Zuhören und Halt geben
Mit Kindern über Krieg sprechen: Tipps für Eltern
Warum gibt es Kriege? Sterben da Menschen? Wieso kann man nichts dagegen machen? Kinder fragen direkt. Doch wie können Eltern am besten darauf antworten? Die Medienpädagogin Maya Götz rät zu einfachen Worten und einer Perspektive der Hoffnung.
veröffentlicht am 22.05.2025
Ab welchem Alter können oder sollen Eltern mit ihren Kindern über das Thema „Krieg“ sprechen?
Das ist eine schwierige Frage, denn es kommt immer ganz auf das Kind und auf die Situation an. Wenn in den Nachrichten und im Alltag Bilder vom Krieg sehr präsent sind, ist es wichtig, dass schon Kitakinder das einordnen können. Wenn in unserem Leben und in unseren Nachrichten vorwiegend Frieden herrscht, können Eltern warten, bis ihre Kinder sieben oder acht Jahre alt sind. In den ersten drei Lebensjahren macht es generell noch keinen Sinn, mit seinen Kindern über den Krieg zu sprechen.
Wie sehr dürfen Eltern ins Detail gehen? Oder ist es besser, die Realität etwas abzuschwächen?
Über die aktuellen Ereignisse können Eltern reden. Sehr sensibel sollten sie allerdings sein, wenn Blut zu sehen ist. Das ist für Kinder, selbst wenn sie acht oder neun Jahre alt sind, schwierig. Blut und Verletzungen, ob im Bild oder in der Erzählung, können Kinder in ein sehr intensives, emotionales Erlebnis führen. Daher sollte hier nicht zu sehr ins Detail gegangen werden. Außerdem sollten Eltern sich immer überlegen, was am nächsten an der Lebenswelt der Kinder ist. Zu sagen, in einem Krieg sind 20.000 Menschen gestorben, ist für Kinder meist kein Problem. Diese Zahl ist zu abstrakt und hat für sie zunächst keine Bedeutung. Wenn es aber heißt, dass viele Kinder verletzt wurden und ihre Eltern verloren haben, berührt diese Nachricht viel mehr. In dem Augenblick, wo Kinder leiden, ist das wesentlich näher an ihrer eigenen Lebenswelt. In diesem Fall ist es gut, den Kindern Brücken zu bauen, um die Realität etwas abzuschwächen und eine Perspektive der Hoffnung zu eröffnen. Das gelingt, indem ich zum Beispiel sage: „Jetzt ist es für die Kinder im Krieg sehr schwer, aber ihnen wird geholfen. Alle bemühen sich darum, dass es ihnen bald wieder besser geht.“
Nachrichten über den Krieg können Kinder verstört zurücklassen. Wie können Eltern das auffangen?
Wenn man das bemerkt, einfach direkt fragen: „Hast du vom Krieg in der Ukraine gehört?“ Kinder müssen erst einmal die Chance haben, selbst erzählen zu können, denn alles, was verbalisiert wird, kann besser psychologisch verarbeitet werden. Wenn das Kind dann noch Fragen hat, können Eltern in einfachen Worten die Zusammenhänge aufzeigen: „Das ist ein Krieg. Im Krieg ist es so, dass die Menschen gegeneinander kämpfen. Hier wollte Herr Putin, der Präsident von Russland, gerne das andere Land haben. Deswegen hat er einen Krieg angefangen und hat die Ukraine angegriffen. Das ist eigentlich verboten. Herr Putin hat sich aber nicht an diese Regel gehalten. Für die Menschen in der Ukraine ist es gefährlich. Daher mussten viele fliehen.“ Neben den einfachen Worten ist noch entscheidend, keine zusätzlichen Emotionen hineinzulegen. Der Fakt, dass Krieg ist, ist für sich selbst genommen schon so schwierig und emotional genug.
Das ist der eine Punkt: Zusammenhänge einfach erklären. Der zweite Punkt ist, dem Kind Entlastung anzubieten. Zum Beispiel durch die Versicherung „Das Land ist weit weg.“ und „Der Krieg kommt nicht nach Deutschland.“. Die Botschaft ist wichtig: „Du bist hier sicher. In Deutschland herrscht Frieden.“ Das ist völlig in Ordnung, das so zu vereinfachen. Das kann eine gute Gelegenheit sein, darüber zu sprechen, wie wichtig der Frieden ist, dass wir miteinander reden und nicht miteinander streiten oder uns mit Waffen bedrohen. Über den Krieg zu reden, hat auch immer ganz viel damit zu tun, die Friedenskompetenz zu stärken.
