Hilfe für Mädchen

Sierra Leone: Ausweg aus der Prostitution

Zehntausende Mädchen müssen sich in Sierra Leone prostituieren. Die Salesianer Don Boscos kämpfen für die Rechte der jungen Frauen. Aminata hat mit Hilfe von Don Bosco den Absprung aus der Prostitution geschafft.

veröffentlicht am 28.02.2019

Fröhlich laufen die jungen Mädchen durch die Straßen von Freetown. Sie haben sich untergehakt, lachen selbstbewusst und bewegen sich anmutig zu kreolischer Musik. Junge Mädchen, die ihre Jugend genießen, so scheint es auf den ersten Blick. Doch dieser täuscht: Die Mädchen sind Prostituierte und kämpfen jeden Tag ums Überleben.

„Ich prostituiere mich, um essen zu können“, sagt die 17-jährige Aminata aus Freetown im Film „Love-Venderse para Comer“ von Raúl de la Fuente, der von den Misiones Salesianas Madrid in Auftrag gegeben wurde. Der Film prangert die Kinderprostitution weltweit an und zeigt anhand des Schicksals der jungen Frau speziell die Lage in Freetown auf. Aminatas Eltern wurden ermordet. Seit sie 13 Jahre alt war, lebt sie auf der Straße und verkauft ihren Körper an Freier. Ein Schicksal, das Tausende junge Mädchen in der Hauptstadt teilen.

„Sie denken, handeln und fühlen wie Kinder. Sie haben kein Vertrauen in die Menschheit und sich selbst“, so beschreibt der Salesianerpater Jorge Crisafulli die Mädchen, die sich in Sierra Leone prostituieren müssen. Der gebürtige Argentinier leitet seit 2016 das Kinderschutzzentrum von Don Bosco in Freetown. Die Salesianer kümmern sich in der Hauptstadt des westafrikanischen Landes um Kinder und Jugendliche, die am Rand der Gesellschaft leben. Viele sind minderjährige Mädchen, die als Prostituierte arbeiten. Die meisten leben auf der Straße. „In Sierra Leone werden Mädchen und junge Frauen nicht geachtet. Es ist die bittere Wahrheit, dass ein Hund oftmals mehr respektiert wird als die Mädchen“, betont Pater Jorge, der seit 22 Jahren in Westafrika tätig ist. In Freetown schaffen die Mädchen auf der Straße, in Bordellen, Nachtklubs oder auch auf internationalen Fischkuttern an. Der Hauptgrund für die Prostitution sind Armut und Hunger.

Falsche Versprechen

In der Regel verdienen die Mädchen am Tag zwischen ein und zwei Euro. Aminata benötigt das Geld auch, um die Schule besuchen zu können. Sie bezahlt Schulgeld, Hefte und Stifte davon. Die junge Frau möchte ihrem Leben eine Wende geben. „Ich denke, dass wir jungen Mädchen so nicht leben sollten. Die Gefahr ist groß, dass wir krank werden und dann sterben.“ Viele Mädchen wurden von Menschenhändlern mit falschen Versprechen angelockt. Die meisten kommen vom Land und erhoffen sich in der Stadt eine neue Zukunft. Ihnen wird eine gute Arbeit versprochen, dann werden sie ausgebeutet und missbraucht. Über Krankheiten und Risiken sind die Mädchen wenig oder gar nicht aufgeklärt. Einen Arzt können sie nicht bezahlen. Viele haben HIV, Hepatitis, Syphilis oder Malaria. Selbst wenn die Mädchen die Risiken kennen, sind sie dem System oft ausgeliefert. „Ich würde gerne Kondome benutzen, aber die Männer mögen das nicht“, sagt Aminata.

