Vietnam

Wie eine Gastronomieschule jungen Menschen aus der Armut hilft

Die Don Bosco Gastronomieschule Mai Sen in Ho Chi Minh City ist einzigartig in Vietnam. Sie bietet jungen Menschen aus armen Familien die Möglichkeit, eine qualifizierte Ausbildung zu machen. Die Hotelfachkräfte sind im ganzen Land sehr gefragt.

veröffentlicht am 16.11.2023

Konzentriert serviert Vu Thi Anh die vietnamesische Reisnudelsuppe von rechts – so, wie sie es gelernt hat. Die Suppe hat sie vorher selbst in der Küche zubereitet. Die angehende Köchin und Gastronomiefachkraft steckt im zweiten Ausbildungsjahr an der Mai Sen Hotelfachschule in Ho Chi Minh City, ehemals Saigon. Die Schule wird von den Salesianern Don Boscos geführt und bietet jungen Menschen aus armen Familien die Chance auf eine bessere Zukunft.

Nach ihrem Highschool-Abschluss erzählte eine Nonne Vu Thi Anh von der Hotelfachschule in Ho Chi Minh City. Die größte Stadt Vietnams ist ein paar Stunden Auto­fahrt von ihrem Zuhause entfernt. Ihre Familie lebt auf dem Land. Kinder und Jugendliche aus armen Familien müssen in der Schule keine Gebühren zahlen und können in einem Wohnheim unterkommen. „Mein Vater wollte erst nicht, dass ich alleine nach Ho Chi Minh City gehe. Doch ich habe ihn schließlich überzeugt. Meine Mutter hat mich von Anfang an unterstützt“, sagt Vu Thi Anh. Mittlerweile ist die ganze Familie glücklich, dass sie an der Mai Sen Schule studiert und gute Zukunftsper-spektiven hat.

"Ich kann sehr hartnäckig sein"

„Am schwierigsten war es für mich, Englisch zu lernen. Am Anfang konnte ich kaum etwas verstehen. Aber ich habe mich sehr angestrengt. Im Wohnheim musste ich viel Englisch sprechen, das hat mir sehr geholfen. So wurde ich mit der Zeit immer sicherer“, freut sich die 20-Jährige. Vu Thi Anh ist fleißig, denn sie möchte einen guten Abschluss machen. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann kann ich sehr hartnäckig sein. Ich arbeite viel, um mein Ziel zu erreichen.“ Nach dem Abschluss als Gastronomiefachkraft möchte sie erst einmal Berufserfahrung sammeln – auch im Ausland. „Ich möchte neue Orte und Länder kennenlernen und viel reisen.“

In Vietnam boomt seit vielen Jahren der Tourismus. Ausgebildete Fachkräfte sind Mangelware, denn in dem ­asiatischen Land gibt es nur wenige Gastronomieschulen. Das hatte den Deutsch-Vietnamesen Francis van Hoi, der lange Zeit in München als Koch und Gastronom gearbeitet hat, auf eine Idee gebracht: Warum sollte er nicht das Know-how aus Deutschland in sein Heimatland importieren? So entstand die Idee der Don Bosco Gastronomieschule in Ho Chi Minh City.

Ausbildung im eigenen Bistro

Zurzeit besuchen 22 Mädchen und 26 Jungen die Schule. Die Nachfrage übersteigt bei Weitem das Angebot. Während der Ausbildung können die Jugendlichen in einem Don Bosco Wohnheim leben. Ausbildung und Unterkunft sind gratis. Der Umsatz aus dem Restaurant fließt ganz in die Förderung der Lehrlinge. Mit ihrem Trinkgeld etwa bezahlen die Jugendlichen ihre Schulbücher. In der dreijährigen Ausbildung lernen Jugendliche und junge Erwachsene aus armen Familien nicht nur Kochen und Servieren. Auch ihre sozialen Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit werden gefördert. Auf dem Stundenplan stehen zudem Hygiene, Ernährungslehre und Englisch. Die jungen Männer und Frauen bekommen auch Werte wie Höflichkeit und Pünktlichkeit vermittelt. Gegenseitiger Respekt und das gewaltfreie Lösen von Problemen sind ebenfalls Kompetenzen, auf die Wert gelegt wird.