Manchmal fangen Kinder auch an, Krieg zu spielen. Wie sollten Eltern darauf reagieren?
Kinder im Kindergartenalter leben das, was sie gesehen haben, oft in Rollenspielen aus. Das heißt, sie spielen zum Beispiel in der Lego-Ecke und lassen Lego-Steine als Bomben regnen. Auch hier gilt: erst einmal zuhören, was das Kind gehört oder gesehen hat, und dann ihm helfen, es einzuordnen. Aber bitte auf keinen Fall das Kind beschämen, indem Eltern entrüstet sagen: „Wie kannst du das machen? Weißt du nicht, wie schlimm Krieg ist?“ Stattdessen dem Kind Wege und Räume eröffnen, damit es selbst erkennt, dass Waffen und Krieg etwas ganz Schlechtes sind. Mit ihm zusammen überlegen, was es eigentlich bedeutet, im Frieden zusammenzuleben und sich gegenseitig zuzuhören – im Gegensatz zum Krieg, wo einfach alles zerstört wird. Da wären wir wieder bei dem Stichwort „Friedenskompetenz“.
Sie selbst begleiten viele Kinderfernsehredaktionen. Wie wichtig ist das Angebot der Kindernachrichten, um Kriege weltweit zu erklären?
Ganz wichtig. Kindernachrichten wie logo! können Kindern und Eltern helfen, das Unfassbare in Worte zu fassen. Schwierige Zusammenhänge werden dort so erklärt, dass Kinder sie gut verstehen und vor allem emotional verarbeiten können. Gerade, wenn Eltern selbst emotional stark involviert sind, weil sie beispielsweise Verwandte in der Ukraine oder im Westjordanland haben, sind Kindernachrichten ein sehr guter Weg, um Kindern einen Überblick über die Ereignisse und eine Einordnung zu geben. Dieses Angebot wird in einer Zeit, in der auf die Kinder viele Herausforderungen, Krisen und auch Kriege zukommen werden, umso wichtiger.
Wonach sollten Eltern Medien für ihre Kinder in diesem sensiblen Feld auswählen?
Mein Haupttipp: öffentlich-rechtliche Angebote anschauen, denn dort stehen Menschen dahinter, von denen man ausgehen kann, dass sie zum Wohle der Kinder handeln. Die Informationen müssen altersgerecht aufbereitet sein, ohne kommerzielle oder politische Interessen im Hintergrund. Sie sollen dazu dienen, dass sich die Kinder gut in einer Welt, die auch von Krisen und Kriegen geprägt ist, zurechtfinden und für den Frieden und das Gemeinwohl einsetzen können.
Kriegsgeschehen lösen ein großes Ohnmachtsgefühl aus. Gibt es irgendetwas, das Eltern mit ihren Kindern tun können, um zusammen ein wenig aktiv zu werden? Damit am Ende die Hoffnung überwiegt.
Auf jeden Fall. Kekse backen, verkaufen, das Geld sammeln und spenden – das wäre eine tolle Aktion. Oder mit der ukrainischen Schülerin reden, die in der Nachbarsklasse ist, und überlegen, wie wir ihr und ihrer Familie helfen können – mit ihr spielen, gemeinsam Hausaufgaben machen, die Familie zu einem Nachmittagskaffee einladen. Eine weitere Möglichkeit ist, sich zu informieren, welche Einrichtungen und Organisationen in meiner Nähe sind, die sich zum Beispiel für Geflüchtete einsetzen. Vielleicht gibt es dort Projekte für ein ehrenamtliches Engagement. So kann das Gesprächsthema „Krieg“ trotzdem mit etwas Positivem enden. Das ist übrigens auch das eigentliche Erfolgsrezept der Kindernachrichten logo! – sie enden immer mit dem Wettertier, also lustigen Tieren, die einen Witz erzählen.
Wie spreche ich mit meinem Kind über den Krieg?
Die 6 wichtigsten Tipps der Medienpädagogin Maya Götz im Überblick:
- Den Kindern zuhören und sie selbst erzählen lassen, was sie schon wissen und gesehen haben.
- In einfachen Worten die Zusammenhänge aufzeigen, keine zusätzlichen Emotionen hineinlegen.
- Bilder von Blut und konkreten Verletzungen, wenn möglich, komplett vermeiden.
- Dem Kind ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.
- Die Friedenskompetenz stärken.
- Möglichkeiten aufzeigen, selbst aktiv zu werden.