Das Leben der Bevölkerung in Freetown ist vor allem durch Armut, Drogen und Perspektivlosigkeit bestimmt. Der westafrikanische Staat ist gezeichnet von einem mehr als zehnjährigen Bürgerkrieg und den Folgen der Ebolakrise. Viele Kinder und Jugendliche haben ihre Eltern verloren und sind ganz auf sich alleine gestellt. Das Leben auf der Straße bedeutet Gewalt und Gesetzlosigkeit. Die Mädchen haben praktisch keine Rechte und werden gnadenlos ausgebeutet. Wenn ein Freier nicht bezahlt, können sie nichts dagegen tun. Die Polizei ist Teil des Systems, oft werden die Mädchen verhaftet und in Gewahrsam vergewaltigt. „Ich gebe den Kampf aber nicht auf“, erklärt Pater Jorge entschieden. Problematisch seien vor allem die mafiösen Strukturen im Hintergrund. Sein Ziel sei es, den namenlosen Mädchen eine Stimme zu geben und eine Zukunftsperspektive abseits von Armut und Gewalt zu schaffen.

Perspektiven abseits der Prostitution

Im Juli 2017 startete schließlich ein Rehabilitationsprogramm, das sich gezielt an minderjährige Prostituierte im Alter von neun bis 17 Jahren wendet. 100 junge Frauen aus dem Don Bosco Mädchenhaus, das im September 2016 eröffnet wurde, haben bislang daran teilgenommen. Die Mädchen werden psychologisch und ärztlich betreut und erhalten die Chance einer Schul- und Berufsausbildung. Zudem setzt sich Don Bosco für die strafrechtliche Verfolgung der Freier und Zuhälter ein. Prostitution ist zwar in Sierra Leone erlaubt, Verführung Minderjähriger aber nicht. Sozialarbeiterinnen stellen auf der Straße mit den Mädchen den Erstkontakt her. 43 Prozent der Mädchen auf den Straßen Freetowns sind zwischen 15 und 17 Jahre alt. 58 Prozent waren Opfer von sexuellem Missbrauch und 42 Prozent Opfer von Polizeigewalt. Fast alle Mädchen möchten wieder mit ihren Familien zusammenkommen, vor allem mit ihren Müttern. 40 Prozent möchten wieder zur Schule gehen und 53 Prozent eine Berufsausbildung machen. Dies ergab eine Umfrage, die Don Bosco in Freetown durchgeführt hat.

Don Bosco ist es wichtig, den Mädchen eine Perspektive abseits der Prostitution zu bieten. „Die Mädchen lernen ein Zuhause und Familienstrukturen kennen. Unser Ziel ist es, sie wieder in die Gesellschaft zu integrieren und mit ihren Familien zusammenzuführen“, betont Pater Jorge. Aminata ist eines dieser Mädchen. Pater Jorge brauchte ein halbes Jahr, um sie für eine Teilnahme an dem Don Bosco Programm zu gewinnen. Noch entscheidender ist jedoch, dass er auch ihr Vertrauen gewinnen konnte. Die schmerzhaften Erfahrungen lassen tiefe Narben bei den Mädchen zurück.
Aminatas Geschichte wurde zu einer Erfolgsgeschichte. Sie lebt jetzt auf dem Land bei ihrer Großmutter. Überglücklich haben sich die beiden nach Jahren wieder in die Arme geschlossen. Aminata hat sich ein eigenes kleines Geschäft aufgebaut, weit weg von den Straßen Freetowns. Ihr Leben auf dem Land gefällt ihr. Und dieses Leben wünscht sie sich später auch für ihre Kinder.

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Sierra Leone bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Hilfe für Kinder bei Don Bosco Fambul

1986 sind die Salesianer Don Boscos nach Sierra Leone gekommen. Zwölf Jahre später wurde in Freetown „Don Bosco Fambul“ gegründet, was im lokalen Dialekt „Familie“ bedeutet. Vier Salesianer,  110 Sozialarbeiter und eine Gruppe Freiwilliger setzen sich für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Das Zentrum ist eine wichtige Anlaufstelle für Straßenkinder, Ebolawaisen und sexuell missbrauchte Mädchen.


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