Zur Gastronomieschule gehört auch ein eigenes Bistro. Das Ausbildungsrestaurant bietet vietnamesische und europäische Küche an. Im Bistro lernen die jungen Leute, zu kochen und wie man im Service arbeitet. Seit 2019 können sie in der Gastronomieschule auch eine 18-monatige Ausbildung zum Bäcker oder zur Bäckerin in der hauseigenen Bäckerei absolvieren.

Die Berufsausbildung zum Gastronomiefachwirt besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Die praktische Ausbildung in einem Hotel – darunter sind auch Fünf-Sterne-Hotels – dauert zwölf ­Monate. Die Gastronomieschule arbeitet eng mit den Sterne-­Hotels zusammen. Der Tourismus in Vietnam hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt. Auch nach Corona kommen wieder viele Touristen ins Land. Allein in Ho Chi Minh City gibt es Dutzende Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels, dazu kommen mehrere Tausend Restaurants und Imbisse.

Viele Unternehmen wollen die Auszubildenden gerne übernehmen. Es ist in Vietnam einzigartig, dass die jungen Männer und Frauen eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild erhalten: Theoretischer Unterricht und Praxis sind schon während der Ausbildung eng miteinander verknüpft. Die Abschlussprüfung legen sie vor der deutschen Außenhandelskammer ab.

Beginn einer besseren Zukunft

Die Lehrkräfte des Mai Sen kommen aus aller Welt, zum Beispiel aus Deutschland, Irland, Australien oder Kalifornien. Zudem unterrichten viele lokale Unternehmer – auch ehrenamtlich. So wie Chu Huu Thang, der Schüler in Mai Sen war. Der 25-Jährige stammt aus der Provinz Dak Nong im zentralen Hochland von Vietnam. Seine dreijährige Ausbildung in der Gastronomieschule hat er 2019 erfolgreich abgeschlossen. Jetzt unterrichtet er die jungen Auszubildenden. Er ist Betreuer und Mentor für die jüngeren Studenten. „Für mich geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um Dankbarkeit. Ich habe so viel Hilfe von Mai Sen erhalten, das möchte ich jetzt an die jungen Auszubildenden und Don Bosco zurückgeben.“

Eine Tante, die in Mai Sen studiert hatte, nahm Chu Huu Thang 2016 mit nach Ho Chi Minh City. Dort brachte sie ihn zu ihrer ehemaligen Schule. Eine Wende in seinem Leben. „Ich wusste gleich: Hier bin ich richtig!“ Die Schule vermittelte ihm alles, was er wissen musste, um in der Gastronomie zu arbeiten. „Ich war glücklich, in der Don Bosco Schule arbeiten, lernen und leben zu dürfen. Viele meiner Altersgenossen hatten diese Chance nicht!“, so Chu Huu Thang. Für seine Zukunft hat er klare Ziele. „Ich möchte meine Kochkünste ausbauen. Danach gehe ich entweder ins Ausland oder arbeite in einem internationalen Restaurant in Vietnam als Koch.“ Mai Sen wird er treu bleiben. Denn hier hat seine Zukunft begonnen.

Mehr Informationen über die Arbeit der Salesianer Don Boscos und der Don Bosco Schwestern in Vietnam bei Don Bosco Mission Bonn, Don Bosco Mission Austria und der Missionsprokur der Don Bosco Schwestern.

Don Bosco in Vietnam

Die Salesianer Don Boscos sind seit 1972 in Vietnam. Insgesamt gibt es 17 Einrichtungen an drei verschiedenen Standorten. Zu den Angeboten zählen Jugendzentren, Pastoral- und Sozialzentren, weiterführende Schulen und Berufsbildungszentren. Die Gastronomieschule wurde im Jahr 2014 gegründet. Hunderte junge Menschen ­haben seitdem dort ihre Ausbildung zum Hotelkaufmann beziehungsweise zur Hotelkauffrau, Bäcker und Bäckerin, Koch und Köchin oder zur Haushaltshilfe gemacht.


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