Konflikte lösen

Mit Mediation gemeinsame Lösungen finden

Wenn Familienangehörige sich streiten, kann es passieren, dass die Parteien am Ende den Konflikt vor Gericht austragen. Damit es erst gar nicht so weit kommt, vermittelt Mediatorin Eva Heistracher.
  • Christine Wendel

veröffentlicht am 01.09.2018

Wenn Eva Heistracher auf Fragen antwortet, überlegt sie erst einen Moment, bevor sie spricht. Die richtigen Worte sind der 53-jährigen Österreicherin wichtig. Auch – und besonders – bei ihrer Arbeit. Wenn es Menschen schwerfällt, miteinander zu reden, dann kommen sie zu der stilvoll gekleideten Frau mit der souveränen Ausstrahlung. Die Juristin ist eingetragene Mediatorin. „Gemeinsam Lösungen finden“ steht auf ihrer Visitenkarte. Und daran arbeitet sie etwa mit Paaren, die sich bei einer Trennung uneinig sind über Finanzen oder das Sorgerecht. Aber etwa auch mit Familienmitgliedern, die über einen Nachlass in Streit geraten sind. Rechteckig ist der braune Tisch in der Anwaltskanzlei im österreichischen Seekirchen, wo Heistracher seit 20 Jahren lebt. Die Klienten nehmen in der Regel hier auf den bequemen schwarzen Sesseln gegenüber der Mediatorin Platz. Diese erklärt ihnen dann zunächst das Verfahren und klärt ab, was sich die Betroffenen als Ziel erwarten. Dann geht es an das inhaltliche Arbeiten. „Es gibt nicht den Weg“, erklärt die Juristin. Jeder Fall sei anders. Und jede Person komme mit ihren eigenen Wünschen und Problemen. „Man versucht, durch Fragestellungen das tiefer liegende Bedürfnis herauszubekommen.“ Und so komme durch die offene Gesprächsatmosphäre einiges an die Oberfläche, etwa Verlust- oder Existenzängste.

Alle Beteiligten gleich ernst nehmen

Manchmal sei es nicht so einfach, neutral zu bleiben. Etwa dann, wenn es um Fragen der Kindererziehung gehe, erklärt Heistracher, die selbst dreifache Mutter ist. Ein Partner habe sich zum Beispiel bei seiner Zeit mit dem Kind über die allergiebedingten Ernährungsrichtlinien der Mutter hinweggesetzt. „Ein bisschen Zuckerwatte nach dem Zirkusbesuch kann doch nicht schaden.“ Die Mutter habe sich dann aber um die Bauchschmerzen des Kindes kümmern müssen. Aber auch hier gelte es für Heistracher, zuzuhören und alle Beteiligten gleich ernst zu nehmen. Und bei Sorgerechtsfällen nehmen auch schon einmal das Kind oder die Kinder bildlich Platz. Aus farbigem Papier schneidet Heistracher im Vorfeld Figuren aus – Kopf, Beine, Arme. Und auf den Papierfiguren, die sie dann vor die Eltern legt, steht jeweils der Name des Kindes. „Wie geht es Lukas damit? Wie geht es Sandra damit?“, fragt Heistracher dann die Eltern. Denn schließlich gehe es um die Kinder. Und für sie versuchen Eltern, bei der Mediatorin eine Lösung zu finden, bevor der Streit vor Gericht kommt.

Immer dann, wenn es um Menschen gehe, die langfristig miteinander zu tun haben, dann habe eine Mediation große Chancen. Eltern bleiben etwa Eltern, Familie bleibe Familie. Ganz wichtig sei es, erklärt Heistracher, rechtzeitig zu kommen. „Man darf mit einem Problem nicht zu lange warten.“ Zu lange, das sei, wenn die beteiligten Personen nicht mehr kommunikationsbereit oder -fähig seien. Dann, wenn die Konfliktstufe schon so weit sei, dass die Beteiligten nicht mehr ohne Gesichtsverlust aus dem Streit herauskommen, wenn sich um die Beteiligten Koalitionen gebildet haben und Gerüchte gestreut werden, oder gar ernst gemeinte Drohungen und Gegendrohungen ausgesprochen werden. Denn die Beteiligten einer Mediation müssten die Bereitschaft mitbringen, zuzuhören, und den Willen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Und wertschätzend müsse der Kommunikationsstil sein. Nur so könnten sich die Beteiligten öffnen. „Wenn ich davon ausgehe, dass der andere nur Blödsinn redet, dann bringt das nichts.“

Die Kombination von juristischer und psychologischer Arbeit fasziniert die gebürtige Wagrainerin (Pongau). Und so konnte sie schon vielen Menschen beistehen. Wie vielen genau, das kann sie gar nicht sagen. Ursprünglich wollte Heistracher Journalistin werden. Sie entschied sich dann für ein Jurastudium, um ein Fachgebiet zu haben. „Ich habe mich dabei immer schon für die Bereiche interessiert, die mit Menschen zu tun haben.“ Familienrecht interessierte sie besonders. Und schon damals habe sie sich gedacht, dass viele Fälle erst gar nicht vor Gericht müssten. „Wenn sie das im Vorfeld klären würden, könnten sie viele Konflikte abwenden.“

