Nachgefragt
Die Ehe als lebenslanges Versprechen: Ist das noch zeitgemäß?
Die Welt ändert sich rasant und mit ihr die möglichen Formen des Zusammenlebens. Kann die katholische Ehe da mehr als ein romantisches Bündnis zweier sich liebender Menschen sein? Ja, kann sie, sagt Pastoraltheologe Wolfgang Beck.
veröffentlicht am 25.05.2023
Wie Menschen ihre Beziehungen aufnehmen und gestalten, unterliegt individuellen Stilen und kulturellen Prägungen. Längst gelten digitale Portale für die Suche nach Bekanntschaften und Partner*innen als fest etabliert. Patchwork- und Regenbogen-Modelle finden sich in allen Freundeskreisen und Familien. In diesen dynamischen Entwicklungen wirkt das klassische Modell einer Ehe als mögliche Option neben anderen. In der katholischen Kirche wird sie als Sakrament verstanden und gilt als gegenseitiges Versprechen für das ganze Leben.
Manchen gilt das als altmodisch oder aus der Zeit gefallen. Andere fürchten darin Überforderungen und manchmal gibt es auch romantische Idealisierungen. Für mich als Seelsorger sind die unterschiedlichen Sichtweisen der Paare immer eine großartige Entdeckung.
Zusammen in eine Richtung
Besonders berührt es mich aber, wenn ältere Paare bei Jubiläen von ihrem gemeinsamen Weg und den Herausforderungen erzählen. Meist brauchen sie dafür keine großen, pathetischen Floskeln. Und sie drücken allein durch eine lange Verbundenheit und den Blick in eine gemeinsame Richtung etwas vom christlichen Glauben aus. In dessen Zentrum steht ja die Überzeugung, dass Gott sich an uns Menschen bindet. Das ist die großartige Zusage: Wir gehen zusammen in eine gemeinsame Richtung!
Die längere Lebenserwartung in westlichen Ländern lässt die Formulierung „solange ich lebe“ für viele nahezu unüberschaubar erscheinen. Mit größerer Selbstverständlichkeit ändern Menschen im Laufe ihrer Biografie Lebensorte, berufliche Tätigkeiten und auch Lebensstile. Und zumindest die Vision von Geschlechtergerechtigkeit und wirtschaftlicher Selbstständigkeit hat – Gott sei Dank! – ökonomischen Zwängen zur Ehe ein Ende bereitet.
Dass damit auch persönliche Beziehungen und Partner*innenschaften fragiler werden, ist naheliegend.
Mehr als ein Vertrag über Stabilität und Treue
Sich für den weiteren Lebensweg an einen Menschen zu binden, wirkt da geradezu riskant. Niemand weiß ja von sich selbst, welche Entwicklungen die eigene Persönlichkeit noch nehmen wird. Und auch der/die Partner*in wird sich entwickeln. Die zentrale Frage wird daher am Beginn und in einer Ehe wohl sein: Entwickeln wir uns in eine gemeinsame Richtung?
Die Ehe ist dann eben kein Vertrag, bei dem es einfach nur um Stabilität und Treue geht. Auch deshalb ist es gut, dass es in der katholischen Kirche mittlerweile einen liebevollen Blick auf die unterschiedlichen Biografien und die verschiedenen Konstellationen von Paaren gibt. Papst Franziskus hat hier einen wichtigen Wandel angestoßen, damit Lebenswege nicht beurteilt, sondern begleitet werden.
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