Geld

Wenn Jugendliche Schulden haben

Bestimmte Konsumgüter stehen bei Jugendlichen hoch im Kurs. Zum Teil so hoch, dass sie dafür mehr Geld ausgeben als ihnen zur Verfügung steht. Wie Schulden bei jungen Menschen entstehen und wo es Hilfe gibt, erklärt Sozialarbeiter Niklas Doppermann.

veröffentlicht am 27.03.2023

Wofür geben Jugendliche ihr Geld aus?
Unser Eindruck ist, dass sie es hauptsächlich für Kleidung und Schuhe ausgeben. Vor allem Schuhe sind ein wichtiges Statussymbol. Computerspiele, also Gaming, und Handys haben einen hohen Stellenwert. Mittlerweile geben Jugendliche viel Geld für den Körper aus, für Körperpflegeprodukte, Nahrungsergänzungsmittel oder Dinge, die man braucht, um Sport oder Fitnesstraining zu betreiben. Auch Essen, Trinken und Fortgehen spielen eine Rolle.

Welche Einnahmequellen haben sie?
Die Jugendlichen, mit denen wir zu tun haben, haben meist kein regelmäßiges Einkommen. Die wenigsten erhalten Taschengeld. Sie bekommen eher anlassbezogen Geld, wenn sie welches brauchen. Die Jugendlichen, die zu uns kommen, haben kein oder wenig Geld und müssen mit dem auskommen, was sie von den Eltern kriegen.

Ab 15 Jahren kann man in Österreich einen Nebenjob, neben der Schule nachgehen, dann ist das eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Das spricht viele an. Es gibt auch Jugendliche, die für Tätigkeiten im Haushalt Geld bekommen. Generell kann man in Österreich, wenn man neun Schuljahre absolviert hat und mindestens 15 Jahre alt, ist einen Lehrberuf beginnen und somit ein eigenes Dienstverhältnis eingehen und ein regelmäßiges Einkommen haben.

Sind Jugendliche besonders gefährdet, sich zu verschulden?
Das ist eine schwierige Frage, die ich nicht klar mit Ja oder Nein beantworten kann. Wir sehen bei Erwachsenen und jungen Erwachsenen, dass sie genauso gefährdet sind, Schulden zu machen, und das auch tun. Die Jugendlichen und Kinder sind ein Spiegel der Gesellschaft. Bei ihnen ist speziell, dass sie wenig oder kein Einkommen haben. Das macht sie sehr anfällig, mit oft gar nicht so großen Ausgaben in Probleme zu geraten. Hinzu kommt, dass sie noch in der Phase der Identitätsfindung sind und dadurch Statussymbole und Konsum wichtig sein können. Das wird auch Erwachsenen vermittelt, aber Jugendliche sind noch empfänglicher dafür. Sie wollen dann vielleicht ihren Vorbildern, bestimmten Influencern nacheifern und deren Lifestyle nachahmen.

Wo finden sie Hilfe, wenn sie finanzielle Probleme oder Schulden haben?
Wichtig ist es, zu einer Beratungs- oder Betreuungseinrichtung in der Nähe, vielleicht auch zu einem Jugendzentrum, zu gehen und sich jemandem anzuvertrauen. Bestenfalls ist dort eine Person, mit der man eine gute Beziehung hat und die sich in der Thematik auskennt.

Wenn es dann darum geht, sich grundsätzlich mit der Schuldensituation auseinanderzusetzen bzw. sich in ein Schuldenregulierungsverfahren zu begeben, muss man sich an eine Schuldnerberatung wenden. Diese Schuldnerberatungen, die staatlich anerkannt sind und ihren Service kostenlos anbieten, gibt es in Österreich, und ich vermute auch in Deutschland, in jeder größeren Stadt.

