Spannendes Miteinander
Wohnen unter einem Dach – Menschen erzählen, wie sie leben
Eine Bauernhof-Familie, betreutes Jugendwohnen, ein urbanes Mehrgenerationenprojekt oder eine große Hofgemeinschaft: Zusammenleben kann viele Gesichter haben. Hier berichten Menschen, wie das Leben unter einem Dach gelingt.
veröffentlicht am 31.07.2025
Großfamilie auf dem Bauernhof
Blühende Wiesen, Wälder und imposante Gipfel. Idyllischer als in den österreichischen Bergen kann man kaum leben. Der Ferienhof Dürlinde liegt mitten im Bregenzerwald. Drei Generationen wohnen und arbeiten hier harmonisch unter einem Dach: Großeltern, Eltern und drei Kinder zwischen vier und elf Jahren. Sie kümmern sich gemeinsam um den Betrieb, den Hofladen und die Gäste.
Das Leben als Großfamilie klappt hier seit vielen Jahren reibungslos. „Wir schätzen unsere Gemeinschaft sehr und gehen ehrlich, achtsam und respektvoll miteinander um“, erzählt Landwirtin Anna Hagspiel. „Wenn wir Unterstützung brauchen, sagen wir es offen. Wenn etwas nicht passt, sprechen wir es an, akzeptieren aber auch die Haltung des anderen.“
Die Großeltern helfen mit, wo sie können. Die Verantwortung liegt jedoch mittlerweile bei der jüngeren Generation. Das gibt Anna und ihrem Mann Spielraum, den Hof nach ihren Vorstellungen zu entwickeln. Besonders für die Kinder ist diese Art zu leben ein Geschenk. „Wenn sie nach Hause kommen, ist immer jemand da. Sie erleben, wie viel man gemeinsam schaffen kann. Wir lachen hier viel, auch wenn’s mal stressig ist. Diese Leichtigkeit strahlt auf alle ab.“
Einen gemeinsamen Kalender, gibt es nicht. Das meiste fügt sich spontan. Und immer wieder nimmt sich die Familie ganz bewusst Zeit füreinander. Ob beim Grillen nach der Heuernte mit den Gästen, beim gemeinsamen Mittagessen oder beim Filmabend, wenn die Kinder schlafen. Das sind die besonderen Momente, die verbinden.
Betreutes Wohnen für junge Menschen
Im Bildungszentrum von Caritas-Don Bosco in Würzburg, gleich oberhalb des Mains, finden junge Menschen mit besonderen Herausforderungen ein Zuhause auf Zeit. In Wohngruppen leben sie auf einem ehemaligen Klostergelände und erlernen einen von 42 Ausbildungsberufen.
„Die Jugendlichen, die bei uns leben, haben mehrheitlich psychische Beeinträchtigungen, gehören zum Autismus-Spektrum oder haben einen besonderen Förderbedarf im Bereich Lernen“, erklärt Pater Johannes Kaufmann, Direktor der Würzburger Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos. In betreuten Wohngruppen teilen sie Küche, Wohnbereiche und die Aufgaben des Alltags. Mit pädagogischer Unterstützung lernen sie, ihren Tag zu strukturieren, Verantwortung zu übernehmen und selbstständiger zu werden.
„Das Ankommen ist für die jungen Menschen nicht immer leicht“, sagt Pater Johannes. „Die Mitarbeitenden des Bildungszentrums und die Mitbrüder der Würzburger Niederlassung der Salesianer Don Boscos stehen ihnen dabei zur Seite“, sagt Pater Johannes. „Sie haben in der Regel viele Herausforderungen hinter sich. Es kann dauern, bis sie den Ort als Zuhause annehmen.“ Dabei hilft es ihnen zu sehen, dass die Ordensleute hier in einer Gemeinschaft miteinander leben.
„Wir gehen nach der Arbeit nicht nach Hause, sondern gestalten hier unser Privatleben – oft auch gemeinsam mit den Jugendlichen. Wir essen zusammen im Speisesaal und treffen uns zweimal pro Woche beim Clubabend. Dort spielen wir Kicker oder Billard, kommen ins Gespräch, sind einfach da ", erzählt Pater Johannes. Die jungen Leute spüren, dass da jemand ein offenes Ohr für sie hat.
Besonders wichtig ist die familiäre Gemeinschaft an Festtagen: "Wir feiern Weihnachten mit allen, die über die Feiertage nicht nach Hause können. Wir verbringen den Abend zusammen, machen einen Spaziergang, essen Raclette und spielen etwas.“ Intensive Momente, auch für die Mitbrüder. Eine Familie auf Zeit, die Vertrauen und Rückhalt schenkt und jungen Menschen neuen Mut gibt.
Mehrgenerationenwohnen in der Stadt
Familie Höll lebt im Stuttgarter Wohnprojekt „Bern + Stein“. Zwei moderne Mehrfamilienhäuser mit 23 Wohnungen. Dazu eine Küche mit Raum für Kinder, eine Werkstatt und ein Garten. Offene Laubengänge, Sitzbänke und Pflanzen fördern die Begegnung. Kinderwagen und Rollatoren zeigen anschaulich, wie viele Generationen hier zusammen leben.
„Wir waren auf der Suche nach einem stadtnahen, gut angebundenen und bezahlbaren Zuhause, als wir die Anzeige in der Zeitung sahen“, erinnert sich Bernhard Höll an die Anfänge. Die beiden Kinder sollten in einer intakten Nachbarschaft aufwachsen, ein anonymes Mietshaus konnte sich das Paar als Zuhause nicht vorstellen.
Im Wohnprojekt „Bern + Stein“ fühlt sich die Familie nun seit Jahren wohl. Die Bahn und ein Carsharing-Platz sind gleich vor der Tür, so dass sie kein Auto mehr brauchen. Die Hausgemeinschaft ist engagiert und bunt. Hier leben Familien, Paare und Singles vom Kindergarten- bis zum Seniorenalter und auch Menschen mit Behinderung. Sie alle verbindet der Wunsch, das Miteinander zu gestalten. So finden gemeinsame Mahlzeiten und Kinoabende statt. Im Werkhof und im Gemeinschaftsgarten ist immer etwas los.
Arbeitsgemeinschaften kümmern sich um die verschiedenen Bereiche. Der Austausch läuft meist über E-Mail-Verteiler aber auch über einen Infokasten, wo Veranstaltungen angeschlagen werden.
Bernhards Kinder sind mittlerweile elf und acht Jahre alt. „Sie spielen mit ihren Freunden aus dem Haus gerne im Garten. Besonders lieben sie es, wenn im Gemeinschaftsraum Brötchen oder Gemüse der Foodsharing-Initiative liegen. Da können sie sich, wie alle hier im Haus frei bedienen“, schmunzelt Bernhard.
Das gute Miteinander im Haus strahlt auf die Nachbarschaft aus. Die „Bern + Stein“-Gemeinschaft beteiligt sich an der Organisation von Straßenfesten, eine Mitbewohnerin gibt Menschen aus der nahen Flüchtlingsunterkunft Deutschunterricht. Die Hausgemeinschaft teilt ihre Erfahrungen gerne mit interessierten Menschen, denn: „Es ist eine wertvolle Art zu leben und das möchten wir weitergeben.“