Gemeinschaft

Zwei Ordensschwestern sprechen über Lebensträume

Träume können Orientierung geben. Sie zeigen, was wir uns für ein glückliches Leben wünschen. Wie sehen solche Träume aus, wenn man einer Ordensgemeinschaft angehört? Die Don Bosco Schwestern Bernadeth Geiger und Johanna Götsch im Interview.

veröffentlicht am 10.11.2021

Schwester Bernadeth*, du bist aktuell die jüngste Don Bosco Schwester in der Deutschsprachigen Provinz. Dein Leben als Ordensschwester liegt noch vor dir. Welche Träume hast du in Bezug darauf? Welche würdest du gerne in Erfüllung gehen lassen?
Schwester Bernadeth Geiger: Jugendliche ein Stück ihres Lebensweges zu begleiten! Das habe ich in meiner Heimatpfarre als Verantwortliche der Jugendpastoral getan und das wollte ich mit meinem Eintritt bei den Don Bosco Schwestern zu meiner Lebensaufgabe machen. Die WG Laura in Stams und auch der Don Bosco Hort in Hall waren für mich die ersten Einsatzbereiche, wo ich Kinder und Jugendliche täglich ein Stück ihres Weges begleiten durfte.

Seitdem träume ich davon, meine Fähigkeiten und meine berufliche Professionalität dort einzusetzen, wo junge Menschen schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind, um sie dabei zu unterstützen, ihren Platz in der Gesellschaft und im Leben zu finden.

Ich träume davon, als Ordensfrau das „salesianische Charisma“ so zu leben, dass meine Gottesbeziehung mich stärkt für den Dienst an den jungen Menschen – und der Dienst an den jungen Menschen mich immer wieder auf Gott schauen lässt.

Sind für dich schon Träume in Erfüllung gegangen?
Schwester Bernadeth Geiger: Dieser Traum, an der Seite junger Menschen zu sein, geht für mich in Erfüllung, wenn ich von einem Jugendlichen eine Mercí-Schokolade in die Hand gedrückt bekomme, weil er es im Fach Englisch mit jahrelanger Nachhilfe geschafft hat, eine befriedigende Note zu bekommen. Oder wenn ein anderer Jugendlicher, der mir stolz seinen Lehrabschluss zeigt,  sagt: „Sie haben mir oft in den Hintern getreten, dass ich weiter mache.“

Mein Traum geht auch dann in Erfüllung, wenn die Lebenswelt der Jugendlichen mich an meine Grenzen bringt und ich herausgefordert werde, keinen Rückzieher zu machen.

Schwester Johanna, Zeit deines Lebens hast du dich für Kinder, junge Menschen und Familien eingesetzt. Kannst du uns erzählen, was für dich zum Lebenstraum geworden ist?
Schwester Johanna Götsch: Als ich vor 50 Jahren bei den Don Bosco Schwestern eingetreten bin, war Don Bosco mein großes Vorbild. Und er ist es immer noch! Seine unkonventionelle Art, Menschen zu begegnen, sein bodenständiger Glaube und vor allem sein unermüdlicher, manchmal fast schon verwegener Einsatz für die jungen Menschen berührten mich und weckten in mir eine Sehnsucht, die Jesus-Nachfolge im Sinne Don Boscos zu wagen. Wenn ich heute auf meine jahrzehntelange Pastoral in Stams, Rom, Innsbruck, Wien und jetzt in Baumkirchen blicke, steigt große Dankbarkeit und tiefe Freude in mir auf.

Auf allen Wegstationen durfte ich auf gute Freunde und Weggefährtinnen bauen. Sie alle waren ebenso beseelt vom Wunsch, der Sehnsucht junger Menschen auf die Sprünge zu helfen. Bei den vielen außerschulischen Angeboten für junge Erwachsene holten wir unsere „fünf Brote und zwei Fische“ aus dem Rucksack und baten Jesus um Verwandlung. Und immer wieder reichte es für alle: bei Orientierungstagen, Oasentagen, Wochenenden, Exerzitien, Berg- und Schiwochen, auf Pilgerreisen oder in alltäglichen Begleitgesprächen. Oft waren es die Jugendlichen selbst, die uns diese Brote lieferten, wie es im Johannesevangelium heißt: „Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische.“ Viele verborgene Talente durften und dürfen wir wahrnehmen und schätzen. Ein Motor in mir ist die Überzeugung, dass alles im Leben eine Chance hat, wenn es entdeckt, zu Jesus gebracht und von IHM verwandelt wird.

