Familie verbindet

Was Elternfreundschaften so besonders macht

Wenn die Kinder sich verstehen, nähern sich oft auch die Eltern an. Mit der Zeit können Freundschaften entstehen. Was diese Beziehungen auszeichnet, wie verlässlich sie sind und was ist, wenn sie enden.

veröffentlicht am 05.09.2022

Mia und Smilla waren vom ersten Tag im Kindergarten unzertrennlich. Oft sah man sie ganz versunken miteinander spielen oder Hand in Hand über das Außengelände hüpfen. Da blieb es nicht aus, dass auch die Mütter beim Abholen ins Gespräch kamen. Sie verabredeten sich für den Nachmittag und während die Mädchen ihren Spaß hatten, saßen die beiden Frauen beim Kaffee, quatschten erst über die Kinder, dann über Gott und die Welt und schließlich über alles, was sie bewegte. Eine Elternfreundschaft war entstanden.

Alles änderte sich als Smilla Vorschulkind wurde. Obwohl nur ein halbes Jahr älter, gehörte sie nun zu den Großen. Die Mädchen langweilten sich plötzlich miteinander, fingen an zu streiten. Bis Mia eines Tages sagte: „Ich will nicht mehr mit Smilla spielen“. Für die beiden Mütter wurde es nun schwieriger, sich zu sehen. Sie trafen sich alleine in den Abendstunden. Aber der Alltag war voll und irgendwann blieben die Anrufe aus. Ein paar Monate später begegneten sie sich im Supermarkt und hatten sich nichts mehr zu sagen. Das Ende einer Elternfreundschaft.    

Das Krabbelalter der Kinder ist eine gute Zeit, um Kontakte zu knüpfen

Beziehungen zwischen Eltern beginnen auf Spielplätzen, am Rande von Fußballfeldern, auf Kindergeburtstagen oder in der Kita-Garderobe. Meist sind es Mütter, die andocken, während der Nachwuchs klettert, kickt, Topfschlagen spielt oder zappelnd in seine Jacken gezwängt wird. Denn nach wie vor sind es überwiegend Frauen, die das Sozialleben ihrer Familie regeln, Termine machen, Verabredungen organisieren und Fahrgemeinschaften gründen.

Isabel Lotz aus Hamburg kennt das gut. Die Familienbloggerin (Lari Lara) hat fast nur Freundschaften, die über ihre acht und zwölf Jahre alten Töchter entstanden sind. Die ersten, als sie noch in Mainz gewohnt haben. „Damals war unsere erste Tochter im Krabbelalter. Eine gute Zeit, um anderen Müttern zu begegnen“, sagt sie. Denn während frischgebackene Eltern manchmal recht einsame Kinderwagenrunden um den Park ziehen, beginnt einige Zeit später schon die Babykurs-Phase mit Schwimmen, Massage oder Yoga und vielen Möglichkeiten, sich kennenzulernen.

Auch über das Internet lässt sich leicht mit anderen Eltern in Kontakt kommen. Zum Beispiel über lokale Facebookgruppen oder über Plattformen wie nebenan.de. Hier findet man Menschen in der Nähe mit gleichen Interessen, kann sich über Veranstaltungen informieren oder konkrete Anfragen stellen, etwa nach Alleinerziehenden mit Kindern im Kita-Alter. Mittlerweile existieren auch verschiede Apps wie famzy oder Barrio, die gezielt Eltern vernetzen. Das ist hilfreich, wenn man neu am Ort ist oder noch keine anderen Eltern im Bekanntenkreis hat.

Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig bestärken

Bloggerin Isabel Lotz nahm mit ihrer Tochter an einer PEKIP-Gruppe teil. „Es war mir wichtig, mich mit den anderen Eltern zu unterhalten“, erinnert sie sich. Während sie die Kleinen beobachten, reden die Mütter übers Wachsen und Zahnen, übers Essen und Durchschlafen. Sie tauschen Erfahrungen und Globuli aus und bestärken sich gegenseitig, wenn der Alltag mal wieder stressig ist. Lotz lernt damals eine Mutter kennen, mit der sie sich gut versteht. „Wir haben uns zweimal in der Woche mit den Kindern getroffen.“

Die beiden Frauen führen lange Gespräche, reden über den Familienalltag und über persönliche Dinge. Auch die Väter verstehen sich gut und die Familien unternehmen viel gemeinsam. Elternfreundschaften haben einen großen Vorteil: Es gibt kaum etwas Entspannteres, als das Gefühl, dass alle Familienmitglieder „versorgt“ sind. Zum Beispiel beim gemeinsamen Grillabend, wenn die Großen sich unterhalten und die Kleinen begeistert durch den Garten toben. Finden Familien auf diese Art zusammen, ist die Welt in Ordnung und es könnte immer so sein.

