frage im Raum, ob uns Gott weiterhin in Wien haben will“, erinnert sich Schwester Maria. Der Standort ist eine Art Brücke zwischen den Kommunitäten in Tschechien und der zweiten österreichischen Niederlassung in Klagenfurt.

Dass ihre Gäste jederzeit willkommen sind, schätzen die Schwestern sehr: Sei es ein Treffen des Freiwilligendienstes oder eine Firmgruppe, die sich spontan für einen Besuch entscheidet: Türen und passende Räumlichkeiten öffnen sich für die Besucher. Im März fanden auch drei ukrainische Frauen vorübergehend Quartier im Minoritenkloster. Bei ihrer Betreuung haben die Don Bosco Schwestern und die Minoriten zusammengeholfen. Für Pater Dariusz war die Aufnahme der Geflüchteten auch deshalb möglich, weil die Schwestern – also Frauen – als Ansprechpartnerinnen da waren.

Ein Beispiel, das exemplarisch dafür steht, warum die Minoriten das Kloster für andere Ordensgemeinschaften geöffnet haben. „Uns war es wichtig, dass die neuen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner dieselben Werte leben wie wir“, erläutert Pater Dariusz. Darüber hinaus sind auch die Aufgaben und Anforderungen im Alltag sehr ähnlich und erleichtern Kommunikation und Zusammenleben. „Uns verbinden die Gelübde und ein Leben in der Nachfolge Christi“, bringt Schwester Elisabeth es auf den Punkt. Dass sich die Orden in ihrer Sendung unterscheiden, empfinden alle als bereichernd. Ob es die besondere Hinwendung zu den Kindern wie bei den Don Bosco Schwestern, die Pflege und Mission wie bei den Steyler Missionschwestern, die Seelsorge wie bei den Minoriten oder das Apostolat der Berufung wie bei der Gemeinschaft der Schwestern Jesu ist: Man lernt von den anderen.

Schwestern in der Mehrheit

Die Gemeinschaft der Schwestern Jesu ist nicht nur der jüngste Orden im Haus, sie besitzen auch kein apostolisches Werk, so wie die anderen. „Wir sind bis auf zwei Häuser in Tschechien überall eingemietet“, erklärt Schwester Maria. „Das macht uns in gewisser Weise beweglich, was den Standort betrifft. Wir wissen diese Freiheit auch zu schätzen. Gerade im Vergleich zu den älteren Orden, die schon sehr lange ihre Werke haben, müssen wir uns nicht überlegen, ob wir eine Einrichtung noch halten können oder schließen müssen.“

Eine Grundsatzfrage, die auch die Minoriten dazu bewog, das Kloster mit anderen Ordensgemeinschaften zu teilen und die vorhandenen Wohnräume auf die Bedürfnisse der neuen Bewohner anzupassen.

Dass bis zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich Frauen­orden im Kloster der Wiener Minoriten eingemietet sind, sei nie Absicht gewesen, sagt Pater Dariusz. „Aber es ist schon bemerkenswert, dass mehr Ordensschwestern in diesem Männerkloster leben als Ordensbrüder!“ Es steht fünf zu dreizehn.

Hintergrund

Nachdem 2005 und 2006 die Niederlassungen in Wien Hasenleiten und im Don Bosco Haus ge­schlossen worden waren, eröffneten die Don Bosco Schwestern 2011 im Studentenheim der Akademikerhilfe in der Pfeilgasse im 8. Wiener Gemeindebezirk wieder einen kleinen Standort. 2015 wurde die Niederlassung offiziell gegründet. Als die alte Wohnung aus ­allen Nähten platze, zogen die Schwestern 2019 ins Minoritenkloster an der Alser Straße. Die vier Schwestern gehen unterschiedlichen Arbeiten nach, unter anderem Öffentlichkeitsarbeit für die Salesianer Don Boscos, Pfarrgemeinderat, Schulpforte im ­Bildungszentrum Kenyongasse mit etwa 2.000 Schülerinnen und Schülern, Betreuung der Salesianischen Mitarbeiter, ehrenamtliche Mitarbeit in der Seelsorge bei den Maltesern im Pflegeheim und Näharbeiten für die Don Bosco Schwestern und den Kirchenbedarf.


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