Dass aller Einsatz auch eine Kehrseite der Medaille hat, ist nicht zu leugnen. Die jeweiligen Zeichen der Zeit wahrzunehmen, sich auf entsprechende Weise, oft auch recht unkonventionell, einzusetzen, das waren und sind nicht immer rosige Wege. Aber es sind sinnvolle Wege, Hebammenwege, und das ist es, was letztlich zählt und Zufriedenheit schenkt.

Welcher Traum soll für dich unbedingt in Erfüllung gehen?
Schwester Johanna Götsch: Ich glaube nicht, dass sich Lebensträume einfach so erfüllen oder dass sie jemals abgeschlossen sind. Ich muss mich einlassen auf das, was daherkommt. So vieles passt in kein Schema! So wie lebendige Not nie in ein Schema passt. Was zählt, ist, dass die Menschen Hilfe finden, wenn sie bei uns anklopfen. Dass wir neue Wege finden, für die das Einhalten von sogenannten Regeln zweitrangig ist. Ich arbeite gerne bis an die Grenzen meiner Kräfte für etwas, das Sinn macht. Da spüre ich dann diese tiefe Dankbarkeit, da gewesen zu sein.

Dankbar bin ich auch, dass so viele Beziehungen geblieben sind! Menschen, die als Salesianische MitarbeiterInnen ihre Berufung leben und heute selber tragende Säulen für die Kinder- und Jugendarbeit sind. Familien, die einzeln oder in Gruppen bei uns und mit uns auftanken. Mütter, die in Krisenzeiten bei uns wohnen. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vorbeischauen und fragen: „Brauchst a Hilfe?“ Viele Mitglieder des Freundeskreises, die mit uns denken, mit uns gestalten, uns finanziell unterstützen und für uns beten. So sind lebensfördernde Träume für meine Arbeit weiterhin unverzichtbar und wichtig. Diese mit Weggefährten zu träumen – ein Geschenk!

Was ratet ihr jungen Menschen, damit sie an ihren Lebensträumen festhalten?
Schwester Bernadeth Geiger: Mache im Blick auf deine Lebensträume immer den nächstmöglichen Schritt. Suche Menschen, die dich begleiten, beraten und dir zur Seite stehen.

Schwester Johanna Götsch: Da würde ich gerne zuerst die Frage stellen: „Worin bestehen deine Lebensträume? Sind sie es wert, festgehalten zu werden?“

*Karoline Golser vom Medienreferat der Deutschsprachigen Provinz der Don Bosco Schwestern ist mit den beiden Ordensschwestern per Du und hat diese Ansprache auch beim Interview beibehalten.

Don Bosco Schwestern Bernadeth Geiger und Johanna Götsch

Schwester Bernadeth Geiger (links) ist seit sechs Jahren im Kinder- und Jugendzentrum Don Bosco in Magdeburg tätig. Schwester Johanna Götsch gehört zur Gemeinschaft der Don Bosco Schwestern in Baumkirchen und arbeitet seit Jahrzehnten mit jungen Menschen.


Verwandte Themen

Gruppenfoto von Mitgliedern der vier Ordensgemeinschaften
Wien
Vor drei Jahren ist die jüngste Gemeinschaft der Don Bosco Schwestern in das Minoritenkloster an der Alser Straße in Wien eingezogen. Drei Frauen- und ein Männerorden leben hier zusammen.
Kinderbuchautor Paul Maar
Porträt
Seit seinem ersten Sams-Band ist Paul Maar sozusagen Wunsch-Experte. Briefe mit Kinderwünschen beantwortet der erfolgreiche Autor alle selbst – und ermutigt die kleinen Absender, an sich zu glauben und ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Mann und Frau lachend auf Schiff
Lebenswege
Ordensleute leben in einer Gemeinschaft mit Ordensschwestern und -brüdern zusammen. Doch was ist mit ihren leiblichen Geschwistern? Salesianerpater Claudius Amann und Don Bosco Schwester Bernadeth Geiger erzählen.