Träumen erlaubt

Wenn Wünsche wieder Flügel bekommen

Weihnachtszeit ist Wünschezeit. Unsere Autorin erlebt die Ratlosigkeit einer 14-Jährigen, während bei ihrer 11-jährigen Tochter die Ideen nur so sprudeln. Dabei kommt die Mutter auch ihren eigenen Wünschen auf die Spur.

veröffentlicht am 02.12.2025

„Ich hab keinen Wunsch“, sagt die 14-Jährige mit einer Schulterbewegung, irgendwo zwischen Coolness und Ratlosigkeit. „Was? Keine Wünsche?“, frage ich entsetzt. Wie kann das sein? Dieses Mädchen, das immer so vernünftig ist, so freundlich und zurückhaltend, dass man ihr gerne mal einen Wunsch erfüllen möchte – einfach, um ihr eine Freude zu machen – ist wunschlos?

Ich bin bei meiner Freundin. Wir sitzen am Küchentisch als ihre älteste Tochter Ida uns erzählt, dass sie keine Weihnachtswünsche hat. Ihre Aussage trifft mich. Keine Wünsche mehr? Mit 14?

Ganz anders meine Tochter. Mit elf Jahren braucht sie für ihre Wunschliste immer noch die Vorder- und auch Rückseite. Dabei weiß sie sehr genau, was sie möchte: einen Dachausbau, neue Fenster, neue Tapeten und reichlich Dekoration für das neu zu entwerfende Loft-Zimmer. Damit es hier nicht zu Fehlplanungen kommt, hat sie ihre neuen Räumlichkeiten auch schon gleich einmal aufgezeichnet. Von der Sache selbst sehr überzeugt, hält sie mir die Skizze hin: „So, Mama! Mit weißen Fußleisten.“

Manche Wünsche brauchen ein bisschen Zeit

Woher diese Begeisterung kommt? Keine Ahnung. Aber sie schildert mir alles so lebendig, dass ich fast schon wieder Lust auf eine Renovierungs-Aktion bekomme.

Zwischen diesen beiden Mädchen liegen nur drei Lebensjahre – und doch scheinen Welten dazwischen zu liegen. Die eine sprudelt über vor Ideen, Träumen und Zukunftsbildern. Und die Große? Die weiß zwar noch, was sie nicht will, aber nicht mehr so recht, was sie will. Vielleicht, weil die Welt gerade viel von ihr fordert. Schule, Freundschaften, Erwartungen, das große Wort „Zukunft“. Da mag man den Draht zu den eigenen Wünschen auch schon mal verlieren.

Dabei sind Wünsche so wertvoll, denn sie sind kleine Wegweiser. Sie zeigen uns, wohin unser Herz gerne laufen würde, auch wenn wir nicht jeden dieser Wege tatsächlich gehen. Und manchmal brauchen Wünsche nur ein bisschen Zeit. Oder Mut. Oder beides.

Irgendwo im Alltag rutschen unsere Wünsche oft leise nach hinten 

Auch wir Erwachsene kennen das: Irgendwo im Alltag rutschen die eigenen Wünsche oft leise nach hinten. „Braucht’s das? Ach, später vielleicht.“ Manchmal haben wir sogar verlernt, laut zu sagen, was wir uns wünschen. Dabei tut genau das gut, offen darüber sprechen. Auch wenn sich nicht jeder Traum sofort erfüllt, schafft das Raum: für ehrliche Begegnungen, für gemeinsame Ideen, für überraschende Möglichkeiten.

Und vielleicht liegt genau dort das schönste Geschenk: im persönlichen Austausch. Wenn wir uns hinsetzen, zuhören, erzählen. Wenn wir uns trauen, davon zu sprechen, was wir uns erhoffen – und manchmal sogar gemeinsam herausfinden, was wir eigentlich wollen. Diese Art von Nähe schenkt mehr als jedes Paket mit Schleife.

Plötzlich ist da ein kleines Funkeln, ein Gefühl! 

Zurück zu Ida. Ein paar Tage nach unserem Küchentischgespräch treffen wir uns wieder. Ganz nebenbei sagt sie: „Mir ist da doch was eingefallen. Ich würde gern im Sommer zu einem Konzert gehen.“ Und da war es – ein kleines Funkeln. Kein riesiger Traum, keine Weltsensation. Aber ein Wunsch, der ein Gefühl in ihr weckte: Vorfreude! Plötzlich wirkt sie wieder ein bisschen wie die 14-Jährige, die sie auch ist: Neugierig, erwartungsvoll, offen für das, was kommt.

Wünsche müssen nicht groß sein oder perfekt. Erst recht müssen nicht alle sofort in Erfüllung gehen. Sie müssen nur echt sein. Und wir sollten sie uns immer wieder neu erlauben, egal ob wir elf, vierzehn oder schon längst erwachsen sind. Denn Wünsche halten unsere Träume warm und Träume sind der Antrieb zum Leben. Aus diesem Grund weiß die Familie auch von meinen Wünschen: Neue Inliner führen die Wunschliste an, dann ein Ski-Urlaub und ein neuer Tapeziertisch für die Ausbauwünsche meiner Tochter.


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