Nicht wie Wölfe, sondern wie Giraffen miteinander reden

Durch Zufall fand sie nach ihrem Studium einen Weg, dies beruflich zu verwirklichen. Während ihrer Elternzeit stöberte Heistracher einmal durch eine Buchhandlung. Dabei stieß sie auf ein Werk einer deutschen Psychologin über Familiensysteme. „Das hat mich unglaublich interessiert.“ Und dann – als sie gerade in einem Bildungshaus ein Literaturseminar besuchte, ein Hobby von ihr –, erfuhr sie von einer Ausbildungsmöglichkeit zur Partner- und Familienberatung. „Das wollte ich machen“, erklärt Heistracher. Und so begann sie 1996 mit der Zusatzausbildung, schloss im Jahr 2000 damit ab. Sie beriet dann etwa Frauen in Notsituationen sowie Paare und Familien. 2013 bis 2014 folgte dann zudem die Ausbildung zur Mediatorin. Zum einen, weil Heistracher dies als Selbstständige neben ihren weiteren Beratungstätigkeiten ausführen kann – sie arbeitet etwa weiter in der Paar- und Familienberatung in Salzburg, bietet Onlineberatung an und macht einmal die Woche Familienberatung vor Gericht. Zum anderen entschied sie sich für Mediation, weil sie das Thema gewaltfreie Kommunikation sehr interessiert.

Wölfe und Giraffen. Das sind die zwei Sinnbilder der zwischenmenschlichen Kommunikation nach dem US-amerikanischen Begründer der gewaltfreien Kommunikation, Marshall B. Rosenberg. Sprache sei sehr wichtig, erklärt Heistracher. Bei der Wolfssprache ginge es darum, unbedingt recht haben zu wollen, um Kampf und Konfrontation. Und um eine sogenannte lebensentfremdete Kommunikation. Giraffen hätten eine andere Haltung, gewaltfrei. Hierbei müsse man einfühlsam sein, es gehe um Bedürfnisse und Gefühle. Und nur mit der Giraffensprache käme man bei einer Mediation voran. Der Partner solle etwa nicht verlangen, sondern bitten: „Könntest du bitte darauf Rücksicht nehmen?“ statt „Ich verlange, dass du das so und so tust.“ Dies erziele beim Gegenüber eine andere Wirkung. Ebenso gehe es nicht darum, mit seinen Worten zu kritisieren: „Du hast aber ...!“, sondern Wünsche zu äußern: „Ich sehe, du machst das so. Ich würde mir aber  wünschen …“

Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren

Nicht immer ist die Mediation eine Erfolgsgeschichte. Heistracher berichtet etwa von einem Paar, das sich im Laufe der Mediation gut geeinigt zu haben schien. Später erfuhr die Juristin aber, dass sie die erarbeiteten Lösungen vor Gericht verwarfen und weiterstritten. Aber im Endeffekt könnte sie nicht mehr tun, als eine Veränderung des jeweiligen Blickwinkels anzuregen, um neue Lösungen zu ermöglichen. Entscheiden müssten die Beteiligten letztendlich selbst. „Diese Macht haben wir nicht.“ Ein Misserfolg mache sie zwar nachdenklich, „doch wenn ich im fachlichen Austausch überprüft habe, dass ich trotz gescheiterten Ergebnisses professionell gearbeitet habe, kann ich es ziehen lassen“. Umso mehr freut sie sich aber über Erfolgserlebnisse, wenn Kränkungen überwunden werden können und Familien sich einigen. Ob gut oder schlecht, mit nach Hause nehmen will die glücklich verheiratete Juristin die Fälle nicht. „Ich darf mir einfach nicht jeden Schuh selber anziehen.“ Ihr Mann und ihre Kinder stärken sie. „Ich denke, sonst könnte ich das nicht tun.“

Normalerweise dauert eine Mediation jeweils zwei Stunden und erfolgt in sechs Sitzungen. Manchmal sitzt neben Heistracher ein weiterer Mediator, sodass sie als Team arbeiten, manchmal berät sie alleine. Neben Seekirchen arbeitet Heistracher auch in Salzburg. Die Beteiligten kämen zu ihr aus ganz Österreich und auch aus Deutschland. Und sie kommen aus den unterschiedlichsten Schichten. Durch die staatliche Förderung einer Familienmediation in Österreich ist es auch Nicht-Gutverdienenden möglich, zu ihr zu kommen. Doch egal, aus welchem Verhältnis oder Ort sie kommen, eines haben sie gemeinsam: „Es kann sein, dass sie untereinander zu streiten anfangen, uns gegenüber sind sie sehr höflich und respektvoll.“

Heistracher sieht sich selbst als Übersetzerin. „Die Menschen haben unterschiedliche Sprachen“, erklärt sie. „Vielleicht meint Ihr Mann das?“, versucht sie dann etwa, im Gespräch darzulegen, und fragt dann gleich im Anschluss: „Wie sehen Sie das? Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Seite zu wenig berücksichtigt wird?“ In einer guten Mediation, erklärt Heistracher, gehe es nicht darum, zu gewinnen oder zu verlieren, „sondern darum, dass eine Lösung erarbeitet wird, die akzeptiert und viel mehr angenommen wird“.

Biografie Eva Heistracher

Eva Heistracher ist 53 Jahre alt und lebt seit 20 Jahren in Seekirchen bei Salzburg. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder. Gebürtig stammt die Österreicherin aus Wagrain (Pongau). Nach dem Jurastudium in Graz arbeitete sie zunächst in Wien, dann in Salzburg. 1996 machte sie dort eine Zusatzausbildung als Partner-, Ehe-, Familien- und Lebensberaterin. In Linz bildete sie sich als Jugend- und Erziehungsberaterin fort, in Wien als Onlineberaterin. Sie arbeitete unter anderem für das Land Salzburg, ein Frauenhaus, für die Notrufstelle und hatte ein ambulantes Büro. 2013 bis 2014 machte sie zudem eine Ausbildung als Mediatorin in München. Ihre Dienstorte sind Seekirchen und Salzburg.


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