Karneval feiern

Einmal jemand anders sein – Warum Kinder den Fasching lieben

Clown, Spiderman, Biene, Prinzessin – Kinder lieben es, sich zu verkleiden und die Welt aus anderen Augen zu sehen. Woher der Brauch kommt und was Fasching für Kinder bedeutet, erklärt der Erzieher und Theologe Christian Huber.

veröffentlicht am 30.01.2023

Jedes Jahr aufs Neue und doch immer wieder anders: Die fünfte Jahreszeit begeistert viele Menschen. Für Kinder gehören Faschingsfeiern zu den Höhepunkten des Jahres. Einmal jemand ganz anders sein, eine andere Gestalt annehmen, in eine unbekannte Rolle schlüpfen. Auch viele Erwachsene haben daran Freude. Wer durch Läden und Einkaufszentren schlendert, findet Kostüme in allen Variationen und Größen. Der Markt versucht, jeden Wunsch zu erfüllen. Dabei entdeckt man stets Klassiker wie Clownskostüme oder geblümte Sakkos in schrillen Farben. Für die Kinder ist die Fülle noch größer und reicht vom Spiderman-Anzug über Astronauten und Bienen bis hin zur klassischen Prinzessin. Alles ist möglich!

Doch woher kommt diese Tradition eigentlich? Und was fasziniert Groß und Klein so sehr daran, andere Existenzen anzunehmen?

Lange Tradition

Für Feste, an denen man sich verkleidete und andere Rollen einnahm, gibt es Beispiele, die weit vor die Geburt Christi reichen. Sie ähneln jedoch nur sehr entfernt dem, was wir unter Fasching oder Karneval verstehen. Im Mittelalter beginnt eine Tradition, die sich teilweise bis heute erhalten hat. Im Rahmen sogenannter „Narrenfeste“ übernahmen Kleriker oder auch Kinder für einen Tag höhere geistliche Ämter. Es existieren sogar Berichte über „Kinderbischöfe“. Bis heute gibt es in manchen Klöstern die Tradition, dass der jüngste Novize (eine Art „Auszubildender“ in einem Kloster) einen Tag lang Abt, also Vorsteher des Klosters wird. Die älteste Überlieferung einer Faschingszeit die, wie bei uns heute, die Fastenzeit einläutet, findet sich bei dem Dichter Wolfram von Eschenbach um 1200. Verkleidete Gestalten führten hier Tänze auf – am Donnerstag vor Aschermittwoch, an dem eben die Fastenzeit beginnt.

Bezeichnungen und Gebräuche zu Fasching oder Karneval unterscheiden sich regional ziemlich, sie alle eint aber: Die Menschen verkleiden sich, feiern noch ein letztes Mal ausgelassen, bevor dann am Aschermittwoch die 40-tägige Fastenzeit beginnt.

Was das Fest für Kinder bedeutet

Kinder haben generell Freude am Verkleiden, nicht nur zu Fasching. Eine andere Identität annehmen, diese nachzuahmen und zum Beispiel als Polizist einmal Autorität walten lassen oder als Tier die Reaktionen der Umwelt auf sich wirken zu lassen. Auch für uns Erwachsene ist das anziehend, schließlich ist im Alltag kaum Zeit und Raum für derartige Erfahrungen. Einmal träumen und den Traum Wirklich werden zu lassen, das weckt unsere Neugier.

Gerade Kinder, die in einem gewissen Alter noch sehr „ich-bezogen“ sind, lernen durch das Verkleiden, ihre Perspektiven zu ändern. Mit dem Annehmen einer anderen Gestalt geht es schließlich auch einher, die Gefühle dieser Gestalt nachzuempfinden und dementsprechend zu agieren.

Manche Eltern fragen sich, ob es Grenzen bei der Auswahl der Verkleidungen gibt. Meine Empfehlung ist: Geben Sie Ihren Kindern zunächst die Möglichkeit, kreativ zu werden. Setzen Sie keine unnötigen Grenzen. Warum sollte ein Junge nicht als schön geschminkter Marienkäfer seinen Tag genießen? Oder ein Mädchen Spaß daran haben, einen Tag lang als Superheld verkleidet Erfahrungen zu machen und Eindrücke zu gewinnen? Von Verkleidungen, die andere Menschen verletzen können oder gewaltverherrlichend sind, rate ich dagegen ab.

Spaß haben und lernen

Bei uns in der Einrichtung gestalten wir die Faschingszeit und die Faschingsfeier häufig mit einem Motto, in diesem Jahr „Rund ums Meer“. Die Gruppen werden dem Motto entsprechend geschmückt, gemeinsam basteln die Kinder Kraken, Krebse und bunte Fische, die in allen Farben von Wänden und Fenstern leuchten. Dazu bietet es sich an, eine kleine inhaltliche Einheit zu machen und sich mit einem Meerestier einmal genauer sachlich zu beschäftigen. Es gibt viele andere Mottos, bei denen nicht nur Spaß und Dekoration im Vordergrund stehen, sondern mit denen auch Lerneffekte einhergehen können. Unsere Faschingsfeier selbst ist so, wie man es häufig kennt: Jedes Kind darf verkleidet kommen, keines muss. Wir tanzen, spielen Spiele und erfreuen uns an einem reich gedeckten Faschingsbuffet.

Ich wünsche Ihnen und besonders Ihren Kindern eine schöne Faschingszeit. Nutzen Sie die Gelegenheit, Eindrücke und neue Erfahrungen zu sammeln – und die Welt einmal mit anderen Augen zu sehen.


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