Spannende Phase

Beim zweiten Kind wird nochmal alles anders

Hurra, noch ein Baby! Aus Mutter-Vater-Kind wird ein Quartett. Und auch sonst ändert sich so Einiges. Was Eltern in dieser Familienphase helfen kann.

veröffentlicht am 31.10.2016

Alles wird gut!

Ein Kind ist schon stressig. Wie soll das bloß mit zweien werden? Wie wird das erste Kind mit der neuen Situation klarkommen? Und wie können wir beiden gerecht werden? Fragen wie diese treiben viele Eltern während der Schwangerschaft um. „Es wird alles gut“, beruhigt Sozialpädagogin Kornelia Ritter von der katholischen Familienbildungsstätte „Haus der Familie“ in München. „Für das erste Kind ist es vielleicht zunächst verwirrend, wenn noch ein Geschwisterchen kommt. Aber grundsätzlich ist es eine Bereicherung.“ Kornelia Ritter rät Müttern und Vätern, vor der Geburt des zweiten Kindes noch viel Zeit mit dem Erstgeborenen zu verbringen, die Zweisamkeit noch einmal bewusst auszukosten. Und sich klarzumachen: Wir haben Erfahrung als Eltern. Wir haben dem ersten Kind ganz viel gegeben. Und wir werden das auch mit dem zweiten schaffen!

Wie sag ich’s meinem Kind?

Die meisten Eltern möchten ihre Freude über den neuen Familiennachwuchs möglichst früh mit ihrem älteren Kind teilen. Das ist normal und auch gut so. Bedenken sollten sie dabei: Für ein Kind sind neun Monate eine unendlich lange Zeit. Es hat keine Vorstellung davon, was es bedeutet, dass Mama nochmal schwanger ist – selbst dann, wenn es den Bauch wachsen sieht und ihn streicheln darf. Entscheidend ist, welche Emotionen es bei Mutter und Vater spürt. Wenn die Mama glücklich oder auch in sich gekehrt am Küchentisch sitzt. Wenn der Papa emsig das neue Bettchen montiert. Diese Gefühle nimmt das Kind wahr – und wird darauf entsprechend reagieren. Zum Beispiel, indem es noch einmal intensiv die Nähe der Eltern sucht.

Vorbereitung – möglichst konkret

Bücher, Filme, Kurse – das Informationsangebot für Familien, die ein weiteres Baby erwarten, ist groß. Viele der Angebote können den Kindern – je nach Alter – durchaus helfen, zu verstehen, was da in Mamas Bauch vor sich geht – und was dadurch auf sie zukommt. Wirklich vorbereiten können sie die Kinder aber nicht. Einfach, weil das echte Baby noch nicht sichtbar – und damit für die Kinder noch unvorstellbar ist. Kornelia Ritter hält deshalb auch wenig von „Geschwisterkursen“, bei denen Kinder unter fachkundiger Anleitung zum Beispiel eine Puppe baden und den Kreißsaal besichtigen dürfen und am Ende eine Urkunde als geprüftes Geschwisterkind bekommen. Die Vorbereitung des Erstgeborenen auf das neue Baby sei eine längerfristige Sache und müsse daheim geschehen, sagt die Sozialpädagogin. „Das hat viel mit Beziehung zu tun.“ Sie rät: Möglichst konkret sollte es sein! So können die Eltern das Kind mit einbeziehen, wenn sie den Platz für das Baby vorbereiten. Oder gemeinsam Fotos vom Großen als Baby anschauen und deutlich machen, wie  sie sich damals über seine Geburt gefreut haben. Die entscheidende Frage für das ältere Kind sei, was mit ihm passiere, vor allem, ob die Eltern es noch genauso lieb haben, wenn das Baby da ist.

Den Tagesablauf anpassen

Einschlafen geht nur, wenn Mama daneben liegt. Beim Essen spielt Papa mit dem Löffel Flugzeug, weil sonst die Nudelsoße nicht schmeckt. Wenn das Baby da ist, könnte es schwierig werden mit diesen Gewohnheiten. Deshalb sollten nötige Veränderungen schon Monate vor der Geburt vorgenommen, neue Rituale rechtzeitig eingeübt werden. Dabei soll das Kind nicht den Eindruck bekommen, dass die Abläufe wegen des Babys geändert werden – um nicht schon jetzt Wut oder Eifersucht bei ihm hervorzurufen. Kornelia Ritter rät zudem dringend, auch die Arbeitsverteilung der Eltern untereinander neu auszuloten. Allerspätestens jetzt müsse der Vater bestimmte Routinetätigkeiten wie Zu-Bett-Bringen oder Füttern übernehmen, damit das Kind nicht allein auf die Mutter fixiert sei und es den Vater als weiteren verlässlichen Bezugspunkt wahrnehmen könne.

