Entscheidungen
Kinder mitbestimmen lassen: So funktioniert's
Wenn Eltern sich für die Bedürfnisse und Ansichten ihrer Kinder interessieren, legen sie damit einen wichtigen Grundstein für ein gesundes Selbstwertgefühl. Ein Beitrag unseres Kooperationspartners „elternbriefe“.
veröffentlicht am 04.02.2022
In der Kita unseres Sohns Emil (5 Jahre) sollen die Kinder jetzt selbst entscheiden, ob bzw. was sie essen und ob sie bei kaltem Wetter eine Jacke anziehen oder nicht. Inzwischen will unser Sohn auch zuhause überall mitbestimmen. Aber es gibt doch auch Grenzen! Wie sollen wir uns da verhalten?(Sonja, 24 Jahre & Marten, 26 Jahre)
Partizipation in der Familie
Für Kinder ist es wichtig, mitbestimmen zu dürfen und Einfluss nehmen zu können – also zu „partizipieren“. Erfahren Kinder schon frühzeitig, dass auch ihre Meinung zählt und respektiert wird, lernen sie, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Wenn Sie als Eltern sich für die kindlichen Bedürfnisse, Wünsche und Ansichten interessieren, legen Sie damit einen wichtigen Grundstein für ein gesundes Selbstwertgefühl.
Kinder ernst nehmen
Situationen, in denen Kinder – ohne verständliche Erklärungen – (scheinbar) willkürliche Verbote erfahren oder abgewertet werden, verwirren Kinder oder lassen sie traurig bzw. wütend zurück. Dazu gehören auch Aussagen wie: „Du machst, was ich sage“ oder: „Du isst, was auf den Teller kommt“. Bei Kindern, deren Bedürfnisse und Sichtweisen häufig nicht ernst genommen werden, besteht zudem die Gefahr, dass sie sich irgendwann zurückziehen oder sich verweigern.
Kinder unterstützen
Manchmal entstehen innerhalb der Familie Meinungsverschiedenheiten, weil unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Das ist ganz normal! An solchen Konflikten, bei denen Sie als Eltern einerseits Grenzen aufzeigen und andererseits Ihrem Kind den Raum lassen sich einzubringen, kann das Kind wachsen und reifen.
- Erklären Sie Regeln kindgerecht und machen Sie sie – wenn möglich – erfahrbar.
- Grundsätzlich ist es hilfreich, mit Ihrem Kind immer wieder ins Gespräch zu gehen, Ursachen für sein Verhalten herauszufinden, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und das Kind auch eigene Erfahrungen machen zu lassen.
- Partizipation heißt nicht, dem Kind jeden Wunsch zu erfüllen, sondern es in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und es ernst zu nehmen!
Kinder beteiligen
Wichtig ist generell, Ihr Kind so viel wie möglich in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen, die es selbst betreffen – und es gleichzeitig vor Folgen zu schützen, die es selbst noch nicht absehen kann. Grenzen sind auf jeden Fall dort zu setzen, wo Ihr Kind (oder andere) sonst zu Schaden kommen würden. Das ist manchmal keine leichte Entscheidung. Es lohnt aber, bestehende Regelungen immer mal wieder zu hinterfragen und Ihr Kind altersgerecht in Entscheidungen mit einzubeziehen.
Wie Mitbestimmung im Familienalltag aussehen kann, zeigen wir an zwei Beispielen:
Unser Kind will nicht essen.
- Wenn Ihr Kind während einer Mahlzeit etwas nicht essen möchte, sollte es nicht dazu gezwungen werden.
- Versuchen Sie stattdessen der Sache auf den Grund zu gehen. Sprechen Sie mit Ihrem Kind: Vielleicht hat es beim Abendbrot keinen Hunger, weil es nachmittags eine größere Zwischenmahlzeit hatte. Oder es ekelt sich vor bestimmten Speisen.
- Auch ein kindgerecht angerichteter Teller kann die Motivation zum Essen steigern. Genauso wie das gemeinsame Kochen und Erkunden der Lebensmittel. So erhält Ihr Kind außerdem ein besseres Gefühl dafür, was es auf dem Teller hat und was ihm schmeckt und was nicht.
- Eine weitere Option sind ein oder zwei Tage in der Woche, an denen sich Ihr Kind etwas zu essen wünschen darf. In Familien mit mehreren Kindern (oder wenn auch die Eltern einen ‚Essens-Wunsch-Tag‘ haben), erfahren Kinder zu Hause die Vielfalt der Geschmäcker.
- Sollte Ihr Kind über längere Zeit keinen oder wenig Hunger haben, ist es ratsam ein Essenstagebuch anzufertigen und mit dem Kinderarzt abzuklären, welche Ursachen hierfür in Frage kommen.
Mein Kind will bei kaltem Wetter nichts Warmes anziehen.
- Bezogen auf das Thema wettergerechte Kleidung kann es hilfreich sein, wenn Sie mit Ihrem Kind in aller Ruhe besprechen, bei welchen Temperaturen welche Kleidung angemessen ist – und wieso.
- Eventuell kann es auch sinnvoll sein, Ihr Kind bei kühleren Temperaturen zunächst einmal ohne Jacke nach draußen gehen zu lassen. Vorausgesetzt, die Jacke ist für den Fall der Fälle rasch griffbereit. Fühlen Sie zwischendurch die Temperatur Ihres Kindes und fragen Sie (gegebenenfalls mehrfach) nach, ob es ihm tatsächlich ohne Jacke warm genug ist. Dadurch erfahren zum einen Sie als Eltern, wie kalt oder warm es Ihrem Kind tatsächlich ist. Denn: vielleicht ist die dicke Winterjacke beim Fangen-Spielen ja gar nicht nötig? Und zum anderen erlebt Ihr Kind, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden und es sich z. B. selbst die Jacke anziehen kann, sobald es ihm zu kalt wird. Außerdem entwickelt das Kind so ein Gefühl dafür, bei welchen Temperaturen es die Jacke benötigt. Das ist ein weiterer Schritt in Richtung Eigenständigkeit und Eigenverantwortung.
- Beziehen Sie Ihr Kind generell in die Auswahl der Kleidung stärker mit ein. Zum Beispiel, indem Sie gemeinsam vor dem Kleiderschrank ein Outfit für kühle Tage zusammenstellen.
Text: Sandra Mirbek, Heilpädagogin, Motologin, Systemische Beraterin und Dozentin an verschiedenen Hochschulen
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