Basteln und feiern

Piñata – alter Brauch als Party-Hit

Kunstvolle, mit Süßigkeiten gefüllte Papierfiguren, werden an ein Seil gehängt und zerschlagen. Ursprünglich kam die Idee aus China, von dort gelangte sie über Spanien nach Mexiko. Kein Wunder, dass sie auch in der Familie unseres Autors heimisch ist.

veröffentlicht am 26.06.2023

Meine aus Mexiko stammende Frau und ich bemühen uns redlich, den Kindern ein „Best of“ unser beider Herkunftskulturen zu liefern. Ganz neue Familientraditionen sind so entstanden. Besonders lieb geworden ist uns dabei die Piñata, die als Abschlussüberraschung auf keinem Geburtstagsfest unserer Kinder fehlen darf: Eine kunstvolle, farbenprächtige Papierfigur, die mit Süßigkeiten gefüllt, an ein Seil gehängt und von allen Kindern reihum mit einem Stock zerschlagen wird. Obwohl es Piñatas zuletzt auch in heimische Verkaufsregals geschafft haben, fabrizieren wir sie grundsätzlich immer selbst. Sie werden dann größer und schöner, wecken schon im Entstehungsprozess viel Vorfreude – und sind auf Partys meist der absolute Hit.

Was wohl das Geheimnis dieses Kinderspiels ausmacht? Da ist einerseits die Figur, die Hingucker und Motiv für Gruppenfotos ist- und deren Kurzlebigkeit dem Moment Bedeutung verleiht. Die Piñata erlaubt den Kleinen, überschüssige Energie kontrolliert rauszulassen, und lässt Eltern von sonst eher schüchternen Kids oft staunen über schlummernde Kräfte. Von der Spielleitung verlangt sie hohe Wachsamkeit, damit es keine Verletzte gibt (was bisher immer gelang). Auch der Nervenkitzel, wann das Pappmaschee endlich nachgibt und aufplatzt, die Überraschung, was dann rausfällt, und die Freude an der „Beute“ spielen mit. Die Piñata weckt Emotionen, schafft Gemeinschaft und hinterlässt Erinnerungen.

Einhörner, Fußball und Riesen-Herz

Das Basteln einer Piñata ist zeitaufwendig und meditativ, aber keinesfalls kostspielig. Pappe aus dem Müll wird in Streifen geschnitten und mittels Tacker zum Skelett der gewünschten Figur geformt. Dann altes Zeitungspapier in Streifen reißen und mit Kleister (aus Mehl und Wasser) schichtweise draufkleben, wobei nach jeder Schicht ein Trockentag eingelegt werden sollte. Vor dem Aufhängen erhält das Bastelwerk noch ein buntes Krepppapier-Federkleid und ein kleines Loch, in das vor dem Auftritt die Zuckerl, Schokoriegel und Lollis gestopft werden, für die wir leider noch keinen gesunden Ersatz gefunden haben.

In Sachen Gestaltung der Piñata sind der Phantasie oder auch den Kinderwünschen keine Grenzen gesetzt: Nach ein wenig Übung haben meine Frau und ich schon Einhörner, Hunde, Tiger, Bären, Schildkröten, Krokodile, Lamas, Superhelden, Comicfiguren und Musikinstrumente designt, einmal einen Fußball und für eine Hochzeit sogar ein Ein-Meter-Herz. In jüngster Zeit haben wir aber vor allem die traditionelle Variante schätzen gelernt: Eine Kugel (für die man statt des Pappgerippes auch einen gut bekleisterten Luftballon verwenden kann), von der sieben Zacken in Kegelform abstehen – was seit 2020 bei vielen Assoziationen zum Coronavirus hervorruft.

Von Missionaren eingesetzt für christliche Katechese

Sehr spannend finde ich, dass die Piñata in dieser Form früher für die christliche Katechese eingesetzt wurde. Die spanischen Missionare in Mexiko deuteten das Schlagen der sieben bunten Spitzen als Sinnbild für den inneren Kampf im Leben gegen die sieben Todsünden. Die Augenbinde der zuschlagenden Person steht dabei für den Glauben, der Stock in der Hand für die von Gott verliehene Kraft. Wer seine schlechten Gewohnheiten erfolgreich besiegt, über den regnet es Süßes, Symbol für den von Gott geschenkten Segen. Bei Erstkommunionen und Firmungen haben diese Schilderungen schon viele aufmerksame Kinder- und Elternohren gefunden.

Ein Produkt der Globalisierung war die Piñata schon im alten Mexiko: Die Idee, Papierfiguren mit Stöcken zu zerschlagen, kam ursprünglich aus China, bis Marco Polo sie nach Spanien mitnahm, wo die Franziskanerpatres das Kinderspiel für ihr seelsorgliches Wirken in der „Neuen Welt“ aneigneten. Etliche Sonnen-Umkreisungen unseres Planeten später wird der Brauch nun auch wieder in Europa populär – als Ausdruck der Lebensfreude, nach der oft so dringender Bedarf besteht.


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