Eifersucht ist normal

Dass das große Kind auch mal eifersüchtig wird, wenn das Baby da ist, lässt sich kaum vermeiden – und ist im Grunde auch verständlich. Wer mag es schon, wenn der Mensch, den man liebt, plötzlich einen anderen lieber zu haben scheint? Noch dazu, wenn dieser Jemand ständig brüllt und die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. „Eifersüchtige Zwerge brauchen neben klaren Grenzen vor allem Geduld und Verständnis“, heißt es in der Ausgabe 17 der „Elternbriefe – du + wir“, einer von der katholischen Kirche initiierten Schriftenreihe. Die Eltern sollten sich immer wieder bewusst machen, dass ihr Kind gerade eine „gewaltige Entwicklungsaufgabe“ bewältige. „Die übermächtigen Gefühle, die die ‚Großen‘ jetzt heimsuchen, sind nicht ‚böse‘ – auch wenn das für die gestressten Eltern manchmal so wirkt.“ Die Kinder könnten ihre Empfindungen nur nicht anders ausdrücken und verarbeiten. Also: Aushalten, gelassen bleiben. Und dem Älteren immer wieder vorsichtig vermitteln, dass das Kleine im Prinzip ein Gewinn für die Familie ist.

Hauen geht nicht!

Was allerdings nicht geht, sind Reaktionen, die dem Baby schaden können. Die Großen müssen lernen, dass das Baby empfindlich ist und man vorsichtig mit ihm umgehen muss. Erst lange zusehen und abwarten sei nicht zu empfehlen, sagt Sozialpädagogin Kornelia Ritter. „Sofort Klarheit schaffen und Grenzen setzen. Das ist für alle die bessere Lösung.“

Wenn das „Große“ nochmal klein sein will

Das Baby bekommt alles, was es will. Das Erstgeborene muss plötzlich Rücksicht nehmen, Verantwortung übernehmen – groß sein. Und hat das Gefühl: Das neue Geschwisterchen nimmt mir Mama und Papa weg! Also wird es in einigen Situationen wieder selbst zum Baby – will getragen, gestreichelt und gefüttert werden. Oder möchte wieder Windeln tragen, obwohl es eigentlich längst trocken war. Kornelia Ritter empfiehlt, auf zwei Ebenen zu reagieren: Zum einen können Eltern dem Wunsch des Kindes durchaus kurz nachgeben, mit ihm Baby „spielen“. Zum anderen sollten sie das Kind in seiner „freiwilligen Selbstständigkeit bewusst unterstützen“. Wenn das Kind also von sich aus selbst das Marmeladenbrot schmiert oder dem Baby das Mützchen bringt, sollten Mutter oder Vater es loben. Nicht hilfreich ist es, das Ältere jetzt gezielt zu mehr Selbstständigkeit anzuhalten oder zu viel Rücksichtnahme und Verantwortungsgefühl von ihm zu fordern.  

Und beim dritten Kind?

Der ganz große Schritt ist es nicht mehr, wenn die Nummer drei sich ankündigt. Beim dritten, vierten oder weiteren Kindern hat die Familie die einschneidendste Erweiterung schon hinter sich. Natürlich können auch dann spezielle Probleme auftreten, die die Eltern bewegen – zum Beispiel die finanzielle Lage oder die Wohnsituation. Auch die Geschwisterkonstellation ändert sich mit jedem weiteren Kind. Aber grundsätzlich kennen sich die Eltern aus und fühlen sich gut vorbereitet. Und manche sind sogar überzeugt: Ab dem dritten Kind wird’s wieder einfacher!

Immer wieder: Zeit zu zweit

Vielleicht eine der wichtigsten Empfehlungen für Mütter und Väter: Sorgen Sie immer wieder für Zeiten, die nur einem Kind gehören, in denen Tochter oder Sohn die gesamte Aufmerksamkeit von Vater oder Mutter bekommen. Das gelte generell für Familien mit mehr als einem Kind, betont Kornelia Ritter. „Die Zeiten zu zweit sind die Zeiten, in denen man die Beziehung pflegen kann, etwas aufbauen kann.“ Man denke ja immer, man müsse alles zusammen machen in der Familie, aber das sei schwierig und oft aufreibend. „Einfach und pflegend ist immer die Einzelbeziehung“, so Ritter. „Die schenkt Entlastung. Da kann man auftanken.“


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