Reden und Verstehen

Die Bibel lesen in der Familie – das Experiment

Früher haben die Kinder der Familie Pernsteiner begeistert in Kinderbibeln gelesen. Später haben sie das Interesse am „Buch der Bücher“ verloren. Ein neues Ritual erweckt die biblischen Geschichten für die Familie zum Leben.

veröffentlicht am 08.05.2023

Biblische Geschichten begleiten unsere Kinder von Anfang an. Zuerst haben wir sie ihnen noch vorgelesen, später blätterten sie alleine durch die vielen Kinderbibeln, die sich im Lauf der Zeit in allen Formaten bei uns zuhause türmten. Die Erzählungen von Adam und Eva, Abraham und seinen Söhnen, Noah, Moses, David und Goliath, von Maria und Josef und vor allem natürlich über das Leben von Jesus und seine Wunder sind ansprechend, da sie alles bieten, was ein Kinderherz begehrt: Helden und Bösewichte, Sieger und Verlierer und ein Grundgerüst um zu verstehen, was Glaube ist.

Mittlerweile sind unsere einstigen Leseratten im Jugendalter angekommen oder an der Schwelle dazu. Nurmehr die Jüngste mit ihren knapp zehn Jahren verschlingt Bücher noch förmlich, während bei den Großen ohne gesonderte Motivation nichts mehr geht – auch was das „Buch der Bücher“ betrifft. Uns Eltern ist es ein Anliegen, dass die Beschäftigung mit der Bibel weitergeht und ein persönlicher Zugang entsteht. So manches haben wir diesbezüglich schon versucht: Etwa, dass jeder und jede zehn Minuten vor dem Einschlafen in der Bibel der eigenen Wahl schmökert. Ein paarmal klappte es, meist blieb es aber, auch bei uns Eltern, beim Vorsatz.

Einfach aufschlagen und vorlesen

Als der Jahresbeginn 2023 die Chance auf einen Neustart bot, war die Zeit endlich reif. Meiner Frau kam die – eigentlich recht einfache – Idee, beim Abendgebet gemeinsam mit den Kindern aus der Bibel zu lesen und darüber zu reden. Wir starteten das Experiment ohne jegliche Vorbereitung, kümmerten uns nicht einmal um die Textauswahl. In einem Spielfilm über Franz von Assisi hatten wir einmal gesehen, wie die Minderbrüder die Bibel einfach irgendwo aufschlugen und dort vorlasen, wo gerade der Zeigefinger landete. Dasselbe wollten wir auch versuchen und stellten uns vor, Gott wolle so zu uns sprechen. Er werde uns schon dabei helfen, das Gelesene zu verstehen.

Und, so unglaublich es uns selbst schien: Es funktionierte! Die Kinder machten mit und stritten sich fast, wer das Textsuchen samt Vorlesen – immer eine kurze Geschichte aus den vier Evangelien – übernehmen durfte. Einem anderen kam die Aufgabe des Nacherzählens in eigenen Worten zu, ehe eine kurze Nachdenkstille und schließlich die Auslegung von Papa oder Mama folgten. Als Ausgangspunkte nahmen wir dabei Figuren aus der Textstelle, Unbekanntes, auf das wir gestoßen waren, Ungereimtheiten oder auch Parallelen zu eigenen Erfahrungen. Das Ganze war mehr Gesprächsimpuls als Predigt, und am Ende fasste ein kurzes freies Gebet die Gedanken zusammen.

Keine Pflicht, sondern Neugier

Noch immer machen wir damit weiter. Das Schöne unserer neuen Familientradition ist, dass sie nicht aus lästiger Pflicht geschieht, sondern aus Neugier darauf, welche Überraschung sie als nächstes für uns bereithält – auch für uns Eltern. Denn selbst als deutende Erklärer machen wir die Erfahrung, dass sich beim Reden neue Welten eröffnen, Zusammenhänge erschließen und vertraute Texte oft eine neue, persönliche Bedeutung bekommen. Es mag komisch klingen, aber manchmal scheint mir wirklich, als ob die Bibel lebendig und für uns geschrieben wäre. Sie schenkt uns in diesen täglichen zehn Minuten einen Raum, um uns als Familie über die wichtigen Dinge des Lebens auszutauschen.

Die Kinder steuern dazu viel bei. Als etwa die Heilung des Aussätzigen Thema war und meine Frau darüber sprach, wie Jesus mit Verachteten umging, erzählte unsere Jüngste von einem Obdachlosen im Bus, der von Kindern am Schulausflug wegen seines üblen Geruchs verspottet wurde. Wir diskutierten also, wie man sich in so einer Situation am besten verhält. Nach dem Lesen über die Gefangennahme und Verurteilung Jesu suchten wir fieberhaft Beweggründe der einzelnen Figuren und fanden uns in der tragischen Geschichte von Neid, Feigheit, Gier, Angst und Zorn plötzlich selbst wieder. Die Auferweckung des Lazarus ließ uns über den Tod und das „Danach“ reden.

Hilfe für ein glückliches Leben 

Mit Freude stelle ich fest, dass meine Familie in Sachen Bibel auf den Geschmack gekommen ist. Die neuen Folgen der Jesus-Serie „The Chosen“ können wir kaum erwarten, um das Gehörte auch in filmischer Interpretation zu sehen. Bei Gottesdiensten verfolgen wir die Schriftlesungen jetzt aufmerksamer als früher, dank einer Evangeliums-App meist schon vorab bei der Hinfahrt. Irgendwann werden wir uns auch zu anderen Büchern der Bibel und ins Alte Testament wagen – behutsam und ohne uns dabei zu überfordern. Worauf es ankommt: Selbst zu erleben, dass das Wort Gottes Hilfe sowie Richtschnur für ein glückliches Leben sein kann.


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