Auch für Isabel Lotz fühlen sich die Treffen mit ihrer Freundin in Mainz gut an. „Wir haben uns oft gesehen und über viel mehr gesprochen als das Windeln wechseln.“ Bis beide Familien in unterschiedliche Städte ziehen. Mit einem Mal ist es vorbei - genauso schnell, wie es angefangen hatte. „Das war so eine Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Situation“, sagt Lotz heute. Mittlerweile weiß sie aus Erfahrung: „Nicht alles, was sich wie Freundschaft anfühlt, ist auch eine. Und wenn ich über längere Zeit einen guten Kontakt habe, der plötzlich abbricht, nagt das schon an mir.“

Was passiert, wenn sich die Lebensumstände ändern

Zumal sie durchaus „Fernbeziehungen“ pflegt. Wie mit ihrer Schulfreundin, die seit Jahren ein ganz anderes Leben in Berlin führt. Es gehört zum Wesen vieler Jugendfreundschaften, dass sie über Jahrzehnte bestehen, unterschiedliche Lebensmodelle aushalten, sich von längerer Funkstille nicht beirren lassen und auch nicht von Entfernungen. Letztere können sogar von Vorteil sein, weil sich Textnachrichten oder Telefonate besser in enge Familienzeitpläne integrieren lassen als regelmäßige Treffen. Und sehen sich alte Freunde endlich wieder, verbringen sie die Zeit miteinander umso bewusster.

Die Elternfreundschaft entsteht durch ein gemeinsames Lebensmodell. Die Familien wohnen in der Regel an einem Ort, sind in der gleichen Lebensphase, haben dieselben Themen. Das macht es leicht, sich zu finden. Andererseits wirkt sich eine Änderung der Lebensumstände schneller auf diese Freundschaften aus. Da reicht es manchmal schon, dass die Kinder selbständiger werden. Kreuzen sich die Wege der Eltern nicht mehr regelmäßig, lockern sich viele Beziehungen. Auch neue Bekanntschaften bleiben oft unverbindlich, ist Lotz‘ Erfahrung. „Man hat nicht mehr so viele Berührungspunkte, oft sind es reine Zweckbeziehungen.“

Das alles bedeutet aber nicht, dass jede Elternfreundschaft irgendwann in die Brüche geht. Einige bleiben auch losgelöst von den Kindern bestehen. Am ehesten funktioniert das, wenn in erster Linie die Eltern befreundet sind. „Meine beste Freundin war auch Bloggerin und so haben wir uns kennengelernt. Sie wohnt am anderen Ende von Hamburg, deshalb sehen wir uns selten“, erzählt Lotz. „Aber wir sind immer im Kontakt und wenn wir uns mit den Kindern treffen, ist es, als hätten wir uns gestern erst gesehen. Harmoniert es zwischen den Erwachsenen, kommen meistens auch die Kinder gut klar.“

Zeit für neue Freundschaften

Je älter die Kinder werden, desto mehr Raum entsteht wieder für Freundschaften, die sich in anderen Lebensbereichen entwickeln. Zum Beispiel durch ein gemeinsames Hobby. „Wir verstehen uns gut mit einem Ehepaar aus der Nachbarschaft. Diese Freundschaft ist völlig losgelöst von den Kindern, denn sie sind schon um die 60. Aber wir teilen unsere Liebe für Sport, Wein und gutes Essen“, sagt Lotz. Viele solcher Freundschaften wird es aber in den nächsten Jahren nicht geben, ist sie sicher. „Als Familie haben wir einfach einen bestimmten Tagesablauf und Lebensrhythmus.“ Und der passt eben am besten zu anderen Familien.

Porträt Isabel Lotz

Isabel Lotz, 44, ist Content Creator und Beraterin für Kommunikation und Social-Media. In ihrem Blog Lari Lara schreibt sie über Familie, Reisen und Frau-Sein. Mittlerweile stehen nicht mehr Kleinkindthemen im Fokus, sondern die Frage, wie man es schafft, Mutter zu sein und Frau zu bleiben, also die Bedürfnisse aller – auch die eigenen – im Alltag unter einen Hut zu bringen.


Verwandte Themen

Hände von Frau mit Notebook, Handy und Tischkalender
Einsamkeit
Seit der Corona-Pandemie sind noch mehr Menschen einsam als zuvor. Das merkt auch Sr. Hermi Dangl bei ihrer Arbeit in der Wiener Gesprächsinsel. Ein Interview über Wege aus der Einsamkeit und das Glück des Alleinseins.
Mann liegt unter Baum mit einem Buch auf dem Gesicht
Selbstfürsorge
Eltern brauchen unbedingt mal Zeit für sich. Nur so lässt sich der ständige Trubel daheim auf Dauer stemmen. Wir haben ein paar Ideen für kleinere und größere Alleine-Zeiten für Mamas und Papas zusammengestellt.
Mädchen geborgen auf Mamas Arm
Keine Solidarität
In der Schwangerschaft hatte sich Stefanie Kortmann alles so schön ausgemalt. Als Mutter würde sie Teil einer Gemeinschaft sein. Und heute, sechs Jahre später? Enttäuschung und Ernüchterung. Was ist passiert?