Gleichberechtigung

Ja zum Gendern: Mitgemeint ist nicht genug

Früher war unsere Autorin nicht begeistert, wenn aus Studenten Studierende wurden. Heute ist Gendern für sie Pflicht. Weil sie überzeugt ist, dass Sprache unser Denken beeinflusst. Und dass selbst vermeintliche Kleinigkeiten viel bewirken.

veröffentlicht am 30.03.2022

Als ich vor zehn Jahren meine neue Arbeitsstelle im Umfeld der Universität antrat, stieß ich unfreiwillig auf ein Thema, das mir zuvor völlig fremd war: die gendergerechte Sprache. Fast 20 Jahre hatte ich in all meine Jobs – von der Schülerzeitung bis zum Fernsehsender – von Mitarbeitern, Lehrern und Studenten berichtet. Das sei nun nicht mehr richtig, ließ man mich wissen. In der Folge wurden meine Texte konsequent gegendert. Aus Mitarbeitern wurden Beschäftigte, aus Lehrern wurde Lehrpersonal und aus den Studenten wurden Studierende. Ich war sprachlos. Musste das sein? Unsere, also meine, so lieb gewonnene Sprache klang jetzt so verdreht und verfremdet! Warum das alles? Keine Frau, die ich kenne, fühle sich durch das Wort „Student“ diskriminiert, behauptete ich damals selbstsicher – aber erfolglos.

Heute tippe ich, wenn erforderlich, wie selbstverständlich auf die Sternchen-Taste. Mitarbeiter*innen, Lehrer*innen, Professor*innen – es tut mir nicht mehr weh. Weder in den Augen noch im Kopf – im Gegenteil. Wo immer ein Stammtisch zusammentritt, um abfällig über das Gendern herzuziehen, ziehe ich für die Sternchen-Partei ins Feld. Warum? Weil es notwendig ist. Und weil ich nicht zulassen will, dass ausgerechnet diejenigen abfällig über Diskriminierung reden, die gar nicht betroffen sind.

Die Welt hat sich weitergedreht – zum Glück!

Wie wir reden (und schreiben) beeinflusst unser Denken. Und wie wir denken beeinflusst unser Handeln. Soviel war mir schon damals klar. Was ich nicht ahnte, war, wie groß der Einfluss dieser „Kleinigkeiten“ ist. Viele Studien zeigen das eindrucksvoll. Die Wirkung ist so groß, dass sich jede Anstrengung im Sinne der Gleichberechtigung lohnt. Und die kommt allen zugute, die eben doch nicht „mitgemeint“ sind.

Mitgemeint – ohnehin ein blödes Wort, schlimmer als jedes Sternchen. Wenn ich mitgemeint bin, kann man mich doch auch ansprechen! Gott ruft uns mit unserem Namen, so steht es schon in der Bibel. Ein netter Gedanke, wie ich finde. Gott wird mich rufen, weil es um mich geht. Vor ihm verschwinde ich nicht als irgendwie mitgemeintes Teilchen in einem großen Ganzen. Ein gutes Gefühl!

Wo bleiben die Päpst*innen?

Zurück zum Thema. Historisch betrachtet waren wir Frauen nie mitgemeint. Schon in seinem Ursprung bezieht sich das generische Maskulinum stets nur auf Männer. Alle anderen Geschlechter spielten schlicht auch keine Rolle. Nun hat sich die Welt aber weitergedreht, zum Glück! Auch meine siebenjährige Tochter darf berechtigterweise darauf hoffen, eines Tages Bundeskanzlerin, Profifußballerin oder Astronautin zu werden. Es wird Zeit, dass sich auch die Sprache dieser Entwicklung anpasst. Und das ist noch nicht mal besonders schwierig, schließlich hat sich die Sprache immer wieder verändert – auch wenn das manche echt „cringe*“ finden. Und glücklicherweise ist unsere Sprache wortgewandt. Wie man geschickt gendert, dazu gibt es viele Tipps, die zu studieren sich lohnt, nicht nur für – Achtung – Studierende.

Aber gibt es nichts Wichtigeres als dieses Thema? Doch, gibt es! Man muss nur in die Nachrichten schauen. Mein Vorschlag: Sprechen wir einfach nicht mehr über das Gendern, machen wir es einfach. Vielleicht schreibe ich dann auch eines Tages von Bischöf*innen und Päpst*innen. Shesh**!

*cringe: 1. Platz beim Jugendwort des Jahres 2021 (bezeichnet eine Situation oder Handlung, in der man sich fremdschämt.)
**shesh: 3. Platz beim Jugendwort des Jahres 2021 (bezeichnet einen Ausruf des Erstaunens)

In eigener Sache: Gendern im Don Bosco Magazin

Eine gendergerechte Sprache ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Redaktion des Don Bosco Magazins hat sich deshalb einen Kodex gegeben, wie das Gendern im Heft und auf der Website umgesetzt werden soll.


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