Dort werden die Schulden angeschaut und sortiert. Dann wird Kontakt mit den Gläubigern aufgenommen. Wenn eine Überschuldung vorliegt, also schon mehr Geld für Zinsen ausgegeben werden muss als für den eigentlichen Betrag, die Schulden also eigentlich nicht mehr kleiner werden können, muss ein Schuldenregulierungsverfahren stattfinden. Dafür braucht man Institutionen wie die Schuldnerberatung, weil sie einen auch juristisch begleiten. Es gibt unterschiedliche Varianten, wie lange das dauert, aber nach diesem Prozess ist man schuldenfrei und kann wieder bei Null anfangen. Zusätzlich wird die Zeit des Schuldenregulierungsverfahren von der Schuldnerberatung dazu genutzt, um Finanzkompetenz zu vermitteln, damit präventiv in Zukunft neue Schulden verhindert werden können.

Was raten Sie Jugendlichen, damit es erst gar nicht so weit kommt?
Ein großes Problem beim Thema Geld ist, dass es oft ein Tabu ist, sowohl in der Familie als auch im sozialen Umfeld. Auch irgendwo hinzugehen und anzusprechen, dass man verschuldet ist, ist schwierig. Teilweise reden Jugendliche auch nicht unbedingt zuhause mit den Eltern darüber, was die Dinge kosten. Wir fragen oft und diskutieren darüber, ob sie wissen, was die Eltern für die Wohnung bezahlen oder wieviel sie für die Energie bezahlen, damit sie überhaupt ein Gespür dafür bekommen. Wieviel kostet ein Liter Milch im Supermarkt? Wieviel hat er vor zwei Jahren gekostet? Wir halten es für wichtig, Jugendliche ernst zu nehmen, mit ihnen auf Augenhöhe zu reden und zu schauen, wieviel Einblick sie in das Thema haben.

Ansonsten gelten die Klassiker: Sehr vorsichtig sein bei In-App-Käufen oder In-Game-Käufen, weil man schnell den Überblick verliert. Dasselbe gilt auch fürs Online-Shopping. Man sollte immer überlegen, was man wirklich braucht und was nicht so notwendig ist. Ein Thema kann sein, dass man Rechnungen nicht aufhebt, sie wegschmeißt oder gar nicht erst aufmacht. Den Kopf in den Sand zu stecken, wenn man merkt, dass man ein Problem hat mit den Ausgaben, hilft überhaupt nicht, sondern macht alles nur noch schlimmer. Viele Jugendliche und Erwachsene, die zur Schuldnerberatung gehen, haben einen riesigen Berg an ungeöffneten Rechnungen, die man erstmal sortieren muss, weil sie sich damit einfach nicht mehr auseinandergesetzt haben.

In der Familie und in der Schule über das Thema zu sprechen, Finanzkompetenz zu vermitteln, ist wichtig und noch sehr ausbaufähig. Wir sind gerade in einer gesellschaftlichen Situation, in der wir erleben, dass Sachen teurer werden, dass Personen weniger verdienen. Das sind Tatsachen, unter denen auch Jugendlichen leiden. Man kann viel aufklären, mit den Jugendlichen reden und sie teilhaben lassen an dem Umgang mit Geld. Aber Fakt ist auch, dass es viele Familien gibt, in denen es einfach nicht mehr reicht. Das wird auf jeden Fall noch ein großes Thema werden und ist es zum Teil jetzt schon. Wenn wir zurzeit die Jugendlichen in Beratungen oder Workshops fragen, was das Leben kostet, merken wir, dass sie eine relativ realistische Einschätzung haben. Vielleicht wird jetzt mehr über Geld geredet. Ich denke, das sollte man immer tun – und nicht erst dann, wenn es knapp wird.

Porträt Niklas Doppermann

Sozialarbeiter Niklas Doppermann ist in der Jugendinfo von WIENXTRA in Wien als Berater tätig. Die Organisation bietet psychosoziale Beratung für Jugendliche und junge Erwachsene zu allen für diese Zielgruppen relevanten Themen.  


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